laut.de-Kritik
Ein Lehrstück in Sachen Reggae.
Review von Philipp KauseDie Marley-Sprösslinge veröffentlichen selten Musik. Vom (Groß-)Vater haben sie sich das kaum abgeschaut: Der veröffentlichte Album auf Album und schob noch Liveplatten wie die legendäre "Babylon By Bus" dazwischen. Nach dem Studioalbum "Rebellion Rises" von 2018 lässt Ziggy mit dem bassstarken "Road To Rebellion (Vol. 1)" nun die Zeit der Siebziger wieder aufleben, mit gerade mal vier Tracks auf einer Live-EP - einem Format, das überrascht.
Noch überraschender: Ziggy kündigte sie als Auftakt eines Dreiteilers an. Eine Veröffentlichungsform, die womöglich sehr bald zur Normalität werden könnte - Reggae-Alben funktionieren seit Jahren kaum.
Marleys Marketingstrategie beherzigen dabei wichtige Grundregeln. So sollte Publikumskommunikation zu hören sein. Hier fallen die Zauberworte bei "Justice / War Medley": Es dürfe keine "first class or second class citizens" geben. Emotional bewegte Konzertbesucher sind als Antwort zu hören. Ziggy setzt noch einen drauf: Weder "colour of skin" noch "colour of eyes" dürften eine Rolle spielen. Das Auditorium reagiert entsprechend.
Ziggy veröffentlicht mit Ende Juli auch antizyklisch - fast zu antizyklisch, seine Fans dürften auf Festivals unterwegs sein. Gleichwohl passt der Zeitpunkt: Pünktlich zum Release startet die Europatour.
Ziggy führt auch vor, dass der wahre Roots Reggae in langen Songs mit monotonem Rhythmus zur Hochform aufläuft. Seine Melody Makers spielen fantastisch, der Background-Gesang kommt sirenenhaft. Auch die Songauswahl stimmt, das politische "Justice / War Medley" oder das bewegte "Conscious Party" - beide lassen aus dem Sessel aufspringen. Ein prägnanter EP-Titel, "Road To Rebellion Vol. 1", tut sein übriges: Die Straßen- Metapher zieht immer, auch beim jungen Publikum. Denn mittlerweile tritt schon die Generation der Enkel auf den Plan, Skip und Jo Mersa Marley. Gleichwohl nähert sich Ziggy soundtechnisch als einziger dem großen Marley konsequent an, was ihm aber nie die Wertschätzung und Aufmerksamkeit bescherte, die seinen Brüdern zuteil wurde.
Einige für den Reggae speziell entwickelte Erfolgsregeln stammen dabei nicht mal von den Marleys, z.b.: Erwähne des Öfteren Marcus Garvey, honoriere Nelson Mandela, gedenke auch Steven Biko. Und mache dabei deutlich, dass dich die Geister dieser Heroen lenken: "They make me sing this song".
Der südafrikanische Bürgerrechtler ist ein Dauergast in Rasta-Texten "Steven Biko nahm seine Zeit vorweg. Manchmal bekommt man einen Leader, der den Ideen seiner Ära ganz weit voraus ist. Dann werden die Leute, lange nachdem er tot ist, entdecken 'Oh mein Gott, der Typ hatte ja echt einen Plan!' Ich denke, Steven Biko ist so jemand: Er stand für Black Consciousness ein, aber nicht für Rassismus. Weder von den Schwarzen wurde er akzeptiert - zu radikal - noch von den Weißen. Die nahmen ihn als Gefahr wahr, er hatte immer einen passenden Paragraphen zur Hand und kannte seine Rechte. Er glaubte – unglücklich für ihn – an die Meinungsfreiheit. Er stand dafür, stolz zu sein darauf, wer man ist und dafür aufzustehen. Aber nur alleine für sich selbst. Zu der Zeit gehörte in Südafrika aber jeder zu einer Gruppierung, und es war einfacher mit dem Flow zu gehen – und er sagte damals: 'Selbst in einer Gruppe - schalt dein Gehirn ein, sei ein Individuum. Wach auf, reg' deine eigene Conciousness, dein Bewusstsein an", erklärt etwa Nkosi Zithulele von der aktuell hippen Afro-Punk-Band BCUC.
In "Conscious Party" verzahnen Ziggy Marley und seine Musiker ein Rädchen ins andere: Der schwermütige Text geht Hand in Hand mit der Härte der brodelnden Synthie-Loops, verbindet sich die kämpferische Message mit den klagenden Backing-Vocals, die lauter als der Hauptgesang abgemischt sind. 'Light' und 'Darkness', 'superior' und 'inferior' - die prägnante Sprache drängt sich regelrecht auf.
Auch die Soundqualität stimmt: Es fühlt sich an, als stünde man direkt auf der Bühne neben dem Schlagzeuger. Ziggys Gesang nimmt dabei eine Rolle unter vielen ein. "Personal Revolution" klingt dabei wie aus der Perspektive des Bassisten mitgeschnitten, ein recht unkonventioneller Livetrack. Gut, dass jemand mit einem großem Namen im Genre wieder auf eine Liveaufnahme setzt.
1 Kommentar
Ich rebelliere auch, nämlich gegen die Abzocke mit extended Players, wo man ein Album in drei Akten kaufen soll. Wenn ich einem Metier tätig wäre, das nicht läuft, würde ich auf maximale Qualität und Weiterentwicklung und nicht auf häppchenweise aus der Zeit Gefallenes setzen.
Bei Ziggy Stimme ist es eine gute Idee, die Backing Vocals (die Autokorrektur macht aus Backing "Banking Vocals", was in diesem Fall doch auch richtig gut passt) gleichberechtigt in den Vordergrund zu holen. Mit dieser Stimme habe ich schon immer meine Probleme.