laut.de-Kritik
Blutige Thrash-Orgie: die Machine Head von morgen.
Review von Manuel BergerDie Schale wirkt wie ein Zwitter aus Volbeat und Adrenaline Mob. Im Inneren lauert jedoch ein Monster, ausgestattet mit den Reißzähnen Gojiras, der Brutalität Slipknots, der rohen Stärke Panteras. Wasted Shells vereinen auf "The Collector" die Riffgewalt früher Metallica mit modernen Thrashbrechern der Marke Machine Head und drücken dem Ergebnis ihren eigenen, unverkennbaren Stempel auf.
"Wake the fuck up!" Diese Zeile hätten sich die Schweden eigentlich sparen können. Denn nach dem Opening Riff von "Machine" schläft sicher niemand mehr ein. Die Rübe rotiert ganz von allein, Arme und Beine trainieren schon einmal für den Pit. Unnötiges Vorgeplänkel braucht sowieso keiner. Wasted Shells bringen ihr Anliegen gleich auf den Punkt: thrashen, bangen, auf die Fresse geben.
Spätestens bei "Stand Alone" hat das jeder kapiert. Die Saitenfraktion peitscht gnadenlos durch den Song, das Schlagzeug brettert unnachgiebig voran und die Vocals schreien blutrünstig nach Vergeltung. Fronter Ola Svensson fehlt es zwar beim Klargesang stellenweise an Druck, das macht er allerdings mit seinen Shouts locker wieder wett.
Ruhiger geht der Fünfer es zunächst in "The Atheist" an. Die Instrumente nehmen das Tempo heraus und erdrücken den Hörer fast mit dem Gewicht des Riffs. Dann erhebt sich Ola mit einem herrlichen Grunzer aus den Tiefen der Hölle und drischt seinen Kollegen die Trägheit aus den Fingern. Heraus kommt einer der besten Songs der Platte.
Drumgewitter sind bei "Used To Be Mine" angesagt. Jonathan Sennö prügelt sich in den Track, die Gitarren öffnen Tür und Tor für brutale Tanzeinlagen und sorgen zwischendurch gekonnt für Verschnaufpausen. Diesmal klappts auch mit dem Klargesang. Die Leads erinnern an eine Mischung aus Slayer und Artas.
"Man O’Mankind" lässt danach Trivium und Testament gegeneinander kämpfen. Währenddessen bricht der Groove sämtliche Wirbel – sofern diese die vorangegangenen Tracks überlebt haben. Mit "The Fall" hat sich im Anschluss sogar eine Halb-Ballade eingeschlichen, mit der die Schweden ebenso überzeugen wie mit Voll-auf-die-Zwölf-Geknüppel. Der Übergang gelingt perfekt: Im ersten Teil sieht man sich einem knurrenden Ungeheuer gegenüber, im zweiten schlägt dieses gnadenlos die Klauen in sein Opfer und lässt nicht mehr los.
Das abschließende "Bulwark" wartet sogar mit einer Stone Sour-Gitarre auf, die Svensson souverän in den Thrashkontext übersetzt. Überhaupt setzt der Shouter nicht nur auf 08/15-Gekreische, sondern bietet innovative und teils anspruchsvolle Lines. Die letzten anderthalb Minuten von "The Collector" hält er allerdings die Klappe – es dominiert die metallische Schwere der Gitarren. Das stärkste Riff des Albums massiert die Halsmuskulatur noch einmal gründlich durch und schleppt sich in brutalem Mid-Tempo über die Ziellinie.
Die folgende Phrase mag zwar in letzter Zeit oft bemüht werden, doch Wasted Shells hauchen dem Geist der alten Thrash-Hochkultur tatsächlich neues Leben ein. Die Riffs gleichen einer rotierenden Kreissäge, der Sänger wütet wie ein Berserker und die Songs sind eindeutig für den Live-Abriss komponiert. Man sieht schon beim Hören der Platte förmlich die schwitzenden Körper aufeinanderprallen, die Band den Zeigefinger im Kreis drehen und den Befehl zur Wall geben. Wer da noch still steht, hat entweder den Weg zum benachbarten House-Club nicht gefunden, hat vom Dauerbangen einen steifen Hals oder bestaunt mit offenem Mund das Treiben auf der Bühne.
"The Collector" macht seinem Namen alle Ehre und dürfte sowohl Thrashfans der alten wie auch neuen Schule einsammeln und in die Wasted Shells-Familie eingemeinden. Sind das vielleicht die Machine Head von morgen? Wasted Shells erreichen die von Robb Flynn gelegte Messlatte zwar noch nicht ganz, sind aber verdammt nah dran.
2 Kommentare mit 2 Antworten
Die Single "Machine" hört sich leider sehr generisch an. Ich finde nicht, dass die Band überhaupt ansatzweise and die genannten großen Bands rankommt.
och, an trivium, volbeat oder stone sour erinnert mich das ganze scho ein wenig. nur sind das leider keine referenz in sachen thrash die mir nen freudenfleck in die hose zaubern.
Der Gesang nervt. Wenn man schon zwischen Halbgrowls und Klargesang hin und her springen muss, muss man wenigstens die Stimme dafür haben. Instrumental gesehen nicht mal unspannend das Teil. Holt euch nen gescheiten Sänger und spielt die Platte nochmal ein.
Das stimmt leider. Instrumental interessant, jedoch nach dem zweiten Lied ging mir die Stimme extrem auf die Nerven, sodass ich abschalten musste. Die Rezzi war vielversprechend, jedoch nicht zutreffend. Schade.