laut.de-Kritik
Geht es auch ohne Jim Morrison?
Review von Giuliano BenassiSchön, skandalumwittert, geheimnisvoll und ständig im Rausch - wie kein Zweiter verkörpert Jim Morrison das Idealbild des Rockstars. Seine poetischen Texte und esoterischen Anwandlungen, vor allem aber sein Tod im Alter von 27 Jahren machten aus ihm eine Ikone. Seine Mitstreiter bei den Doors - Ray Manzarek (Orgel), Robbie Krieger (Gitarre) und John Densmore (Schlagzeug) - gerieten in den Hintergrund und kämpfen seitdem erfolglos gegen ihren Status als Fußnote in der Morrison-Saga.
Ökonomisch bestens abgesichert - bei der Gründung der Band vereinbarten die Vier, jegliche Einnahme zu teilen, - fristen sie seit dem Tod des Sängers ein musikalisch trostloses Dasein. Deshalb war ihre Ankündigung 2002, mit einem neuen Sänger auf Tour zu gehen, durchaus verständlich. Wer würde nicht gerne vor tosenden Mengen den einen oder anderen Auftritt absolvieren? Zwar verklagten Densmore und Morrisons Eltern die weiteren zwei Viertel der Originalband, Manzarek und Krieger setzten sich aber durch, verpflichteten Cult-Sänger Ian Astbury und gingen mit einem Studio-Schlagzeuger und – Neuheit! – einem Bassisten auf Tour.
Das mitgeschnittene Konzert fand am 26. Oktober 2003 in Houston, Texas statt. Als offizielle Begründung für die Tour gab Manzarek an, das letzte Album der Band mit Morrison, "L.A. Woman", endlich mal on the Road vorstellen zu wollen. Etwas fadenscheinig, zumal die Platte 1971 erschien und nicht gerade zu ihren besten zählt. Der wahre Grund zeigt sich schon bei den ersten Takten: Die Beteiligten wollen ihren Spaß haben und sich dabei feiern lassen.
Erstaunlich, wie sehr Astbury Morrison ähnelt. Nicht nur seine Frisur, auch seine Stimme kommt dem Original beeindruckend nahe. "It's really strange because I'm English", erzählt er mit einem Augenzwinkern in einem Interviewschnipsel zwischen den Stücken. Zwar ist er mit 41 Jahren um einiges älter als Morrison bei seinem Tod, den Unterschied sieht man ihm jedoch kaum an. Clever imitiert er ihn, ohne seine eigene Identität aufzugeben, wie ein Schauspieler, der eine Rolle interpretiert. Zwang sich Val Kilmer in Oliver Stones Verfilmung "Doors" noch in eine enge Lederhose, kleidet sich Astbury mit Jeans, Sonnenbrille und Hemd. Zwar rennt er stellenweise auf der Bühne rum, trance-ähnliche Zustände vermeidet er aber ebenso wie entblößte Körperteile. Wäre wahrscheinlich auch nicht allzu schön anzusehen.
Die Schnörkellosigkeit des Sängers ist Ausdruck des Gesamtkonzepts: Ray Manzarek bedient ein einzelnes Keyboard auf der Linken, Manzarek seine Gibson SG auf der Rechten, Schlagzeuger und Bassist halten sich als No Names dezent im Hintergrund, wo eine Riesenleinwand computeranimierte Grafiken und Filmschnipsel ausstrahlt. Große Kerzen und ein Perserteppich erzeugen eine kirchliche Atmosphäre.
Im Vordergrund stehen Morrison und seine Worte. Mit Klassikern wie "Roadhouse Blues", "Break On Through" und "When The Music's Over" versuchen die Musiker zu Beginn, dem Publikum einzuheizen. Zunächst wirkt es zurückhaltend; vor allem beim Material aus "L.A. Woman" (Tracks 7 bis 16) kommt kaum Stimmung auf, bis Regen vom Band "Riders On The Storm" einführt. Ein Ford Mustang aus den 60er Jahren, der durch eine Palmenallee braust, liefert einen schönen Rahmen für das abschließende "L.A. Woman".
Nach dem Ende des Pflichtprogramms herrscht plötzlich Entspannung. Bei der Leichtkost "Light My Fire" fangen nicht nur die Zuschauer an, zu tanzen; Manzarek und Krieger verlassen die Schiene der treuen Wiederholung der Studioversionen und liefern sich ein instrumentales Duell. Während sich der Keyboarder auf seinen Loorberen ausruht und eher fahrig spielt, hat der Gitarrist in den letzten dreißig Jahren einiges dazugelernt. Das Publikum ruft danach so laut, dass die Neu-Doors noch einmal für ein abschließendes "Soul Kitchen" ("Well, the clock says it's time to close now / I guess I'd better go now / I'd really like to stay here all night") auf die Bühne kommen. Nicht nur sie; bald stürmen auch die ersten Reihen über die Absperrung und lassen den Musikern kaum noch Platz zum atmen. Deren Souveränität zeigt sich auch darin, dass sie nicht in Panik geraten, sondern mitmachen und fröhlich weiterspielen. Ein schönes Ende der Party.
Wer Intensität und biografische Angaben sucht, sollte sich eher die Dokumentation "The Doors – Soundstage Performances" holen. "L.A. Woman Live" hat mit dem Original wenig zu tun. Gemeinsamkeiten sind allein wegen der Besetzung nicht abzuerkennen; die Doors Of The 21st Century sind aber keine Fortsetzung, sondern lediglich eine gute Aufführung. Oder auch: eine Coverband mit prominenter Besetzung.
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