laut.de-Kritik
Wie gemacht für Flammensäulen und Headlinerslots.
Review von Manuel BergerSaxophon, Flöten, Engelschor, Keyboards en masse, Honig-Refrains, ein romantisches Duett ... Amorphis packen auf "Queen Of Time" vieles, was beinharte Oldschooler zur Weißglut treiben dürfte. Und liefern gleichzeitig so viel Wurzelkunde, dass ebendiese sich vielleicht schlussendlich doch gefußwascht fühlen.
Würden sie es nicht so verdammt gut umsetzen, müsste man die Finnen eigentlich dafür abwatschen, dass sie alte wie neue Fans gleichermaßen zufriedenstellen wollen. Irgendwie entwickeln sie sich dabei sogar noch weiter. So drängt zum Beispiel Keyboarder Santeri Kallio wesentlich weiter in den Vordergrund als bisher. Oft stehen seine Leads, Riffs und Texturen sogar auf einer Ebene mit denen von Gitarrist und Hauptsongwriter Esa Holopainen. Schon im Opener "The Bee" – einem der stärksten Song der Platte – steckt Holopainen zugunsten Kallios zurück: Das zentrale Motiv des Songs gebührt ihm.
Gitarrenfreunden servieren Amorphis freilich immer noch einen Haufen geschmackvoller Licks. Immerhin spielt kaum jemand Folk-Melodien so überzeugend auf einer E-Gitarre wie Holopainen. Irgendwo ärgert sich wohl gerade die Bläserfraktion In Extremos, dass sie "Message In The Amber" nicht selbst im Repertoire haben. Orphaned Land dagegen beneiden die Finnen wahrscheinlich um den Orchesterpart in "The Golden Elk", Nightwish sie um den in "Pyres On The Coast".
Folklore und Metal allein genügt Amorphis eben nicht mehr: In "Message In The Amber" singt ein Kirchenchor – teils mit Voice-Filter. Auch das klappt. Der heilige Geist bleibt noch kurz, "Daughter Of Hate" startet nämlich mit dicker Orgel. Dann packt Jørgen Munkeby (Shining) sein Saxophon aus, Sänger Tomi Joutsen bewirbt sich als Black Metal-Screamer und der jahrelang nur hinter den Kulissen als Texter aktive Pekka Kainulainen mimt den Märchenonkel.
Verwirrt? Gar nicht nötig, denn Amorphis verknüpfen all diese Bestandteile in Songs, die ganz eindeutig ihre Handschrift tragen und dazu meist verdammt eingängig ausfallen. Hier birgt "Queen Of Time" seine einzige Schwäche: Denn manchmal ertappt man die Band dabei, wie sie in den kürzeren Songs baukastenmäßig Strophen und Refrains aneinanderreihen. "Amongst Stars" krankt daran – und ist gleichzeitig das ideale Beispiel dafür, warum die Stücke dennoch nicht anöden: Von mir aus könnten Gastsängerin Anneke van Giersbergen und Joutsen ihre eleganten Melodielinien noch eine ganze Weile länger jonglieren, Repetition hin oder her.
Ah ja: Wir haben noch kaum über Metal gesprochen. Einmal aufatmen bitte, denn auch der hat seinen festen Platz. Death Metal-Growls gibts in jedem der zehn Songs, insgesamt schlägt "Queen Of Time" den Vorgänger "Under The Red Cloud" sogar in punkto Härte. Dank Ausnahmevokalist Joutsen gerät der Wechsel zwischen Brutal Assault und Rock am Ring-Hymne nie aufgesetzt. "Heart Of The Giant" wäre perfekt, um in Headlinerposition mit Flammensäulen und größenwahnsinnigem Orchesterauflauf eine Festivalcrowd zu bespaßen. Während Kuttenträger ins Nirvana bangen, schmelzen H&M-Bandshirtträger im Refrain dahin.
"Dieses Werk ist selbst für uns eine gewaltige Überraschung", meint Holopainen zu "Queen Of Time" (auch in Hinblick auf die gewohnt superbe Produktion Jens Bogrens). Viel wichtiger: Sie werden auch die meisten ihrer Hörer damit überraschen, in positivem Sinne. Das nach fast 30 Karrierejahren zu schaffen, ist ein Qualitätsmerkmal für sich.
6 Kommentare mit 9 Antworten
The Bee ist eine Naturgewalt, hätte denen das nicht mehr zugetraut. Bin gespannt auf das Album
Echt jetzt? Gerade The Bee klingt für mich nach einem Versuch den ESC zu gewinnen. Überspring ich immer! Gott sei Dank wird es danach besser!
Ist wieder ein tolles Album geworden. Aber an "Under the red cloud" kommt es nach 1x Hören noch nicht ran. Daher 4 Sterne.
Leider ist das Album wieder etwas zu laut gemastert. Keine Dynamik und viel Clipping!!!
Clipping? Kauf dir neue Boxen (oder Ohren). Ich habe seit 2007 oder 2008 kein Clipping mehr in 'ner Jens Bogren-Produktion gehört.
Clipping höre ich auch nicht bei den letzten Alben, aber zu laut und dynamikbefreit waren die letzten Alben leider alle. Auf Dauer ist das etwas nervig.
Es mangelt an Dynamik. Punkt. Das Clipping ist nicht mehr so extrem, dass man es bewusst raushört. Aber es ist da (einfach mal einen Song in einem Audiobearbeitungsprogramm öffnen!!). Wie Soulseeker schreibt: Es nervt auf Dauer.
Mittlerweile rücke ich solchen Mastering-Untaten damit zu Leibe:
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Kann keine Wunder vollbringen, aber zumindest lassen sich Ohrenschmerzen beim Musik hören vermeiden. Oder man hört Vinyl!!
Das ist wahrscheinlich der Preis für den hohen Detailgrad der Kompositionen.
Bei dem "Punkt." würde ich trotzdem nicht bleiben, so undynamisch ist der Sound nun auch nicht
Detailgrad, wenn das Klangbild ein Rechteck in Audiacity ist? Weißt Du was ein Kompressor ist?
Eines ihrer besten Werke bis dato!
Besser als die legendäre „thousand Lakes“?....also gut hör mal rein
Für mich sind die Thausand lakes und die red cloud ihre beiden besten, dicht gefolgt von Am universum. Die neue scheint aber auch fast dahin zu kommen. Für ein abschließendes Urteil muss ich sie noch ein paar mal hören.
Finde es ziemlich überladen, ist nicht mein Ding.
Fand den direkten Vorgänger ein gutes Stückchen besser. Im gesamten eine absolut solide Scheibe, die eventuell erst noch richtig zünden muss.
Queen of time ist der HAMMER!!! Ein muss für jede Amorphis Sammlung
Hmmm...stellenweise kommt es mir leider so vor als wäre Amorphis gerne ein Metalüberraschungssieger beim ESC. Gefällt mir nicht durchgehend!