laut.de-Kritik
Industrieklüngel qualzüchtet dämonisch-deutsches Monogenre.
Review von Yannik GölzSDP machen die uncoolste Musik der Welt. Nach zwanzig Jahren im Game ist jeder noch so latente Charme des Duos verflogen. Hinter SDP, die sich als klamaukig-bodenständige Quatschköpfe geben, versteckt sich nicht weniger als die ultimative Blaupause des deutschen Sellouts. Es ist mir ein Rätsel, wie die Tausenden Fans sich Jahr um Jahr weiter diese anbiedernden, groovelosen Stücke Marktanalyse andrehen lassen können. Gerade bei etwas, das gerne Comedy wäre, sollte das unübersehbare Level an Zynismus und Kalkulation doch eigentlich ein Totschlag-Argument sein, oder nicht?
Nun ja. SDP sind nominell Rapper, haben aber mit dem Hip Hop nicht wirklich etwas zu tun. SDP entstammt einer seltsamen Welt, in der Musik barely existiert. Sie entstammen einer ProSieben-Welt, in der all die Leute noch fernsehen und sich auf Tauschkonzerte und Silvestergalas freuen. Eine Welt, in der du weißt, dass du lachen wirst, wenn das erste "kennste" fällt - und in der du traurig sein wirst, wenn die Gitarre einen Mollakkord spielt.
Jeder einzelne Song in dieser Welt ist völlig bar jeder Überraschung und jedes Widerspruches. Jedes Gefühl ist scharfkantig vordefiniert, jede Pointe lobotomisiert dich mit dem Rammbock die Nase empor. Instrumente gibt es je nachdem, wie man die Pro Tools-Soundbibliothek auslegt, vier oder fünf. Und die einzigen anderen Musiker, die existieren, sind das folgende Inferno der Wackness einer Feature-Liste: Tream. Saltatio Mortis. SANTOS. Esther Graf. Montez. Kontra K. Vor dem Studio-Eingang hängt ein 'You have to be this beschissen to ride'-Schild.
Musikalisch kommt in diesem Industrieklüngel erwartbar das dämonische deutsche Monogenre heraus: Ein bisschen Rap, ein bisschen Rock, ein bisschen Pop, ein bisschen Schlager. Spirituell gehört das Ergebnis in keins dieser Genre. Es ist dieser 'Fußballmama-pfeift-dazu-im-SUV-mit'-Sound. SDP-Tracks fühlen sich am ehesten an wie Kinderlieder: Es geht darum, dass Leute nicht lästern sollten. Nicht so grummelig sein sollen. Es geht darum, dass man am Wochenende eine große Party schmeißt, in der man ganz viel Cola trinkt und bis 21 Uhr wach bleibt.
Doch, das trifft es: "Die Wollen Nur Spielen" ist eine Sammlung bizarrer Kinderlieder für sehr hängengebliebene Erwachsene. Und um diesen sehr seltsamen Eindruck zumindest ein wenig zu verschleiern, erzählen SDP uns konstant, was für verrückte Typen sie doch seien. Sie sind zwar null edgy, behaupten es aber wieder und wieder. Denn wie schon auf ihrem großen Hit "Mama Hat Gesagt", scheinen sie wirklich überzeugt davon zu sein, total durchgedrehte Typen zu sein.
Heraus kommt der einleitende Titeltrack. "Unsere Fans sind alle Freaks", behaupten sie da. Ebenso: "Wir passen in keine Schublade rein". I'm sure. Deswegen arbeitet ihr auch mit jedem noch so billigen A-Lister der deutschen Musikindustrie zusammen. Die gegenteilige Diagnose wäre richtig: Ihr passt in absolut jede Schublade rein. Es will euch nur keine haben. Abgesehen davon wird versucht, mittels Ironie ein bisschen Angriffsfläche vorwegzunehmen. "Alle sagen das: Nicht die schon wieder / Kraftklub ist viel beliebter", zum Beispiel. Nur sieht Kraftklub neben SDP aus wie Sonic Youth. Dieser Bullshit klingt jetzt schon, als hätte man Volker Rosin und die Dorfrocker eingesperrt, um Wannabe-Trailerpark-Tracks zu schreiben. Aber nicht mal zu wirklicher Edge lässt man sich hinreißen. Dieses Album fühlt sich verrucht, wann immer es "ficken" sagt.
