laut.de-Kritik

Nabelschau über all die gemeinsamen Jahrzehnte.

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"Hey Cowboy" startet mit country-angehauchter Akustikgitarre, bevor Midtempo-Beats den Unterbau besorgen und im weiteren Verlauf kratzige E-Gitarren für gepflegtes Rockfeeling sorgen. Textlich behandelt der Songs Kais Abrechnung mit einem ehemaligen Freund, der sich schlussendlich als selbstverliebter Egomane entpuppte.

"Brüder" - klar, da thematisieren sich die Wingenfelders selbst in einer mit federndem Rhythmus ausgestatteten Nummer, die reichlich Nabelschau über all die gemeinsamen Jahrzehnte betreibt. Die Fury-Tage schimmern natürlich immer mal wieder durch, wie beim Albumtitel "Retro" zu erwarten.

Ganz unverblümt kommt diese Vergangenheit dann für "Beste Band Der Welt" zum Tragen - mit allerlei (nicht ernst gemeinten) Seitenhieben auf damalige Konkurrenten: "Vergiss die Ärzte und alles andere, was sich dafür hält / denn wir waren damals die mit Abstand beste Band der Welt". "Ohne Worte" gefällt als gelöst eingespielter Popper mit zupackender Hookline.

"Retro" hält, was es verspricht: Über die gesamte Länge halten die Wingenfelders Rückschau. Mal melancholisch, selten zornig, gern alterweise und immer mit viel Wärme im Herzen in Erinnerungen schwelgend. Trotz gelegentlicher "Früher War Alles Besser"-Standpunkte landet das Unterfangen nicht in der 'Opa erzählt vom Krieg' -Schublade. Das mit dieser Musik anvisierte Publikum wird sich häufig selbst (gern) in den Retrospektiven der Gebrüder wiederfinden.

Ein Album ohne Hit, dafür als zumeist ausgewogene Storyteller-Sammlung konzipiert, stets bodenständige, alltägliche Themen behandelnd. Ob nun Fußball-Leidenschaft ("Jeden Samstag") oder die sentimentale Beschwörung einer alten Liebe ("Interrail"): Die Umsetzungen gelingen immer glaubwürdig, mitunter aber auch etwas altbacken inszeniert. Nun gut, der Albentitel lautet schließlich ja auch nicht "Into The Future".

Kein Album für junge Hipster oder musikalische Trendsetter also. Obwohl mit Produzent Ralf C. Mayer neben dem bereits Fury-erfahrenen Paul Grau ein Mann an den Reglern steht, der derzeit mit Cro ein Gespür für den Geschmack jüngerer Generationen beweist.

Trackliste

  1. 1. Hey Cowboy
  2. 2. Brüder
  3. 3. Interrail
  4. 4. Beste Band Der Welt
  5. 5. Winterkind
  6. 6. Früher War Alles Besser
  7. 7. Du Willst Es Doch Auch
  8. 8. Licht Aus!
  9. 9. Springen In Die Nacht
  10. 10. Jeden Samstag
  11. 11. Ohne Worte
  12. 12. Mein Hafen

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2 Kommentare

  • Vor 9 Jahren

    Hier hat der Autor wohl das Augenzinkern überhört:
    "Vergiss die Ärzte und alles andere, was sich dafür hält / denn wir waren damals die mit Abstand beste Band der Welt"

    Im Großen und Ganzen schöne Kritik. Sie hätte vor allem bzgl. der Teils großartigen Texte gerne noch etwas in die Tiefe gehen können.

  • Vor 9 Jahren

    Mit "Die beste Band der Welt" hat der Autor Thorsten Wingenfelder übrigens in keiner Weise "Fury in the slaughterhouse gemeint". Nein, Thema dieses Liedes ist Thorstens alte Schülerband, also keinerlei Fury-Bezug, auch wenn man dies beim ersten hören meinen mag. Herzliche Grüße!