laut.de-Kritik
Hafenrundreise als embedded listener.
Review von Matthias MantheSeit Anders Trentemøller halten nicht wenige Elektro-Connaisseurs 'Gusto' für ein dänisches Wort. So nachhaltig hat der Kopenhagener Hauptsächlich-Produzent und Gelegenheits-DJ mit "The Last Resort" das Feld zwischen ambientem Kopfhörer-Reisen und kristalliner Club-Düsternis geprägt und als Außenbeauftragter des Genres Techno so viel Distinktion in Indie-Hörerkreisen gewonnen, dass sein Name längst szeneübergreifend für Geschmack und Finesse steht.
Um so erstaunlicher scheint vorliegendes Album: Es ist tatsächlich Anders Trentemøllers Mix-CD-Premiere. Und natürlich – in der Hinsicht bleibt er wohltuend berechenbar – operiert "01: Copenhagen By Trentemøller" Lichtjahre entfernt von stumpfem Basshaudrauf.
Denn mit der ersten Zusammenstellung aus der Reihe "Harbour Boat Trips" legt der Däne seine Inspirationen vorrangig aus New Wave und Gitarrenrock in die Auslage, die allesamt auf den Säulen Räumlichkeit und Transzendenz ruhen. Insbesondere das erste Albumviertel gleicht dabei einer wohlfeilen Demonstration in Eleganz.
Hier reihen sich gesangsuntermalte Ambient-Drones und sacht perlende Akustikgitarren-Akkorde zu einer unzerstörbaren Dreampop-Einheit. Die Faszination dieser Songs gründet auf der Fernwärme, die sie ausstrahlen: Einerseits wandert die ätherische Stimme von Liz Harris alias Grouper oder der Chor in "Somersault" auf dem Weg zur Wahrnehmung durch riesige Räume, bis eine nicht konkret verortbare Gesangsfläche entsteht.
Andererseits ist es gerade diese verhallte Indirektheit, der subtile, conscious-coole Approach, der es erst ermöglicht, sich bedingungslos einhüllen zu lassen. Die Musik drängt sich nicht auf, sie nähert sich als authentizistisches Knistern und Wellenrauschen und macht den Hörer zum Resonanzkörper. Zum embedded listener sozusagen.
Weil für den Folk von Gravenhurst wie für Suicide-Postpunk oder Raveonettes-Shoegazing ex aequo die Prämisse der Traumhaftigkeit greift, schafft "Harbour Boat Trips" die 77 Minuten beinahe ohne Bruchstellen. Es sind übrigens letztgenannte Raveonettes, die mit "Aly, Walk With Me" die vom Rhythmus dominierte Phase einleiten, und sie sind es auch, die nach den psychedelischen Exkursen "Devil's Water" und "Melody Day (Four Tet Remix)" den Formalismus der Tanzbarkeit reaktivieren.
Nur selten misslingt in Trentemøllers Mix etwas. Der erste Suicide-Beitrag "Cheree" wirkt zwischen zwei eindeutigen Elektroschüben leicht deplatziert. Dasselbe gilt für den Übergang vom mondänen Chanson "Fantômes" zum Live-Edit "Vamp". Dies sowie der überraschend unoriginelle Abschluss mit dem Gassenhauer "Tainted Love" sind jedoch nur kleine Misstöne einer sonst sublimen Hafenrundreise, die mit feinem Sand zwischen den Zehen wieder an Land setzt.
3 Kommentare
Klingt vielversprechend, ist die erste CD die ich mir bestellt habe ohne voher reingehört zu haben, da die CD in der Schweiz nicht mehr vertriebt wird.
Sie wird immernoch vertrieben über CEDE.ch
Eine der sensibelsten und nachhaltigsten -was das Hörerlebnis betrifft- Compilations, die mir bekannt ist. Anders Trentemoller begann bereits zu dieser Zeit sich von der rein elektronischen Klangestaltung abzuwenden. Er vermischte diese fortan mit minimalistischen, teils sehr bedrückenden Acid Rock und Folk Rock Elementen. Diesem Konzept blieb er seitdem weitestgehend treu. Eine wundervolle, wenn auch fordernde Platte!