Die Unlustigkeit kulminiert am Ende in einem albtraumhaften Track namens "Einen (Stern) Herunterholen". Muss ich ... einen Track dieses Titels noch erläutern? Es geht ums Wichsen. Denn wir wissen alle, nichts ist lustiger als Masturbation. Hihi! Penis! Sex! Pimmel! Sie bauen den ganzen Song auf folgendem Refrain auf: "Ich schau ganz alleine in die Sterne und würd mir so gerne einen runterholen". PIMMEL! SEX! HAHA! KENNSTE?!! Nein, bitte, führt weiter aus. Was für tolle Pointen kriegen wir aus diesem reichhaltigen Konzept noch gewrungen? "Ich starr schon so lang in den Nachthimmel, ich hab schon einen Steifen ... Hals". Unglaublich. Noch einen? "Ich schau nach oben und hab' meinen Ständer in der Hand ... und singe durch mein Mikrophon durchs ganze Land". Tötet mich.
Ich möchte mich fast bei Alligatoah entschuldigen. Ich hätte nicht nachgedacht, dass nach seinen jahrelangen Bemühungen, beschissene Alligatoah-Songs zu schreiben, noch so tiefe Abgründe darunter zu entdecken geblieben sind. SDP schaffen es sogar, eine noch holzhammerige Ironie zu finden. Der Joke vorhin, übers Runterholen? Der war so vielsagend und komplex, dass man ihn sogleich ein bisschen einordnen muss: "Immer wenn ich sage, dass ich mir einen runterholen will / verstehen mich alle absichtlich falsch!". Ach! So meintest du das! Es ging also darum, dass "runterholen" in diesem Kontext die eine und die andere Bedeutung haben kann? Und eine ist ganz unschuldig und die andere ist sexuell? Jetzt habe ich das auch verstanden!
Und ich schwöre, diese Art Witze-Erklären machen sie die ganze Zeit. Es ist schon eine Kunst, die eigenen Hörer für so strohdumm zu halten. Zum Beispiel "Lass Die Leute Labern", ein musikalisch wahnsinnig irritierender Song, der dem offensichtlichen Ärzte-Referenztrack gnadenlos jeden letzten Rest, jeden Groove und jede Energie raubt. Da gibt es einen Pre-Chorus: "Sag mal, seh ich aus, als würde mich das ansatzweise peripher interessieren, was du über mich so denkst?", lautet der. Aber nur, dass sich niemand von dieser rhetorischen Frage überfahren fühlt, schiebt er noch einmal in alberner Stimme nach: "Nein, tut es nicht!". Ach, perfekt. Ich hatte mich schon gefragt.
Aber das ist nur die halbe Miete. Neben den ... lustigen gibt es auch einen ganzen Haufen deeper Tracks und Herzschmerzballaden. "Zusammen" ist eine Monstrosität Lovecraftschen Ausmaßes. Ich weiß nicht, ob das Instrumental hier ein aktives Sample von Macklemores "Can't Hold Us" ist, oder ob hier nur wirklich schamlos plagiiert wurde. Selbst wenn es ein liebevoll abgenicktes Sample wäre: Warum zum Fick "Can't Hold Us" von Macklemore? Ich habe trotz aller corny-allegations im Grunde nichts gegen den Track. Was ich aber noch nie dachte, wäre, dass der Track wirklich davon profitieren würde, wenn wir Macklemores technisch beeindruckenden Rap und den swaggy Soulsänger runterschmeißen würden, um eine Legion armseliger Deutschpop-Barden übers Durchhalten singen zu lassen. "Ja ich weiß, das Leben ist nicht einfach / Doch auch, wenn alles Krise ist, weißt du ich liebe dich". Diese schmalzige Scheißhook darf in zwei Minuten zwischen todeswacken Millennial-Woo-Woo-Woos einmal durch die Hände von Esther Graf, Montez, Clueso, SANTOS und Kontra K gereicht werden. Gänsehaut.
... und das ist nicht mal der schlimmste Kopf Hoch-Song, so unglaublich das auch sein mag. Kurz davor tun sie sich für das selbe Songkonzept aus unerfindlichen Gründen Saltatio Mortis auf. Es fühlt sich an, als würde man einen Werbespot sehen, in dem Christian Lindner eine Bausparkasse empfiehlt, aber aus irgendwelchen Gründen wird der Soundtrack von Mittelalterrockern beigesteuert. Hä? Ebenso grausam gastiert Nichtskönner Tream auf dem Party-Track "ADAC", um dem Album die abrundende Note Bayern-Bierzelt-Patriotismus zu verleihen, die wirklich einfach noch gefehlt hat.
