laut.de-Kritik
Bitte vor The White Stripes einordnen.
Review von Jasmin LützDieses Meisterwerk gehört auf die Ohren und in jedes gut sortierte Plattenregal: The Dirtbombs aus Detroit präsentieren auf ihrem zweiten Album "Ultraglide In Black" die volle Packung Soul. Hauptsächlich handelt es sich um Coverversionen von R'n'B- und Funk-Perlen, mit denen Sänger und Gitarrist Mick Collins aufgewachsen ist. Seine Familie hegte schon immer eine besondere Leidenschaft für Vinyl und besaß dementsprechend eine große Plattensammlung.
"Ultraglide In Black" ist Collins' Hommage an die schwarze Musik. Mit dabei sind die amerikanischen Funk-Soul-Größen Sly & the Family Stone ("Underdog"), Marvin Gaye ("Got To Give It Up"), Curtis Mayfield ("Kung-Fu"), Stevie Wonder ("Living For The City"), The Parliaments ("I'll Wait"), The Miracles ("If You Can Want") und viele andere, die Micks Psyche und Seele schon immer musikalisch begleiteten.
Über seine Vorliebe zu altem und neuem Vinyl erzählte Collins bereits 2004 im Interview. The Dirtbombs spielten damals in Düsseldorf. Vor dem Gig kam Mick Collins ganz happy mit einer prallgefüllten Tüte aus dem Plattenladen und lachte: "Es gibt diesen Witz bei uns, man darf nicht bei den Dirtbombs spielen, wenn man nicht mindestens 1.000 Platten besitzt."
Mindestens genauso glücklich hinterlässt bereits der erste Song "Chains Of Love", der die wilde Tanzhalle eröffnet. Im Original aus den 1960ern von J.J. Barnes, bringt Mick mit seiner kraftvollen Stimme und dem Gitarrensound den nötigen Garagen-Punk mit in die lässige Soul-Nummer. Der Sänger und Songschreiber James Jay Barnes, ebenfalls aus Detroit, zog in den 1970ern nach England, um dort seine Musik einem breiteren Publikum vorzuführen. Die Coverversion "Chains Of Love" von den Dirtbombs erhöhte 2001 noch einmal die Aufmerksamkeit.
Ein echter Dirtbombs-Knaller ist "Your Love Belongs Under A Rock", der einzige eigene Song auf dieser Platte. Spätestens hier dreht man das Volume noch einmal mehr auf. Wie gewohnt, nimmt die Band alle Instrumente und sämtliche Ohren auseinander. Schrille Orgelelemente, rückkopplungsgetriebene Gitarren, wummernder Bass und ein Schlagzeugspiel im Doppelpack: wunderbar. Eine höllische-melodische Wut-Sause, angeführt von Mick Collins, dessen Gefühl für puren Garagen-Punk man schon von The Gories aus den 1980ern kennt. Dieses Rock'n'
Roll-Trio hätte übrigens auch sehr viel mehr Aufmerksamkeit bekommen können: eine brillante Garagenband aus dem Underground.
1992 gründete Mick mit einer weiteren Gitarre, Bass und zwei Schlagzeugern The Dirtbombs. In dieser Besetzung gingen sie noch einmal wuchtiger zu Werke. Zu Beginn brachten sie nur Singles heraus. Erst mit Labelchef Larry Hardy, Gründer des legendären Garage-Rock-Labels In The Red Records, erschien 1998 ein komplettes Dirtbombs-Album. "Horndog Fest" geriet tatsächlich zu einem Fest für alle Fans von Gesang und dem Gitarrenspiel Mick Collins, das stets im Mittelpunkt stand.
Detroit erlebte einen neuen Garagen-Rausch. Bands wie The White Stripes schafften es auf die Titelseiten der Musikmagazine, während sich The Dirtbombs oder auch The Detroit Cobras und The Von Bondies ihren Arsch in diversen Clubs abschufteten.
