laut.de-Kritik

Herrlicher Herbst: Die Indie-Krautpleaser entrümpeln die Archive.

Review von

Ein neuer Notwist-Tonträger? Kaum möglich, wie jeder Weilheim-Experte weiß, erschien das letzte Werk "Vertigo Days" doch gerade erst vor vier Jahren. Dennoch führen einen das wunderschön designte Coverartwork von Nathaniel Russell und der prägnante Albumtitel ganz kurz in die Irre, bis man auf Anhieb zumindest zwei vertraute Songtitel in der Tracklist erblickt.

Mit "Magnificent Fall" beschenken Notwist sich und uns endlich mit einer Rarities-Compilation, wie sie von Beach House bis Pavement nun wirklich jede ernstzunehmende Frickelband in ihrem Katalog führt. Irgendwo muss das Zeug ja auch hin, das in den durchschnittlich sieben Jahren zwischen zwei Notwist-Alben so im oberbayerischen Studio-Morast versickert.

Standesgemäß beginnt das Werk mit "One Of These Days", auch wenn wir es hier nicht mit dem Pink Floyd-Klassiker, sondern einem unveröffentlichten Instrumental aus dem Jahr 2019 zu tun haben, dessen zarte Glockenspiel-Sounds den Intro-Charakter vollends erfüllen. Ein Outtake, das es seinerzeit nicht auf Bastian Günthers gleichnamigen Film schaffte.

Der Titeltrack schaltet das Tempo hoch, während altvertraute IDM-Beats der mittleren Notwist-Ära unweigerlich den Namen des damaligen Electro-Magiers Martin Gretschmann in den Vordergrund rücken. Dem Console-Chef begegnet man im Laufe der Platte noch drei weitere Male. Das gilt natürlich auch für den vergleichsweise bekannten Grizzly Bear-Remix des "Close To The Glass"-Highlights "Boneless" (2014), das hier seines schimmernden Indie-Gefieders entledigt wird.

Die Qualität einer Sammlung an raren und unveröffentlichten Stücken bemisst sich auch an der Fülle des Ausgangsmaterials und da schöpft eine allzu oft scheinbar nur für sich selbst muszierende Band wie Notwist natürlich aus dem Vollen. Ein Song wie "Blank Air" machte nur deshalb nie den Albumcut, weil im Jahr 2010 einfach keines anstand, der Song erschien stattdessen auf einer Single mit Console-B-Seite. Das herrliche Jazz-Interlude "Avalanche"? B-Seite einer 10". Die schwebende Fummel-Folk-Zauberei "Solo Swim"? Teil einer vergessenen Split-Maxi. And so on.

Bis ins Jahr 2002 geht man zurück, als die melancholischen Wehmutsweisen dieses genialen Spinner-Kollektivs vom Dorf dank "Neon Golden" plötzlich auch einem Feuilleton-Publikum mundeten. Indierock mit Laptop-Knarz, Dauerrauschen als Qualitätsmerkmal, Desert Sessions aus dem Industriegebiet Weilheim, plötzlich machte alles Sinn. "Red Room" katapultiert einen nochmal zurück in diese spannende Zeit, erschienen seinerzeit auf der B-Seite von "Pick Up The Phone".

Auch Spezis aus dem erweiterten Umfeld von One-Off-Projekten wie "13&God" sind dabei: Anticon-Rumpler Odd Nosdam begräbt "Sleep" standesgemäß unter seiner Krachdecke. Lediglich das Neun-Minuten-Monster "Alien Research Center" mäandert so ein wenig durch den luftleeren Raum, ohne Spuren zu hinterlassen. Was dann wiederum hervorragend zum Abschlusstrack passt: "Das Verschwinden". Dem musikalischen Gütesigel Notwist kann das nicht mehr passieren. Wer einmal von Robert Smith auf ein Festival eingeladen wurde, hat Bleibendes geschaffen. Neugierige können ihren Wissensdurst kommendes Jahr mit einer karriereumfassenden, aufwändig gestalteten 8-LP-Box stillen.

Trackliste

  1. 1. One Of These Days
  2. 2. Magnificent Fall
  3. 3. Boneless (Grizzly Bear Remix)
  4. 4. Blank Air
  5. 5. Avalanche
  6. 6. Run Run Run (Ada Remix)
  7. 7. Red Room
  8. 8. Come In
  9. 9. Solo Swim
  10. 10. Sleep (Odd Nosdam Remix)
  11. 11. Alien Research Center
  12. 12. Who We Used To Be
  13. 13. Das Verschwinden

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