laut.de-Kritik
Die Arctic Monkeys aus dem lässigen Kalifornien.
Review von Johannes JimenoDie Menschheit versucht stets, Genre-übergreifenden Stilrichtungen einen Namen zu geben. Die Mischung aus Country, Surf, Pop, Rock und Beat nennt man "Beach Goth" - was für ein schrecklicher Neologismus. Wie muss man sich das denn bitte vorstellen? Ein dunkelhaariger Beachboy, der am Strand mit schwarzer Badehose und wasserfestem Kajal sein schwarzes Surfbrett spazieren trägt? In der Schublade des Beach Goth sitzen auch The Growlers, doch zum Glück klingen sie ganz anders, als die Bezeichnung es vermuten lässt.
Das Trio aus Dana Point, Kalifornien klingt eher wie die West Coast-Variante der Arctic Monkeys mit einem Spritzer LA-Lässigkeit. Durch The Strokes-Frontmann Julian Casablancas auf dem Produzentenstuhl ertönen sie darüber hinaus so eingängig und glatt wie nie zuvor, immerhin haben sie ja schon vier Alben auf dem Buckel. Die Formel auf Platte Nummer fünf: verspielte Riffs, haufenweise Gitarrensoli, verzerrter Gesang, dezente Synthies und der ein oder andere hymnische Refrain.
Die ersten vier Songs verführen mit massentauglichen Melodien und poppigen Arrangements. Der Titeltrack klingt bereits stark nach den arktischen Affen, Sänger Brooks Nielsen besingt die große Liebe, die er niemals verändern würde: "I'll Be Around" beinhaltet hallende Riffs, einen fetten Bass und eine wunderbar lässige Attitüde. Im Chorus wechseln sich Backround-Vocals und Nielsen ab und kreieren eine freshe Coolness. Gedämpfte Synthies ergänzen den Pop-Appeal.
"Vacant Lot" spielt mit dem Stile eines Film Noir dank dunkler Keyboardsounds, doppelspurigem Gesang und pessimistischen Lyrics: "Gotta crawl out of the vacant lot / But the helping hands have all been burned / Cried wolf, a thousand times / Used up every line / Lady Luck won't turn again." Das schwungvoll und doch zurückgelehnte "Night Ride" überzeugt mit weichem Arrangement und warmen Schlagzeugspiel. Insbesondere die sanft touchierten Hi-Hats betten sich hervorragend ein.
Den Hit der Platte markiert "Dope On A Rope", das lebhaft den Morgen nach einer durchzechten Rockstar-Nacht erzählt: "Dope in the wash, strangers in bed / Dead-end nights, they make a heart beat half dead / In the mirror, striking a pose / Conjured up glamour in a school play rock show." Die mäandernden Gitarren à la Bloc Party und der unwiderstehliche Groove laden zum Tanzen ein.
Casablancas lässt sich die Gelegenheit nicht nehmen und gastiert auf "Too Many Times". Mit Pop-Refrain, schöner Melodie und vergnügtem Pianogeklimper kommt dabei ein vergnüglicher Song heraus. Nur bei den tristen und negativ gestimmten Lyrics scheint Azad kurz im Studio vorbeigeschaut zu haben, kommt das Wort 'Gray' übermäßig häufig vor.
Nielsen und seine Kollegen verlieren sich dennoch ab und an in ihrer verschrobenen Schludrigkeit und das wirkt sich leider negativ aus: "World Unglued" rockt etwas unmotiviert vor sich her und der nölende Grundtenor nervt ziemlich. Genauso anstrengend gerät die Ballade "Blood Of A Mutt", die zwar mit unverzerrter Stimme glänzt, trotzdem viel zu zäh und schwerfällig aus den Boxen kriecht.
Überzogene Cheesyness hört man in "When You Were Made", das das Leben eines Scheidungskindes beleuchtet: "The good is not so hard to forget / Though it seems far away / Don't worry babe, don't get too down on yourself / They were in love when you were made / A life of love is a long time / When you know that it's only one time." Das abschließende Stück "Speed Living" experimentiert mit einem Bariton-Saxophon-Loop und cooler Bassline, auch der fast nebensächlich anschleichende Chorus überrascht positiv. Das versöhnliche Timbre entlässt den Hörer zwar angenehm, trotzdem bleibt es in seiner Gesamtheit leider viel zu flach. Da wäre mehr drin gewesen.
The Growlers liefern mit "City Club" einen soliden Longplayer ab, der viele gelungene Momente bietet und genügend tanzbare Grooves bereithält. Casablancas entpuppt sich dahingehend einerseits als Segen, da die Jungs ihren Sound Richtung Massenkompatibilität erweitern und beinahe jeden Song mit einer gehörigen Portion Unbekümmertheit unterfüttern. Andererseits aber auch als Fluch, leidet das Album doch an den Stellen, wenn es unmotiviert und ohne Stringenz dahin plätschert. Die Vergleiche mit den Arctic Monkeys müssen sie weiterhin aushalten und kommen immer noch nicht an die Raffinesse der Briten heran. Vielleicht müssen sie das auch gar nicht, denn im sonnigen Kalifornien schreibt man 'Laissez Faire' ja eh groß.
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