laut.de-Kritik
Kennst du einen, kennst du alle!
Review von Jeremias HeppelerAlex Clare also. Hm? Nach kurzem Graben in den eigenen Gedächtniswindungen kommt ein halb vertrockneter Ohrwurm zum Vorschein. "And it feels like I am just too close to love you" krächzt dieser noch schwächlich vor sich hin, ehe er von einem Schwall neuer Musik dahingerafft wird.
Wir beginnen das Hörerlebnis von "Tail Of Lions" also mit fast blütenreinem Trommelfell. Bis auf den angesprochenen Superhit hat sich Alex Clare, dessen Debütalbum von Major Lazer produziert worden war, noch nicht wirklich deutlich bemerkbar gemacht. Auch das vorliegende Album verzichtet bewusst oder unbewusst komplett auf Überraschungen. Wer jemals ein Clare-Werk (no pun intended!) gehört hat, der kann sich an dieser Stelle ziemlich genau vorstellen, wie seine neuestes Veröffentlichung klingt. Kennst du einen, kennst du alle.
Das Schauspiel beginnt mit "Tell Me What You Need", einem der potentiellen Hits auf "Tail Of Lions". Dieser mit dezent klopfenden, aber merkwürdig cleanen Drums, über die dann alsbald die soulig aufgeblasene Stimme von Alex Clare hinweg paniert, die dann ihrerseits im Refrain von Dubstep-Einsprengseln zusammengefaltet wird. In der zweiten Strophe wird das Ganze noch von kurzen Hall-Sequenzen und Doppelstimmen-Dialogen ergänzt und siegessicher über die Ziellinie gerettet.
Das ist langweilig, weil erwartbar. Aber auch angenehm harmlos, ein netter kleiner Popsong, der dich stetig in Sicherheit wiegt. Viel aufregender wirds im Verlauf der Scheibe leider nicht, auch wenn Clare das hier präsentierte Erfolgsrezept durchaus um die ein oder andere Zutat erweitert oder verkürzt.
Bei "Get Real" geht das so gar nicht auf. Das Teil beginnt in abgeflacht oberflächlicher YouTube-Ästhetik. Soll heißen: Der Song funktioniert zunächst wie ein Werbejingle, den man ganz willkürlich über jeder Art von Video klatschen kann und der hierbei mindestens einen wohligen Schleier erzeugt. Über den trügerischen Schein täuscht aber auch der bunte Nebel nicht hinweg. Der Bruch im Song, der sich dann zu einer Prodigy-mäßigen Düsternis aufschwingt kommt zu spät und rettet das halb versunkene Schiff nicht mehr. "Surviving Ain´t Living" offenbart ein ganz ähnliches Bild.
Sorry, aber irgendwie nervt dieses Album. Weil es vorgibt etwas zu sein, was es nicht ist. Fresh. Neu. Experimentell. Weil es sich trotz der klanglichen Hakenschläge einfach repetitiv as fuck präsentiert. Jeder Song beginnt mit einer harten Drumsequenz. Jeder Song hat diesen einen Moment, in dem Alex Clare ein ganzes Bündel von Gefühlen auf die überlastete Waagschale wirft. Jeder Song markiert eine vermeintlich mitreißende Elektronik-Sequenz und stellt diese meist in seiner zweiten Hälfte zur offen zur Schau.
Natürlich ist "Tail Of Lions" eine technisch super saubere Angelegenheit. Clare kann singen und präsentiert sein Organ irgendwo zwischen Indie-Trauerweide, Soul-Sägeblatt und David-Guetta-Kumpel. Zudem glänzt das Album durch eine extrem gelungene Produktion, die selbst massive Soundkontraste wie in "Love Can Heal" (die Pianoballade zerschellt in einem Elektro-Radio-Wasserfall) mühelos meistert. Darüber hinaus sollte man die Kunst, eingängige und wiedererkennbare Melodien zu schreiben, auf keinen Fall unterschätzen. Auf dieser Platte werden die Hits aber so gewaltsam zusammengepresst wie Schneeflocken in einem Schnellball. Da bleibt kaum Luft zum Atmen, zumal das vereiste Ding den Zuhörer extrem geballt in die Fresse scheppert.
Besser klappts, wenn man die Songs losgelöst voneinander hört, den Schneeball aufbricht: "Bring Me Down" tönt richtig soulig, kommt ohne Dubstep-Exzesse aus und erinnert in seiner Effektschichterei ein wenig an Bon Iver. Auch "You'll Be Fine" entwirft über zwei Drittel eine recht spannende Klangschublade, die man aber während des finalen und überemotionalen Ausbruchs entgeistert zuschlägt. In "Tired From The Fire" stellt Clare dann noch mal unter Beweis, dass er ein wirklich starker Sängerist, der seine eigene Bandbreite in einem faszinierenden "She got me drinking water"-Loop zum Songausklang in alle Richtungen überreißt.
Also wäre es unfair zu sagen, dass Alex Clare hier schlechte Arbeit abgeliefert hätte. Aber ein für mein Empfinden schlechtes Album. Wie aber passt diese Einschätzung zusammen? "Tail Of Lions" hat wirklich anziehende Momente und liefert in Sachen Produktion, Gesang und auch Songwriting immer wieder ab. Nur in ihrer Kombination passen die zehn Songs kaum zusammen. Wir befinden uns in einer tonnenschwere Schleife und fahren im Kreis wie in Mariokart. Nur die Leichtigkeit und der Spaß geht dem Ganzen total ab. Clare erscheint wie gemacht fürs Radio, wo er er einzelne Hits präsentiert, die sich sofort ins Ohr fressen und über Jahre im kollektiven Mainstream-Pop-Gedächtnis festfressen. Nicht aber auf Albenlänge, wo zu keinem Zeitpunkt ein wirklich Fluss ensteht, ein Flow, der dich als Zuhörer über mehrere Songs an die Scheibe fesselt.
2 Kommentare
Ey! Sein erstes Album ist geil! Kann also sehr wohl auf Albumlänge überzeugen
Tail of lions hat mehr Annerkennung verdient als die Beurteilung vom Redakteur
,dass es ein wenig erschlägt,ist denke ich normal bei dubstep, ist halt powerfull.
Grad diese sauberen Drums und Klänge mit seiner Stimme hormonieren einwandfrei. Oben in der Trackliste heißt das 5 Lied Basic nicht Vasic und ist meiner Meinung nach das beste aus dem Album! Weiter so Alex...