laut.de-Kritik

Popkultur ist am Arsch, aber Popmusik ist alles.

Review von

Die Erwartungen nach dem hochgewirbelten Debüterfolg sind von allen Seiten sehr groß. Demnach hielt sich meine Begeisterung gegenüber dem neuen London-Smasher "It's A Bit Complicated" von Art Brut erst mal ein wenig in Grenzen. Aber ich brauche oft etwas länger, so musste ich mir auch diese elf Songs öfter anhören, um die herzergreifenden Hits "Formed A Band", "My Little Brother" oder "Emily Kane" zu erkennen.

Die begnadeten und herrlich nachvollziehbaren Texte von Eddie Argos berühren wie zuvor. "Direct Hit" spricht für sich, "Nag Nag Nag" ist mein "Top Of The Songs". Nicht nur musikalisch nagt er mit schräger Melodie kräftig am Ohrgehäuse, auch innerlich beweist er fesselndes Potenzial: "A record collection reduced to a mixed tape / headphones on I made my escape / I'm in a film of personal soundtrack / I'm leaving home and I'm never got a come back. ... / I'm learning lyrics from the CD inlay / to impress people with the stupid things I say."

Eddie findet immer wieder die richtigen Worte, lässige Aussagen, die nicht nur überzeugend klingen. Popkultur ist am Arsch, aber Popmusik ist alles. In jedem aufgenommenen Lied etwas interpretieren, etwas deuten, emotionale (Ver-)bindungen in individuell zusammengestellten Tonträgern finden. Das klassische Mixtape war und ist Thema bei Art Brut, wie man es auch den Songs "Pump Up The Volume" und "Sound Of Summer" entnehmen kann.

"People in Love" etwa bestärkt die eigenen Lebensweisheiten was die zwischenmenschliche Beziehung angeht. Wenn sein Lieblingslied läuft, lässt er die Frauen neben sich links liegen. Er hat berechtigte Angst vor einer Partnerschaft, weil man dann ja eh nur fett wird und sämtliche soziale Kontakte abbricht. Ja, so einfach echt kann Songwriting sein.

Als "St. Pauli" Fan hüpft er kreischend durch den Hamburger Stadtteil mit dem einzigen deutschen Satz auf der Zunge "Punkrock ist nicht tot"! Was genau ist hier eigentlich komplizierter geworden? Neben den alltäglichen Dingen, die man im Leben so mitbekommt, vor allem Freundinnen und besonders Ex-Freundinnen, über die uns Mr. Argos bereits auf der ersten Platte offen berichtete, gibt es nun auch gewagte musikalische Offenbarungen.

Neben reichhaltigerem Gitarren-Gewitter ("I Will Survive"), diesmal trug auch Jasper Future mehr zum Gesamtwerk bei, herrschen neuerdings Big Band-Gefühle bei den Pop-Punk-Enthusiasten. Mit triumphierender Trompete laden Ar Brut in den "Late Sunday Evening" und lassen die Rocker mal ganz anders dastehen.

Laut Eddie klingt die ganze Platte polierter und aufwändiger. Beim Schreiben der neuen Songs erinnert er sich an die zuletzt gedichteten Stücke wie "Emily Kane" oder "Rusted Guns Of Milan". Daran knüpft "It's A Bit Complicated" ganz einfach an, ein weiterer emotionaler Lebensabschnitt eines ganz normalen englischen Jungen, der nicht gerne erwachsen werden möchte und trotz Major-Deal die bodenständige Sichtweise nicht verliert. Und das ganz ohne Ironie. Fantastisch! Also, noch mal kurz zusammen gefasst: Popkultur ist am Arsch, aber Punkrock ist nicht tot. Liebe ist alles und das Leben gar nicht so kompliziert! Mixtape, hurray! Art Brut -Top Of The Pops!

Trackliste

  1. 1. Pump Up The Volume
  2. 2. Direct Hit
  3. 3. St Pauli
  4. 4. People In Love
  5. 5. Late Sunday Evening
  6. 6. I Will Survive
  7. 7. Post Soothing Out
  8. 8. Blame It On The Trains
  9. 9. Sound Of Summer
  10. 10. Nag Nag Nag Nag
  11. 11. Jealous Guy

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