laut.de-Kritik

Ihr Sprechgesang kündet von Tod und Verdammnis.

Review von

Andrea Schroeder, die Frau mit dem denkbar konventionellsten Allerweltsnamen wird man sich merken müssen. Wie eine helle Fackel im finsteren Nebel taucht sie auf, um mit ihrem zweiten Album "Where The Wild Oceans End" jene Langeweile zu vertreiben, die Deutschlands schematische Musikszene im wesentlichen ausmacht. Die Platte ist eine dunkel rockende Offenbarung, die lässig auf internationalem Niveau agiert.

Schon die ersten Sekunden des Openers "Like A Dead Man's Eyes" ziehen alle Aufmerkamkeit auf, die der Hörer zu geben vermag. Die ebenso einsamen wie spartanischen Gitarrenklänge Jesper Lehnkuhls locken das Publikum auf einen Pfad ohne Wiederkehr. Schleppend und hypnotisch setzen Schroeders tieftönende Vocals ein. Wie eine schwarze Witwe kündet ihr Sprechgesang von Tod und Verdammnis. Dabei klingt sie so bittersüß und unwiderstehlich wie etwa Nico oder Mona Mur. Die großartige Band webt darum herum ein Spinnennetz, wie aus dem Lehrbuch sinistrer Songwriterkönige. Freunde von Nick Caves Bad Seeds ("Firstborn Is Dead"), schamanischen Doors-Tracks oder Wovenhands "Laughing Stalk" werden ihre helle Freude am düsteren Treiben haben.

Der Produktion kann man gar nicht genug Komplimente machen. Chris Eckman, seines Zeichens Chef und eine Hälfte der großartigen Walkabouts, beweist ein sensibles Händchen. Die Band und ihre Fürstin der Nacht setzen alles perfekt in Szene. Keine Überraschung! Schon mit der eigenen Mutterband interpretiert er mitunter gern Sternstunden anderer Künstler ("That Black Guitar", "Man From Reno"). Zur Krönung setzt er sich dann und wann an die Tasten und tupft ein paar Noten in diesen Ozean.

Besonders spannend wird das Album immer dann, wenn La Schroeder den alten Schmerzensmann Blues zum letzten Tanze bittet ("The Spider") und die Band alles Geschehen mit zerklüfteten Gewittersounds ins Höllenfeuer stößt. auch gelegentliche Ausflüge in Richtung ebenso romantischer wie untoter Seemannslieder ("Where The wild Oceans End", "The Rattlesnake") wird man nicht mehr los, so man sich erst in ihnen verloren hat. Auch der Text des Titelstücks ist in seinem metaphorischen Storytelling herausragend.

Ganz groß ebenso ihre Hommage an den ewigen Berlin-Verehrer Bowie. Andrea schnappt sich sein "Heroes" in der deutschen "Helden"-Version, wickelt es in einen dunklen Mantel und erobert das schöne Lied mehr als dass sie es covert. Zwischen gehauchter Sehnsucht, Verheißung und Resignation seiner neuen Gebieterin erstarkt der Song in neuem Glanz. Dazu ein paar optimal platzierte Eruptionen aus Lehmkuhls Gitarre, besser kann man den Thin Wite Duke kaum interpretieren.

Trotz all dieser vielfältig aufblitzenden Weltklasse gibt es Kritikpunkte, die zeigen, dass die junge Songwriterin noch nicht mit jedem Lied in der Hall Of Fame ihrer Vorbilder angekommen ist. Das eigentlich schön gesungene "Ghosts Of Berlin" büßt seine dramaturgische Anmut durch lahmes Allerwelts-Country-Gegniedel ein, wie bei manchen Element Of Crime Füllsongs, die man weiter skipt. Verschenkte Chance! Auch ein Lied wie "Fireland" kann neben den anderen Perlen nicht ganz mithalten und wirkt im Vergleich eher wie eine Selbstkopie oder B-Seite.

Trotz solch kleiner Schwächen gelingt ihr ein künstlerisch großer Wurf und echter Weckruf für das darbende Konstrukt 'Band mit Frontfrau'.

Trackliste

  1. 1. Dead Man's Eyes
  2. 2. Ghosts Of Berlin
  3. 3. Until The End
  4. 4. Helden
  5. 5. Fireland
  6. 6. The Spider
  7. 7. Where The Wild Oceans End
  8. 8. The Rattlesnake
  9. 9. Summer Came To Say Goodbye
  10. 10. Walk Into The Silence

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4 Kommentare mit 7 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Ein schönes Werk, das durchaus noch auf meine Einkaufsliste kommen könnte. Auch der Artikel ist schön, aber was soll der rätselhafte letzte Satz mit dem darbenden Konstrukt?
    Wenn man sich umschaut, findet man doch so viele wunderbare "Bands mit Frontfrau" - auch hier in Deutschland.
    Auf, Beißpony, Binoculers, Candelilla, Dota, ...

  • Vor 10 Jahren

    hoffentlich bleibt der frau schröder nicht zukünftig der kloß im halse stecken bei der überbordenden rezi. durchaus hoffnungsvolle ansätze, aber da bereits von weltklasse zu schreiben ?
    wenn sie den deutschen markt erobern will, könnte es von vorteil sein, deutsche verse zu singen. aber vielleicht überspringt sie gleich die einheimischen gefilde ?
    anwalts vergleich mit den biederen deutschen popgrößen aus dem ikea- und legoland ist da ja wirklich schon überflüssig, oder ?
    'untote seemannslieder' wie 'the rattlesnake' für überzivilisierte barhocker.

  • Vor 10 Jahren

    Ich bin da ganz bei Der-Wal.

    Die Produktion des Albums ist ganz gut, zugegeben, aber das war's meiner Meinung nach auch schon und von "Weltklasse" ist die Dame tatsächlich weit entfernt.

    Es stellt sich überhaupt nicht dieser Sog ein, der zum Beispiel Nick Cave ausmacht. Stattdessen wirken alle Lieder die ich mir auf Youtube angehört habe kühl, distanziert, emotionslos und extrem monoton vorgetragen.

    Das kann zwar prinzipiell auch gut sein, aber für emotionale Abgründe ala "Soap & Skin" ist es zu brav, für außergewöhnliche Gesangsperformance ala "Björk" ist es zu emotionslos und besonders in den höheren Lagen schlecht gesungen und für melancholische Stimmung und Abwechslungsreichtum ala "Scarlatti Tilt" ist das Songwriting einfach nicht gut genug.

    Alles in allem solide 2 1/2 Punkte. Schlecht ist es ja nicht, aber es sticht absolut nix heraus.

    • Vor 10 Jahren

      Den Begriff "Weltklasse" mag ich auch überhaupt nicht, daran muss man aber keine Kritik an der Kritik fest machen. Und Vergleiche mit anderen Künstlern erübrigen sich sowieso.

  • Vor 10 Jahren

    Habe reingehört und schon fast den Bestellknopf, ob der überbordenden Lobgesänge, gedrückt. Aber was ich hörte war im Grunde Nico in etwas weniger psychedelischen Gewändern. Für mich aber genauso langweilig.