laut.de-Kritik
Verflixt gut: Das Prinzip Collage auf die Spitze getrieben.
Review von Hardy FunkEin halber Telefonhörer, ein Walkie Talkie, ein Händedruck, einzeln ausgeschnitten und nebeneinander geklebt - das Plattencover zeigt es fast überdeutlich: The Notwist setzen bei ihrem siebten Studioalbum mehr denn je auf die Collage, es geht mehr denn je um Kommunikation.
Gefrickelt und getüftelt, gedreht und geschraubt, auseinander- und vor allem neu zusammengebaut haben die im Kern drei Weilheimer schon immer wie sonst nur die hoffnungslosesten Elektronikbaukasten-Nerds an der eigenen Schule. Dieses Mal bringen Markus und Micha Acher sowie Martin Gretschmann diese Herangehensweise aber endgültig an ihre Grenzen.
Die einzelnen Songs reichen von kraftstrotzenden Schrammelgitarren-Hymnen ("Kong") über schlichte Quasi-Folksongs ("Casino") bis zu sphärischen Instrumentals ("Lineri"), fragilen Violinen-Arrangements ("Into Another Tune") und treibenden Elektronik-Nummern ("Close To The Glass"). Auch innerhalb der Songstrukturen passiert so einiges.
Das erwähnte "Into Another Tune" beginnt als fast schon beklemmendes Stück Kammermusik und endet als trippiger Techno-Track. Der vielschichtige, aber gefällige Elektro-Pop von "Run Run Run" wird jäh unterbrochen von einem leicht verstörenden Saxophon-Loop und läuft schließlich ebenfalls als Techno-Track aus. Selbst wenn kein offensichtlicher Bruch die Aufmerksamkeit auf die Genre- und Klangvielfalt der Songs zieht, offenbart fast jeder von ihnen mit jedem Hören neue Facetten.
Und doch passt alles zusammen, sind all diese so unterschiedlichen wie vielseitigen Songs in ein und dieselbe Lauge getaucht - kongruent zum warmen Orange des Plattencovers. Denn "Close To The Glass" durchweht wieder diese Notwist-eigene, sanfte Melancholie. Womit wir beim Thema Kommunikation angelangt wären.
Von Kommunikation und entsprechenden (gescheiterten) Versuchen handeln einerseits die Texte. Gleich im ersten Song "Signals" (!) wünscht sich Sänger Markus Acher gewissermaßen die höchste Form der Verständigung: "We will walk within you / We will like you scream / We wanna be you". Ein unmögliches Unterfangen, wie es der Titeltrack thematisiert: "Close To The Glass", das ist gleichermaßen ultimative Nähe und definitive Trennung. Gleichzeitig geht es auch mal schlicht und alltäglich zu, wie im Fernbeziehungsdrama "7-Hour-Drive".
Die meisten Texte laden zur ganz persönlichen Sinnstiftung ein, bleiben ausschnitthaft und unbestimmt - so offen wie die Musik. Um Kommunikation geht es aber auch in der Musik, wie Micha Acher im Gespräch verrät: Denn ob live oder im Studio - und so unmöglich das bei derart komplexen Songs auch scheinen mag - The Notwist suchen doch immer den Moment, in dem sie sich nur noch über Blicke verständigen und verstehen.
Und so klingt das Album. Irgendwie schaffen The Notwist das wie kaum eine zweite Band: Komplexe, interessante, immer wieder überraschende Sounds, Strukturen und Songs, die einem nicht mehr aus dem Ohr gehen. Man kann also über Collagen reden, man kann ruhig von Kommunikation sprechen. Man kann sich aber auch einfach nur verlieren in diesen verflixt guten Popsongs.
11 Kommentare mit 6 Antworten
Ja, sehr schönes Album. Ich hab The Notwist schon seit Jahren nicht mehr gehört, aber gerade die elektronischeren Sachen, wie der Titeltrack, sind fantastisch. Einzig und allein routiniertere Tracks wie "Kong" können da nicht ganz mithalten. Mir hätte es auch sehr gefallen, würde das Album nur aus vertrakteren, elektronischen Tracks bestehen. Aber bei der Qualität beschwere ich mich natürlich nicht.
Tolles Album mir persönlich gefällt die Mischung sehr gut, ich find Kong dabei eigentlich sehr stark und sehr gut platziert.
Kann mir jemand sagen welches Album von The Notwist sich für den "Einstieg" in deren Musik eignen?
"Neon Golden".
Dieser Kommentar wurde vor 10 Jahren durch den Autor entfernt.
Sowas von...
danke euch
die höchste form der verständigung: "we !!! wanna be you" - wahnsinns message, ohne zweifel.
musik: manchmal gefällt's mir, sonst aber leider irgendwie zahnschmerzig. erinnert mich durchaus an die emo-zeit vor über 10 jahren.
Wo ist meine HYPE! Truckercap? Was ich bis jetzt gehört habe gefällt mir aber mal wieder.
ich komme nicht rein, wird wohl nie was bei mir mit dieser Band