Glaubt mir, wir sind noch lange nicht fertig, einfach nur die herausragend beschissenen Songs aufzuzählen. "Die Wollen Nur Spielen" ist wahrlich eine reiche Schatzkiste diversester Wackness. Es gibt noch die supermegalappigen, generischen Deutschpop-Balladen, die auf gar keinen Fall fehlen durften ("Eigentlich Wollt Ich Dir Nie Sagen", "Rocky"). Es gibt mehr ächzend unlustige Thementracks mit Witzen von vorgestern, die sicher Platin im WhatsApp-Status gehen ("Pass Auf Was Du Dir Wünschst", "Alle 11 Minuten").
Es gibt noch einen Haufen Tracks, deren musikalische Entscheidungen so schlecht und nervig sind, dass man selbst die drei Minuten kaum aushält: Warum dippen sie mehrmals in den weißesten, billigsten Reggae? Das Synthesizer-Horn auf "Willst Du Heute?" klingt so nervenzermürbend beschissen, dass man nach zwei Minuten von diesem unnachgiebigen Hurensohnloop einer Migräne so nahe ist wie nach drei Stunden "Mr. Saxobeat" und "Crazy Frog". Der Beat für "Mein Bett" klingt ohne Scheiß wie diese Fruity Loops-Anfänger-Shitposts, die man manchmal auf TikTok sieht, mit den drei voreingestellten Percussions und dem lappigsten Klavier der Welt.
Im Kern von alledem stehen Vincent und Dag, zwei handwerklich in ihren besten Momenten nicht-mal-wirklich-ganz-mittelmäßige Rapper und Sänger. Ihre Flows sind auch nach zwanzig Jahren absoluter Kinderkram, sie haben spürbar absolut kein Rhythmusgefühl, sie haben noch nie auch nur eine interessante Pocket in einem Beat gefunden oder eine originelle Melodie gesungen. Immer wieder finden sich Reim-Qualzuchten wie "Mein bester Freund ist die Snooz-Tast-é / Deswegen war ich in der Schule oft zu spät". Ich bin wirklich kein Techniknazi, aber wenn man für einen unsauberen, einsilbigen Reim derartig hart die Aussprache prügeln muss, kann man die Füllerline in Question auch einfach unformulieren? Es ist nicht so, als würde etwas verlorengehen.
"Die Wollen Nur Spielen" ist eine Qual von einem Album. Mir war nicht klar, dass ich diesen Albumtitel in der Jigsaw-Stimme hätte lesen müssen. Dieses viel zu lange Album hat Spaß gemacht wie Waterboarding. Gestern Nacht lag ich ernsthaft gestresst wach darüber, dass ich es für die Review noch einmal ganz hören müsste. Wenn es deep und inspirierend sein will, ist es strohdumm, wenn es lustig sein will, verursacht es körperliche Schmerzen. Es ist ein gigantischer, obsidianschwarzer Monolith der Wackness, der zweihundert Meter über der deutschen Musikindustrie prangt wie Cthulu persönlich. Um so sehr zu sucken wie SDP auf diesem Album, müsste man das Sucken Jahrzehnte lang mit dem Ehrgeiz von Profisportlern ernst nehmen. Man müsste jeden Tag 12-14 Stunden hart daran arbeiten, so sehr zu sucken. Ich kann es mir nicht anders vorstellen, als dass Vincent und Dag jeden Morgen seit 20 Jahren mit einem Ruhepuls von 140 aufwachen und augenblicklich weiter darüber nachdenken, wie sie heute noch ein kleines bisschen härter sucken können als gestern.


7 Kommentare mit 2 Antworten
Yannik, bitte pass auf dich auf!
Begeisterung für den Job in Ehren, aber die Review liest sich als wär man beim Genuss dieser Musik längst in gesundheitsschädlichen Bereichen angelangt. Vielleicht solltest du dich mal an die BG wenden oder mit deinem Chef sprechen.
hallo lieber yannik wann kommt denn die daniel caesar review ich frag auch ganz lieb lieber yannik das zauberwort heißt bitte
es suckt also genuin?
In Zukunft (und Gegenweart) nur noch Fair Trade-Koks, sollte klar sein.
Gibt wenige Sachen, die bei mir nicht gehört werden dürfen, aber SDP gehören dazu.
Mit dem Gefühl, dass jemand den ich mag, die evtl. gut oder witzig finden könnte, könnte ich nicht umgehen.
Das wäre ungefähr so wie herauszufinden, dass jemand heimlich AfD wählt.
Also jetzt eine harmlose Band mit der AFD gleichzusetzen finde ich eher schwierig.
Interessiert (Tangiert ist dann zu hoch) mich peripher.. um es mal mit dem Zielgruppen-Slang alleinerziehender Tiktok-Live-Muttis zu parlieren