laut.de-Biographie
The Pogues
"Ein Mann mit vielen Worten und wenig Zähnen", beschreibt eine Fanseite liebevoll Shane MacGowan. Obwohl der Ire nicht immer der Sänger der Pogues war, bleibt er mit seiner sympathischen und stets alkoholgetränkten Ausstrahlung das Aushängeschild der Band.
MacGowans musikalische Karriere beginnt in London Ende der 70er Jahre als Shane O'Hooligan, Sänger der Punkband Erecting Nipples. Fotos zeigen ihn noch bezahnt in Pubs und bei Konzerten - bis zur Ohnmacht besoffen und manchmal auf dem Boden liegend. Eine Position, die er in den folgenden Jahrzehnten noch öfter einnehmen soll.
Die Tätigkeit ist zwar nicht von Erfolg gekrönt, dennoch schafft es die Combo, eine Single von Paul Weller produzieren zu lassen, bevor sie sich auflöst. 1982 kommen einige Mitglieder wieder zusammen, diesmal mit dem Vorhaben, es ernsthaft zu versuchen. Da der Bandname fürs Radio zu anrüchig klingt, taufen sie sich in Pogue Mahone um.
Neben MacGowan als Sänger und Gitarrist gehören Jeremy Finer am Banjo, Spider Stacey an der Flöte und James Fearnley am Akkordeon zum harten Kern der immer wieder wechselnden Besetzung. Mit einer Mischung aus irischem Folklore und punkig-trotziger Einstellung spielen sie einige Zeit in Pubs und Bars, zeitweise als Vorband für The Clash, bevor sie 1984 mit "Red Roses For Me" ihr erstes Album veröffentlichen.
Die Texte stammen meist aus der Feder MacGowans. Sie handeln von Alkohol und Besäufnissen, aber auch vom harten Los irischer Auswanderer und von ihrer Sehnsucht nach einer Heimat, die nicht mehr existiert. Oft zu betrunken, um aufzutreten, trifft er mit seiner rauhen Stimme kaum eine Note, zeigt mit seinen Texten und seiner Art zu singen aber ein ungeahntes Einfühlvermögen.
Den großen Sprung schaffen die Pogues ein Jahr später. Mit dem 1984 zur Band gestoßenen Gitarristen Phil Chevron (der den Evergreen "Thousands Are Sailing" schreibt) und der Produktionsarbeit Elvis Costellos enthält "Rum, Sodomy And The Lash" mit der Coverversion "Dirty Old Town" und dem traditional "The Irish Rover" zwei ihrer bekanntesten Lieder. Da es sich rumgesprochen hat, dass Pogue Mahone auf irisch "Küsse meinen Arsch" bedeutet, zwingt sie das Label, sich fortan Pogues (also "Küsse") zu nennen.
Im Gegenzug gelingt der Band der Durchbruch in den USA, "If I Should Fall From Grace With God" (1987) wird ihr erfolgreichstes Album. Neben dem Titeltrack schafft es auch das ergreifende Weihnachtslied "Fairytale Of New York" im Duett mit Kirsty MacColl in die britischen Top Ten. Mit einem Lied setzen sie sich für einen in England inhaftierten irische Landesgenossen ein, was MacGowan jedoch nicht daran hindert, in der Satire "Eat The Rich" (Hauptdarsteller: Lemmy von Motörhead) einen IRA-Terroristen zu spielen.
Noch erfolgreicher ist ihre Tourtätigkeit. In den USA treten sie als Vorband von U2 auf, im heimischen Irland feiern sie mit den Dubliners deren 25. Jubiläum, MacGowan nimmt eine Single mit seinem Jugendidol Joe Strummer von The Clash auf und begleitet ihn auf einige Konzerte.
Schon der Titel des Nachfolgers "Peace And Love" (1989) bezeugt jedoch das Ende des großen Traums. Weitaus weniger gelungen als "If I Should Fall ..." muss sich MacGowan mit Kritiken aus den Medien und zunehmender Unruhe im eigenen Lager auseinander setzen. "Ich mag es, total daneben zu sein. Wenn ich schreibe, bin ich high. Wenn ich auf der Bühne bin, bin ich high. High zu sein ist mein einziges Interesse. Ich war seit vierzehn nicht mehr nüchtern", erzählt er unbeeindruckt in einem Interview.
Nach dem enttäuschenden, von Strummer produzierten "Hell's Ditch" (1990) und einem Ausfall ihres Sängers bei einer Tour in Japan, beschließt die Band 1991, ihn vor die Tür zu setzen. Zwar bringt sie anschließend noch zwei Alben heraus und geht weiterhin auf Tour, der Zauber ist aber gebrochen und das Interesse des Publikums deutlich geringer. 1996 lösen sich die Pogues vorübergehend auf.
Erfolgreicher setzt MacGowan seine Karriere fort. So stellt er 1994 eine Begleitband namens The Popes zusammen, mit der er zwei Alben aufnimmt und auf Tour geht.
Außerdem arbeitet er mit den Dubliners, Christy Moore, Van Morrison und The Jesus And Mary Chain zusammen. Nach einer gemeinsamen Musiksession schickt Sinéad O'Connor allerdings die Polizei bei ihm vorbei, "um ihren Freund vor dem Tod zu bewahren". Dass es in der Tat nicht gut um ihn steht, beweisen die Videoaufnahmen zu einem Duett mit Nick Cave 1992. Während sie vor einem roten Vorhang Louis Armstrongs "What A Wonderful World" zum Besten geben, gelingt es MacGowan kaum, die Augen offen zu halten und auf seinem Stuhl sitzen zu bleiben.
2001 kommen die Gründungsmitglieder für eine kurze Weihnachtstour schließlich wieder zusammen. Im Dezember 2005 strahlt die BBC einen Auftritt aus, der wenige Tage davor entstanden war. Die wieder veröffentlichte Single "A Fairytale Of New York" erreicht Position fünf der UK-Charts, bei der Sendung nimmt Katie Melua die Rolle der verstorbenen Kristy MacColl ein.
Vom Erfolg gestärkt begeben sich die Pogues 2006 nach Japan und die USA, auch in den folgenden Jahren wagen sie sich immer wieder aufs internationale Parkett. 2012 feiern sie ihr 30-jähriges Bestehen mit einer Tour durch acht europäische Städte. Welche Begeisterung sie immer noch erzeugen, beweist der Livemitschnitt "In Paris" auf CD und DVD (2012), die übrigens auch Gitarrist Philip Chevron zum letzten Mal in Aktion zeigen - Chevron stirbt im Oktober 2013 an Krebs.
Auch wenn MacGowans Lebensweise nicht mehr ganz so extrem ist wie in den 80er und 90er Jahren - ein Unschuldslamm ist er nach wie vor nicht. "Shane kam zu den Proben mit 'berufsbedingter Verspätung', wie er es zu nennen pflegt. Ich glaube, dass ihn jemand aus den Bett kicken musste. Um vier Uhr nachmittags torkelte er hinein, mit einem Hut, der aussah, als hätte jemand ein Feuerwerk darin entzündet", berichtet Akkordeonist Fearnley 2006 auf der Webseite der Band.
Am 30. November 2023 stirbt Shane MacGowan langer schwerer Krankheit im Alter von 65 Jahren.
Noch keine Kommentare