laut.de-Kritik
Erfrischend unstreng sind die für Elektronika angenehm kurzen Tracks.
Review von Philipp SchiedelFür gute Musik braucht man keinen möchtegern-hippen Underground in Metropolen. So etwas existiert im bayrischen Städtchen Landsberg zu hundert Prozent nicht, und vielleicht ist diese Platte genau aus diesem Grund so gut. Mit seinen neunzehn Jahren wurde Christian Sörgel in der ländlichen Schule für seine Musik wohl eher müde belächelt, als dass ihm die weiblichen Groupies scharenweise hinterher liefen.
Zwischen Hausaufgaben und Pausenbrotschmieren entstand Videonoise. Elektro aus der sympathischen Provinz für die hochnäsigen Techno-Studenten aus der Stadt. Zwei Jahre nach Sörgels ersten Gehversuchen mit einem Casio-Kinderkeyboard veröffentlicht er nun seine erste Platte auf dem Weilheimer (inzwischen Münchner) Hausmusik-Label. Die Provinz hält zusammen.
Und diese Rechnung geht auf. Sörgels Musik schwebt seicht dahin, zieht immer geradeaus, ohne auf ein greifbares Ziel zu steuern. Wo die Musik hin möchte scheint purer Zufall zu sein. Erfrischend unstreng sind die für Elektronika angenehm kurzen Tracks (der Durschnitt liegt bei drei Minuten), und sehr durchstrukturiert. Videonoise macht keine Anstalten sich erst nach zwanzig Hördurchläufen wirklich zu offenbaren. Reinlegen und Zurücklehnen heißt die Devise. Die Ruhe selbst scheint zu überwiegen und zeigt sich laid-back und nachdenklich zu gleich.
Doch getäuscht. Gegen Ende wird noch mal eifrig auf das Gaspedal gedrückt, hier und da tauchen abgehackte Breakbeathappen auf und schrauben das Tempo nach oben. Zum Glück immer noch weit vom tanzbaren Rhythmus entfernt und definitiv zum Einschlafen geeignet.
Videonoise ist keine Neuerfindung, keine Anstrengung, sondern einfach leicht verdaulich und schlicht gut. Einzig die Übergänge zwischen den Songs wollen nicht so recht gefallen. Song aus, Song an. Ein langsames und weiches Überfließen ist nicht drin. Öfter wird man durch das plötzliche Ende aus dem Trance-Zustand aufgeweckt. Etwas mehr Mixen wäre einem einheitlichen Hören zu Gute gekommen.
"Ich mag Musik, die nichts von mir will", sagt der Console-Gretschmann und definiert Videonoise damit punktgenau. Mir geht es genauso.
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