laut.de-Kritik

Von Träumen und Ängsten: Classic-Rock mit Power und Pointen.

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Was wünscht sich eine Rockband zum zwanzigjährigen Jubiläum? Offenbar einen zweiten Bandnamen. Mit der Überschrift ihres neunten Albums "The Price Of Progress" titulieren die Brooklyner Indie-Bar-Rocker The Hold Steady nicht nur die Fortsetzung ihrer bittersüßen Lebensgeschichten. Gleichzeitig heißt so die Altrocker-Gruppe der ersten Single-Auskoppelung "Sideways Skull": "I've got a band too / We're called The Price of Progress / We've got a reputation as New Hampshire's hardest".

Entlang der ironischen Bandspiegelung erweitert das Classic Rock-Ensemble seinen Signature Sound durch neue Impulse und setzt so die Vorzeichen für das ganze Album. Während Frontmann Craig Finn seinen unverkennbaren Sprechgesang über etablierte Harmonien ausspielt, erklingen frische Backing Vocals, und mittendrin liefert der Song eine großartige Entschleunigung mit stillem Piano und Knopfler-Echo.

Zwei Jahre nach dem eindrucksvollen Vorgänger "Open Door Policy" klingen The Hold Steady noch leichter und variabler. Bei allem Fokus auf Finns Erzählungen gelingen starke Momente, wenn der Gesamtsound des Sextetts in seinen Nuancen mehr Platz erhält. "Distortion Of Faith" lässt die Instrumente atmen bis der Heartland-Horizont Bob Seger erreicht. "The Birdwatchers" schmückt seine epische Kulisse durch feierliche Bläser und ein euphorisches E-Gitarren-Journey vom Intermezzo bis zur Gesangsbegleitung.

Zwischen Pointen und jeder Menge Power entstehen so aufregende R'n'R-Stories. Mit melodischem Pathos inszeniert "Grand Junction" einen filmischen Road Trip durch die Canyons am Colorado River, während ganz nebenbei, wie fast immer bei The Hold Steady, die Conditio humana zum Thema wird ("It hurts being human / But our instincts will keep us alive / We do what we do to survive").

Existenziell gerät auch das Nachbarschaftstreffen in "Sixers". Im fließenden Wechselspiel zwischen den Stil-Polen Wucht und Kontemplation sowie den Themenkomplexen Entfremdung und Gesundheit entfaltet sich eine moderne Fast-Liebesgeschichte, die für einen der Beteiligten zu einem brüchigen Happy End führt ("He's standing with some baby / That he's calling his fiancée / Her name is either Kelly or Katie”).

Modernes Rock-Drama präsentiert auch "Carlos Is Crying". Mit wippendem, wachsenden Big Band-Sound erstrahlt die Geschichte von einem ehemaligen Skater, der beim Kneipenabend anfängt zu weinen, weil er nicht weiß, wie er seiner Frau beichten soll, dass er schon vor Wochen den Job verloren hat ("Man, we used to glide / We used to hang like the smoke (...) We didn't mind being broke / Now every conversation I have is about money").

The Hold Steady erspüren die Symptome einer Gesellschaft zwischen Träumen und Ängsten. Was sonst kann sich eine Rockband zum Zwanzigsten wünschen?

Trackliste

  1. 1. Grand Junction
  2. 2. Sideways Skull
  3. 3. Carlos Is Crying
  4. 4. Understudies
  5. 5. Sixers
  6. 6. The Birdwatchers
  7. 7. City At Eleven
  8. 8. Perdido
  9. 9. Distortions Of Faith
  10. 10. Flyover Halftime

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