laut.de-Kritik
Eigenständiger Pub-Punk aus Chicago.
Review von Mathias MöllerThe Lawrence Arms? Klingt wie ein englisches Pub irgendwo auf dem Land, wo desillusionierte Alte und perspektivlose Jugendliche nachmittags um fünf sitzen und sich in generationsübergreifender Harmonie einen hinter die Binde kippen. Die ersten Takte vom Opener "The Devil's Takin' Names" bestätigen diesen Eindruck. Pub-Punk wäre die richtige Bezeichnung für das, was da aus den Boxen kommt. Irgendwie untypisch amerikanisch klingen The Lawrence Arms. Weder nach Westküsten-Skatepunk noch nach traditionsbelastetem DC-Hardcore.
Kein Wunder, die drei Protagonisten kommen aus dem Norden von den großen Seen, aus Chicago. Leicht ungemütlich, wie die Windy City selbst, bohren sich ihre Songs in den Kopf des Hörers. Mit Widerhaken, die eine längere Verweildauer im Gehörgang garantieren. Die aufgekratzte Stimme von Sänger Brendan Kelly tut ihr Übriges. Die ersten drei Stücke versprühen einen spröden, aber liebenswerten Charme. Vor allem weil es trotz allem Kratzen in den Ohren nicht zu verkennen ist, dass hier einige gefällige Melodien zu Gehör gebracht werden.
Besonders Up-Tempo-Nummern wie "Beyond The Embarrassing Style" machen irgendwie Spaß, ohne dass man das Gefühl hat, hier sind Clowns (oder Fun-Punks) am Werk. Und auch wenn sich wie bei "Are You There Margaret? It's Me, God." Kelly und Co-Sänger Chris McCaughan mit dem Singen abwechseln, entsteht so etwas wie künstlerische Eigenständigkeit. "Jumping The Shark" überrascht mit einer quasi akustischen ersten Songhälfte. Beim nicht ganz so Hidden Track kommen The Lawrence Arms uns sogar mit Country & Bluegrass-Einflüssen.
In einigen wenigen Momenten punkrocken die drei allerdings doch recht gradlinig, "Lose Your Illusion 1" und "Requiem Revisited" gehören sicher zu den eingängigsten Nummern auf "Oh! Calcutta!". Dass Kelly, McCaughan und Hennessy schon eine Weile im Geschäft sind, hört man ihnen durchaus an. Die Platte klingt souverän runtergespielt, dennoch resultiert das nicht in Langweile beim Hören, wenn auch die Lawrence Arms dem Hörer nichts durchschlagend Neues bieten.
"Oh! Calcutta!", das Album mit dem etwas rätselhaft-schrägen Titel - hat da jemand Sehnsucht nach der indischen Stadt? - ist ein grundsolides sechstes Album von The Lawrence Arms. Sie erfinden weder Punk noch Rock neu, aber wer erwartet das schon ernsthaft?
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