Vom größeren Rampenlicht profitierten Collins & Co. dann aber auch. Immerhin kam es zu einer Split-Single mit den White Stripes: Die 7" "Hand Springs/Cedar Point '76" aus den Jahre 2000 gibt es bei eBay für schlappe 450 US-Dollar zu erwerben. Also doch ein kleines Happy End, und plötzlich wollten die Leute mehr von The Dirtbombs hören. Spätestens seit diesem Zusammenspiel gilt "Ultraglide In Black" als eins der den besten Alben der Detroiter-Garagen-Rock-Szene.
Somit zurück zum Meilenstein: Natürlich spielt die Gitarre auch in "Underdog" die prominente Rolle. Eine stürmische Coverversion des Funk-Klassikers von Sly & The Family Stone. Das Herz bebt, und man liebt dieses "Ultraglide In Black" direkt noch mehr. Die Originale erhellen bereits die Seele. Diese All-Time-Favorites dan aber so gekonnt und mit großer Leidenschaft zu covern, bringt noch einmal eine ganz eigene Dimension und neue Dynamik mit.
Stevie Wonders Epos "Living For The City" aus dem Jahr 1973 wurde textlich verändert, Collins singt hier eine Strophe auf Spanisch, es geht um den Kampf der schwarzen Community. Rhythmus und Vibe erinnern an "I Wanna Be Your Dog" von The Stooges, aber Collins' Gitarre bleibt einzigartig und seine Stimme ist purer Soul. Mick ehrt die besten Künstler der Welt und kann sich unter ihnen locker selbst als großartiger Soulsänger einreihen.
Motown-Legende Marvin Gaye wird natürlich auch ver- und mit "Got To Give It Up" geehrt. Hier zeigen sich Mick und seine Dirtbombs von ihrer ruhigen Seite. Ein leidenschaftliches Cover aus Gitarren und Rhythmus-Maschine. "Keep on dancing!" Das Gaye-Original bleibt natürlich kaum zu toppen, aber das versucht auch niemand. Sie covern es im eigenen dirty Collins-Stil.
Ebenfalls unvergessen: die Stimme von Barry White. Bei seinem Groove lässt man alles stehen und liegen. Sein sanfter Disco-Stil klingt nachhaltig im Ohr, und die Dirtbombs-Version von "I'm Qualified to Satisfy You" verneigt sich vor seinem Meisterwerk. Collins' Talent verpasst dem Original einen roughen Sound, der uns sofort auf die Tanzfläche lockt. Tanz' die Scheiße raus, bis zum Morgengrauen!
Großartig, mit Background-Gesang "I'll Wait", im Original vom Gesangs-Quartett The Parliaments. George Clinton, Gründer von Funkadelic, zählt Ende der 1960er zu den bekanntesten Funk-Sängern. Dieses Genre schlägt eine Brücke zwischen Soul und DisCo: "Free your mind, your ass will follow."
Man könnte sagen: Soul Punk (Knarf Rellöm) is the new Garage-Soul. Diese Seele spürt man auch bei "Ode To A Black Man", einer ganz persönlichen Hymne. Die ersten Gitarren-Moves zu Beginn rütteln dich wach und rumpeln die Garage, im Original von Phil Lynott (Thin Lizzy) aus den 1980ern schon ein Mega-Rock-Gestein. "If you see Stevie Wonder tell him I hear. If you hear Stevie Wonder tell him I see. I don't want no songs for plants, I want songs for me."
"Ultraglide In Black" strotzt nur so vor Energie und macht definitiv süchtig. Mit voller Leidenschaft covern The Dirtboms Songs, die Liebe zu den Originalen kann man sofort nachvollziehen. Die Band gehört mindestens genauso wie Jack White ins Rampenlicht und verdient viel mehr Aufmerksamkeit.
Fazit: Diese Platte besitzen, vor The White Stripes einordnen und The Dirtbombs mindestens einmal live erleben. Danke!
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
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