laut.de-Kritik

Der Tod von Layne Staley wirkt immer noch nach.

Review von

Musiker verdienen heute weniger Geld mit Alben und deutlich mehr mit Touren, Merchandise und dem restlichen Gedöns. Aber ist das Grund genug, nur alle fünf Jahre neue Musik zu veröffentlichen? Besonders, wenn es sich um eine Band wie Alice In Chains handelt, die nun wirklich nicht auf den Dollar schauen muss. So wird man den Ruf als Nachlassverwalter jedenfalls nicht los und erweckt erst recht nicht den Eindruck, für die Musik noch zu brennen.

Ich bin sicher nicht der einzige, der zwischenzeitlich vergessen hatte, dass Alice In Chains überhaupt noch existieren. In Deutschland glänzten sie durch Live-Abwesenheit und konzentrierten sich lieber auf den amerikanischen Markt. Schwamm drüber, denn nun erscheint fünf Jahre nach "The Devil Put Dinosaurs Here" endlich ein neuer Tonträger der Seattler Rock/Metal-Institution. Das G-Wort passte nie wirklich zu dieser Band, also lassen wir es in der Schublade.

"Rainier Fog" kommt mit merkwürdigem Titel und schickem Artwork daher - und mit keiner einzigen Innovation. Jerry Cantrell und seine lustigen Musikantenbande sind die AC/DC ihrer eigenen musikalischen Ecke. Die Zäsur, die der Tod von Ex-Sänger Layne Staley bedeutete, wirkt noch immer nach. Alice In Chains 2.0 klingen weiterhin etwas softer, schwerfälliger, weniger kantig, weniger abenteuerlustig.

Mit "The One You Know" steht ein gediegener Midtempobrecher mit prägnantem Refrain am Anfang des Albums. Sänger William Duvall und Jerry Cantrell ergänzen sich stimmlich inzwischen perfekt. Obwohl Duvall inzwischen den Löwenanteil der Gesangsführung übernimmt, schleicht der Gitarrist doch stets im Hintergrund herum, um schnell eine zweite Stimme beisteuern zu können.
Der folgende Titelträck zieht das Tempo minimal an und lässt mit einem The-Cure-artigen Bassklang im Mittelteil aufhorchen. "Red Giant" bringt dann erstmals die Metal-Wurzeln der Band zur Geltung. "All the children singing again and again" intonieren Duvantrell voller Inbrunst und betonen erneut, dass auf ihren mehrstimmigen Gesang jederzeit gebaut werden kann.

"Fly" packt die Akustikklampfe aus und klingt im Refrain extrem nach "Voices" vom Vorgängeralbum. Das ist etwas schade, überzeugt die Nummer doch ansonsten mit den Qualitäten, die Halbballaden der Band immer aufwiesen. Songs dieser Art schüttelt Jerry Cantrell sicherlich im Halbschlaf aus dem Ärmel. "We pave the room with fool's gold?" Möglicherweise. Der Preis für die Integration neuer Ideen in den Bandsound geht jedenfalls auch in diesem Jahr wieder an eine andere Band.

Zum Glück folgt sofort ein Highlight: "Drone" grüßt freundlich Richtung Black Sabbath und groovt langsam, aber bedächtig, ins Ziel. William Duvall geht zwischendurch etwas mehr aus sich raus, was diesem Song sehr gut tut. Auch der rhythmische Break zur Hälfte der Spielzeit ist ein effektiver Schachzug. Und sogar das gefürchtete Wah-Wah-Pedal demonstriert unter der richtigen Anleitung seine Qualitäten.

Bisher lief alles gut. Doch mittlerweile sind wir in der zweite Hälfte des Albums angelangt und werden durch die nächsten beiden Stücke etwas ausgebremst. Das verzichtbare Grundriff von "Deaf Ears Blind Eyes" zieht sich gefühlt über die ganze Spielzeit. Allmählich wächst die Sehnsucht nach einem schnelleren Lied . "Maybe" drosselt das Tempo noch weiter, erhöht es allerdings im Refrain und fügt beim Solo eine Prise Psychedelic hinzu. Das Gefühl von Sedierung bleibt. Immerhin sind Alice In Chains ehrlich: "Baby you should know / I'm feeling lonely and I'm tired".

Die zweite Vorabsingle "So Far Under" erinnert extrem an Songs aus der Staley-Ära und macht die Abwesenheit dieses Mannes schmerzlich spürbar. Sein besonderes Wehklagen hätte diesen Songs ganz anders abgerundet. Doch auch so sticht dieses Stück positiv heraus. Cantrell und seine Gitarre torkeln an einem wunderbar schlingernden Riff entlang und drücken wieder etwas mehr Metal in die Dunkelheit.

Kurz vor Schluss doch noch eine kleine Überraschung: "Never Fade" spendiert tatsächlich ein schnelleres Tempo. Die Nummer gefällt, über die Platzierung nach dem sehr düsteren "So Far Under" könnte man aber diskutieren. Der kleine Geschwindigkeitsausbruch muss selbstverständlich sogleich bekämpft werden, "All I Am" stellt die Balance mit einer Extraportion Langsamkeit wieder her. Die schöne Vollballade beendet das sechste Album von Alice In Chains versöhnlich.

Die zwischenzeitliche Zwei-Song-Durststrecke trübt den Gesamteindruck leider, aber enttäuscht bleibt niemand zurück. Fürs nächste Studiowerk in fünf bis zehn Jahren bleibt jedoch Luft nach oben.

Trackliste

  1. 1. The One You Know
  2. 2. Rainier Fog
  3. 3. Red Giant
  4. 4. Fly
  5. 5. Drone
  6. 6. Deaf Ears Blind Eyes
  7. 7. Maybe
  8. 8. So Far Under
  9. 9. Never Fade
  10. 10. All I Am

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17 Kommentare mit 9 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Gehoerte 4/5 dafuer, das Eroeffnungsstueck brettert ja mal unerhoert fett aus den (Teufel-) Boxen.

    Layne ist unersetzlich, sollte klar ein, aber der Brudi hier macht die naechstbeste Arbeit.

  • Vor 4 Jahren

    Von den drei "neuen" Alben sicherlich das schwächste, aber immer noch gut anzuhören. Aber wirklich gute Ideen gibt es leider nicht, da hat Olsen schon recht. "Red Giant", "Fly" und natürlich "Never Fade" kaschieren dies ein wenig, wie ich finde. Drei Sterne sind m.E. total zutreffend.

  • Vor 3 Jahren

    Bis auf drone & mit Abstrichen Red giant ( etwas zu lang ) bin ich endtäuscht. Es gibt Bands , die mit der Zeit einfach leider irrelevant werden. Smashing Pumpkins, da war für mich nach Adore der Arsch ab, eigtl.schon nach melon collie, aber wenigstens ham die mit Adore mal was anderes probiert, was mir teilweise sehr gefallen hat. Aber gut andre baustelle