laut.de-Kritik

Akustische Instrumente, fröhliche Stimmung und Bäche von Alkohol.

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Dass Shane MacGowan nach 30-jährigem intensiv gelebten Rock'n'Roll noch unter uns weilt, ist nicht nur erstaunlich - es ist ein medizinisches Wunder. Dazu eines mit einem Happy End, denn im Herbst 2006 machte sich der Sänger, versöhnt mit seiner Band auf den Weg nach Japan und die USA. Eine gute Gelegenheit, diese Sammlung an Videos auf DVD heraus zu bringen.

Das Material stammt aus der Zeit zwischen 1984 und 1990, als die irische Combo mit Sitz in London mit einer Mischung aus punkiger Attitüde und folkigen Klängen die hohen Etagen der Charts erreichte. "Streams Of Whiskey", aus ihrem ersten Album "Red Roses For Me", weist dabei den Weg: Akustische Instrumente, fröhliche Stimmung und Bäche an Alkohol. Eine Kombination, die MacGowan auch 20 Jahre später noch vorlebt.

Sein zunehmender körperlicher Verfall ist im Laufe des Jahrzehnts gut zu erkennen. Jung, bezahnt und scheinbar naiv in "Dirty Old Town" (1985), ungepflegt, offenbar betrunken und mit einem Friedhof im Maul in "Jack's Heroes" (1989) mit den Dubliners. Dazwischen liegt der größte Erfolg der Pogues, "A Fairy Tale Of New York" (1988) und ihr bestes Video. In schwarzweiß gedreht, verbildlichen MacGowan und Duettpartnerin Kirsty MacColl die traurige Geschichte eines gescheiterten irischen Einwandererpaares. Der Schauspieler Matt Dillon spielt einen Polizisten, der den Sänger abführt.

MacGowans Texte handeln nicht nur von Alkohol und der verlorenen Heimat, sondern auch von fernen Ländern wie Brasilien ("Fiesta") oder Thailand ("Summer in Siam"), 1990 das letzte gute Stück der Band, wenn man von einer neuen Version von "A Rainy Night In Soho" (eigentlich 1985) absieht. MacGowans Alkohol- und Drogenkonsum hatte so Überhand genommen, dass ihn die Band 1991 rauswarf und dieser bis zu seiner Rückkehr zehn Jahre später in der Versenkung verschwand.

Eine neue Studioplatte der Pogues sei trotz gelegentlicher Auftritte nicht zu erwarten, kündigte Gitarrist Phil Chevron 2006 an. Da schmerzt es umso mehr, dass die DVD nach 45 Minuten schon zu Ende ist. Das lieblose Menü vermittelt den Eindruck, als hätte jemand die 1998 erschienene Videokassette auf den Rechner gespielt und mittels iMovie mal schnell ein Inhaltsverzeichnis gebastelt. Wenigstens ein Interview oder ein Karriererückblick hätte es zusätzlich schon sein können. Dennoch bietet "Poguevision" eine gute Gelegenheit, die guten alten Zeiten Revue passieren zu lassen – oder die Band neu zu entdecken.

Trackliste

  1. 1. Streams Of Whiskey
  2. 2. Miss Otis Regrets/Just One Of Those Things
  3. 3. Jack's Heroes
  4. 4. Summer In Siam
  5. 5. White City
  6. 6. A Pair Of Brown Eyes
  7. 7. Dirty Old Town
  8. 8. Fairytale Of New York
  9. 9. Fiesta
  10. 10. If I Should Fall From Grace With God
  11. 11. Yeah, Yeah, Yeah, Yeah, Yeah
  12. 12. Misty Morning, Albert Bridge
  13. 13. A Rainy Night In Soho

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