laut.de-Kritik
Zu viel Neon im Noir.
Review von Franz MauererHis Infernal Majesty sind tot, es lebe die Majestät! Ville Valo ist mit "Neon Noir" zurück, wobei HIM so lange ja noch gar nicht weg waren. Nur veröffentlicht hatten sie seit dem guten "Tears On Tape" nichts mehr, insofern handelt es sich hier um Valos erstes Material seit knapp zehn Jahren. Linde, Migé und Burton verschwanden mehr oder weniger in der Versenkung der finnischen Musikszene, die Figur Ville Valo hat aber natürlich noch einiges an globaler Zugkraft und konkurriert mit Bam Margera um den Premium-Nostalgie-Platz im Herzen vieler Millennials.
Dass Valo keine Angst davor hat, dem Volk zu geben, was es will, beweist nicht nur seine Entscheidung, live auch HIM-Hits zu spielen. Schon der Opener "Echolocate Your Love" hört sich ebenfalls nach HIM an. Und zwar nicht nach Coverband mit eigenem Twist, sondern so richtig nach HIM, wenn auch nur nach einem flotten Standardstück der Truppe. Schon beim zweiten Song "Run Away From The Sun" wird es schmusig, leider eine ganz blutleere, allzu sehr gefallen wollende Nummer.
Valo hört sich immer noch cool an, wie ein weniger verbitterter Neffe von Mark Lanegan, sein Trademark-Schulenglisch hat er auf 90er-Niveau belassen. Der Titeltrack wuchert gekonnt, auf eine positive Art routiniert, mit diesem Pfund. Schon bei HIM lenkte jetzt nicht so viel vom Frontmann ab, auf "Neon Noir" steht aber endgültig nur einer im Schaufenster, kein Gegniedel steht länger als fünf Sekunden im Weg.
Die erste Single "Loveletting" erinnert an Bret Michaels' Rock Of Love, als der Schmusemuskelmann mit Akustikgitarre ganz besonders viel Pathos in die Stimme legte, um seine auserwählten Damen zu bezirzen. Genauso gekünstelt, nur mit mehr Hall, hört sich hier auch Finnlands seit Nokias Einbruch wertvollster Export an, ein ganz fürchterliches Lied. Die Feuerzeuge gehen so noch in der Jackentasche an, da kann auch Viles Organ und sein Trademark-Hochziehen der Stimme in den Schädel nichts mehr retten.
Das macht er übrigens gar nicht so oft auf diesem Album, und auch wenn Valo deutlich zu erkennen ist, nimmt ihm die aalglatte, viel zu breiige Produktion die Ecken und Kanten seiner Stimme. Ja, der Finne trinkt nicht mehr, aber hier hört er sich jünger an als auf "Deep Shadows And Brilliant Highlights". Irgendwann hätten mqan bei der Produktion den Regler dann auch mal in Ruhe lassen können.
Generell fehlt es "Neon Noir" an Mut und dem Hörer an Vorstellungskraft, dass Valo so was selbst gerne hört. Gut, es ist das erste Soloalbum, aber muss man es dermaßen safe spielen? Eine vertane Gelegenheit. Man kann sich vorstellen, wie zum Ende von "The Foreverlost" pseudohart im schönsten AOR in den Benz-Arenen dieser Welt abgerockt wird, wobei der Song immer noch besser ist als das völlig in den Schlager abdrehende "Baby Lacrimarium", das fast schon kindlich gerät. Dabei gäbe Valo so einen feinen Numan ab, losgelöst von den Fesseln der HIM-Erwartungshaltung.
Auch HIM lösten die Handbremse nie ganz, dieses Edging gehörte zum Bandkonzept, aber "Salute The Sanguine" und "Saturnine Saturnalia" sind akustische Tempo-30-Zonen, die nicht zuletzt wegen ihrer bedeutungsschwangeren Titel und Pose eher Fremdscham hinterlassen. Ohne Valos Stimme wäre "Neon Noir" eine Vollkatastrophe, mit ihm ist es die hoffentlich bald vergessene Geburtswehe einer glorreichen Solo-Goth-Karriere.
4 Kommentare mit einer Antwort
Ich bleibe bei "Greatest Lovesongs Vol. 666" und "Venus Doom", denn die Härte stand der Majestät wesentlich besser. Süßlich war's eigentlich immer, aber das hier klebt schon.
Stimme zu, dass einige Songs sehr seicht geworden sind. ("Run Away from The Sun" allen voran.) Aber "kein Gegniedel steht länger als fünf Sekunden im Weg"? Ähm, es gibt einige längere Instrumental-Passagen + einen rein instrumentalen Track... Und für reines Safe-Spielen gibts dann doch reichlich Abwechslung. Die beiden hervorstechendsten Songs "Heartful Of Ghosts" und "Vertigo Eyes" werden in der Review leider nichtmal erwähnt
Besser als das vom Autor für gut befundene "Tears On Tape" ist das allemal
Produziert wurde die Platte übrigens von VV selbst und Tim Palmer, der auch den Mix gemacht hat. Master kam von Justin Shturtz. Kris Bowers und Max Wrightson hatten damit nix zu tun...
Stimme der Rezi grundsätzlich zu, allerdings finde ich es einigermaßen absurd, die Produktion als "breiig" zu bezeichnen. Der Eindruck lag dann wohl eher am Abspielgerät des Rezensenten, nicht an der Produktion.
VV kommt - im Gegenteil - mal wieder viel zu glatt und zu sauber daher. Gut waren HIM jeweils dann, wenn es wirklich mal etwas ruppiger wurde, wie auf Venus Doom.
Mit Neon Noir pflegt Ville den Love Metal ansonsten wieder zu exzessiv. Ich stimme zu, dass alles zu sehr ins Süßliche abgleitet, teilweise auch ins Belanglose: hier noch eine zarte Melodie, da noch ein weinerliches Hauchen. Etwas mehr Risiko, vielleicht auch Aggressivität, wären gut gewesen. So bleibt alles schön brav und, sozusagen, radiotauglich, wobei sich die Sparten-Sender in ihren Morning-Shows trotzdem nicht für die Platte interessieren werden. - Auch schon wieder schade, aber im Ava-Max-Zeitalter kaum noch zu ändern.
Die Platte ist zur seichten Untermalung beim Staubwischen schon okay, wahrscheinlich stört sie auch nicht, wenn man was liest. Aufhorchen lässt sie nicht.
"Yo Des, sag mal Hallo - "Hallo"
Deutsche Rapper sind schwuler als Ville Valo
Ich kille alle, weil sie sind's nicht wert zu leben
Es sei denn sie wollen sich eine HUS CD brennen
Geh, wenn dir mein Rap zu plump ist
Der Grund, dass du noch rappst ist, dass mein Messer zu stumpf ist"
Keine Ahnung von welchem homophoben Pausenclown dieses Zitat kommt, aber ich weiß wer Ville Valo ist.