laut.de-Kritik
Bunte Schmetterlinge auf der Deutschpop-Wiese.
Review von Artur SchulzSo ein Album-Name mag in erster Linie mit kühl verkopften Titeln assoziiert werden. Doch nach anfänglichen Zweifeln verführt "Die Mathematik Der Anna Depenbusch" einen nach Strich und Faden. Keine Spur von nüchterner Kugel-Justierung am Rechenschieber. Stattdessen befasst sich die Hamburgerin lieber mit ernsthaften und amüsanten Chaos-Theorien in Sachen Beziehungen zwischen Mann und Frau.
Die ersten drei Tracks fungieren für den neugierigen Hörer als wohlplatzierter Lockstoff. Und der findet sich rasch als hilfloser Gefangener in Annas ganz persönlicher Venusfalle wieder. Der abgefeimte Trick: das Opfer fühlt sich immer wohler, je länger das Umgarnen andauert. Denn viel vereinnehmende Wohlgefälligkeit präsentiert Anna mit flötend süßer Stimme.
"Tim Liebt Tina" wiegt sich textlich keck und walzerselig durch den Pop-Schlager-Saal, bis "Glücklich In Berlin" unpeinliche, weil gekonnt/dezent eingefügte Country-Anleihen ausspielt. "Monoton" beschwört musikalisch den swingenden Beat der britischen Sixties. Doch erst mit "Astronaut" schlägt Anna so richtig zu, und lässt einen (bis auf eine Ausnahme) bis zum Ende nicht mehr los.
So mancher Mann mag sich wiederfinden in den treffenden Beschreibungen über seinen persönlichen Ist-Zustand inklusive überhöhter Selbsteinschätzung: "Wer hat denn bloß / dein Herz so verschlissen?" fragt die Sängerin, und erkennt: "Du jagst nach Raketen / und bunten Kometen / nur das Leben hier unten / siehst du nicht." Dennoch gibt Anna streicherumsäumt ihr ganzes Herz, um Major Tom vor dem Untergang in vernichtender Sonnenglut zu bewahren.
Ausgerechnet das als Single konzipierte "Wir Sind Hollywood" hinterlässt den schwächsten Eindruck. Die Zutaten zeigen sich stimmig - u. a. Disco-Beats der Siebziger -, bloß zünden will das Alles nicht. Ganz im Gegensatz dazu, wenn Anna in der Folge das Kostüm der "Madame Clicqout" überstreift. Nach einem kurzen James Bond-Intro gefällt die mit sanften Latin-Rhythmen unterlegte Nummer bestens.
Das ständige Springen zwischen verschiedenen musikalischen Stilrichtungen gestaltet "Die Mathematik ..." zu einem kurzweiligen Hörvergnügen. Pop, Chanson und sogar Blues erfahren in den Händen der Hamburgerin willkommene Auffrischung. Nicht unerheblichen Anteil daran besitzt das polnische Wroclaw Score Ochestra, das einige Tracks mit stimmungsvoll-luftigen Arrangements veredelt. Akkordeon, Flöte, Cello, Kontrabass und auch mal ein Matrosenchor sorgen für wohlgesetzte Akzente.
Zwei der stärksten Nummern hebt sich die Sängerin für den Schluss auf. "Tanz Mit Mir (Haifischbarpolka)" brettert unwiderstehlich liederlich und lebensdurstig durch nächtliche Seemanns-Kaschemmen. Doch Obacht: "Ich scheiß' auf deine Rosen / denn die stechen mich so sehr / und an Matrosen / lieb' ich eigentlich nur das Meer". Ausschließlich mit Piano und Streichern an der Seite steht Anna zerzaust an der dämmrigen Liebes-Reling und befehligt - weil ihr nichts anderes übrigbleibt - das "Kommando Untergang".
Und doch bedeutet "Die Mathematik Der Anna Depenbusch" kein deprimierendes Album - ganz im Gegenteil, denn es lässt auch bei ernsthaften Themen Texte und Kompositionen wie wunderbar bunte Schmetterlinge auf einer blühenden Deutschpop-Wiese tanzen.
4 Kommentare
Wie kann man nur das Wort Mathematik in einen Albumtitel einbauen? Hat schon was, aber textlich ist da noch Luft nach oben.
Und warum müssen die Klavierhäschen immer bei der Telekom vorstellig werden. Gehts nicht mehr, ohne an einen Konzern Lieder abzutreten?
Das Wort Mathematik in diesem Zusammenhang finde ich auch etwas unpassend. Aber dass die Frau auch ab und zu Geld verdienen muss und deshalb auch mal bei Werbung mitwirkt, finde ich verständlich. Wenn der große Erfolg da ist, wird sie das nicht mehr nötig haben.
Ich habe Anna Deppenbusch bei 3nach9 im NDR gesehen (15.04.2011) - ich finde, die Frau hat eine tolle Ausstrahlung, ein sehr sympathisches Lächeln, und man sieht ihr ihre Lebensfreude, ihren wachen Geist und ihre Freude und Glück beim Singen an (sie hat dort live "Tim liebt Tina" vorgetragen). Sie hat mich als Person sehr beeindruckt!
Oh, eine Künstlerin, die Geld nimmt für ihre Arbeit (=Lieder), um Miete, Strom, Auto zu behahlen. Pfui!
Mal im Ernst: die Telekom-Geschichte hat sie vor ihrem Durchbruch gemacht. War ein Job. Für Musiker doch ganz normal. Es passt zwar nicht zur verpeilten Künstlerin, die einsam im Schloss vor sich hin komponiert, aber was soll es.
Die Sängerin Enya ist eine Millionärstochter und kann auf Werbung verzichten. Andere nicht.
Ich habe Anna beim Concert in Stuttgart gesehen und anschliessend bei der Autogramm-Session ein paar Worte wechseln können. Nett, freundlich, auf dem Boden geblieben. Und ja, es wurden CDs verkauft. Gut so! Habe gleich eine Special Edition mit DVD mitgenommen und direkt vor Ort signieren lassen. Das nächste Concert in Stuttgart (27.10.2012!!!) habe ich mir schon reserviert im Kalender.
Oh, eine Künstlerin, die Geld nimmt für ihre Arbeit (=Lieder), um Miete, Strom, Auto zu behahlen. Pfui!
Mal im Ernst: die Telekom-Geschichte hat sie vor ihrem Durchbruch gemacht. War ein Job. Für Musiker doch ganz normal. Es passt zwar nicht zur verpeilten Künstlerin, die einsam im Schloss vor sich hin komponiert, aber was soll es.
Die Sängerin Enya ist eine Millionärstochter und kann auf Werbung verzichten. Andere nicht.
Ich habe Anna beim Concert in Stuttgart gesehen und anschliessend bei der Autogramm-Session ein paar Worte wechseln können. Nett, freundlich, auf dem Boden geblieben. Und ja, es wurden CDs verkauft. Gut so! Habe gleich eine Special Edition mit DVD mitgenommen und direkt vor Ort signieren lassen. Das nächste Concert in Stuttgart (27.10.2012!!!) habe ich mir schon reserviert im Kalender.