laut.de-Kritik
Gut gelaunter Indie-Pop, ohne größeren Tiefgang.
Review von Johannes JimenoDer Begriff Brutalismus kommt aus der Architektur und bezeichnet den Baustil, bei dem roher Beton offen sichtbar gelassen wird. Im Umkehrschluss zeigt Brutalismus bei diesen Gebäuden genau das, was man normalerweise mit Fassaden zu kaschieren oder zu verstecken versucht. Jonathan Pierce nahm dies als Metapher für sein neues Album: Mit neu gewonnener Zufriedenheit und Mut zeigt er dem Hörer ungeschönt seine Emotionen und versteckt sie nicht mehr hinter verschüchterten Zeilen.
Dementsprechend gestalten sich die Lyrics durchaus explizit und drehen sich vornehmlich um seichte Liebschaften, gescheiterte Beziehungen, One-Night-Stands, Zärtlichkeiten und die Schwierigkeiten des Zwischenmenschlichen. Musikalisch legt er es in fröhlichen, tanzbaren Indie-Pop. Im direkten Vergleich zum Vorgänger "Abysmal Thoughts" mangelt es "Brutalism" an Tiefe, elaborierteren Arrangements und differenzierter Sensibilität.
Nach wie vor ist The Drums sein Solo-Projekt, Pierce holte sich diesmal aber zusätzliche Musiker sowie Chris Cody (Beach House, Future Islands) als Produzenten ins Studio. Zum ersten Mal ist auch ein richtiger Live-Drummer dabei, wodurch "Brutalism" an vielen Stellen frisch und direkt klingt.
Beim Einstieg "Pretty Cloud" hört man davon jedoch noch nichts. Ein ungewohnt elektronischer Beat treibt den Song nach vorne. Bei "Body Chemistry" zeigt Pierce dann seine Indie-Seite und kredenzt einen wunderbar verträumten Frühlingshit. In eine ähnliche Richtung schlägt auch "626 Bedford Avenue", gespickt mit vielen Synthiespielereien und einer funky Gitarre. Der Schlagzeuger macht sich dann in folgenden beiden Songs bezahlt. Im Titeltrack hält er den leichtfüßigen Vibe schön zusammen, Pierce singt über eine schwierige Liebe und erklärt das irritierende Cover: "When I'm alone at night and the TV is on / I grab your T-shirt and put it over my face / I put my hand on my chest so it feels like you’re here / And I'd fly 10.000 miles just to kiss you again".
Bei "Loner" variiert der Drummer den Rhythmus und sorgt für ein spannendes Klangbild ähnlich der frühen Bloc Party. Pierce zeigt sich von seiner verletzlichen Seite: "And I don't want to be alone / And I am scared of all the people in the world / And I have never had a home / I am too afraid so I keep moving through the world". Ein Chor im letzten Refrain verstärkt gekonnt die hier offen gelegte Emotionalität. Die bezaubernde Ballade "Nervous" fährt Akustikgitarre, Tamburin und Meeresrauschen auf. "I Wonna Go Back", das zweite ruhige Stück, zieht sich dann wie ein zäher Kaugummi voller Kitsch. Der einzige Totalausfall auf "Brutalism".
Ansonsten zieht einen das zweite Solo-Album unter dem The Drums-Banner aus dem Haus, verweist auf die wärmende Sonne und erfreut sich am Frühling. Pierce liefert gut gelaunten, fein produzierten Indie-Pop, der im Schlussakt "Blip Of Joy" perfekt aufgeht.
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