laut.de-Kritik
Endlich: Peter Dohertys Genie blitzt wieder auf.
Review von Andreas BättigNachdem sich Pete Doherty nach Paris zurückgezogen hatte, um an seiner Solokarriere zu basteln, hatte man ein neues Babyshambles-Album eigentlich nicht mehr auf dem Plan.
Doch so ruhig es die letzten sechs Jahre um die Band war, so fulminant gestaltet sich nun ihre Rückkehr. Denn "Sequel To The Prequel" hört sich an, als ob Peter, Drew, Mick und Adam Falkner – der neue Drummer - in den vergangenen Jahren nichts anderes gemacht hätten, als gemeinsam jeden gottverlassenen Club auf der Welt abzuklappern, um so ihren nonchalanten Rock'n'Roll zu verfeinern. Da klingt kein Gitarrenriff unpassend, keine Songzeile schräg. Fast jeder einzelne Song dieses Albums ist bis ins kleinste Detail abgestimmt – ohne dabei überproduziert zu wirken.
Genau das stand nämlich zu befürchten, als die erste Single-Auskopplung "Nothing Comes To Nothing" – der schwächste Song des Albums notabene – erschienen ist, der so clean klang wie kaum ein Babyshambles-Song zuvor. Als ob irgendein ein Starproduzent die unbändigen Lausbuben um Doherty gepackt und sie durch die grenzenlosen Möglichkeiten der Musikbearbeitung geepresst hätte, um dem Album Struktur zu verleihen.
Genau das Gegenteil stellt "Sequel To The Prequel" dar: Einmal mehr hatte Stephen Street (Blur, The Smiths) seine Finger im Spiel. Er ließ der Band Raum, sich zu entfalten. Und so klingen manche der Songs, als hätte man einfach mitten im Proberaum Mikrofone aufgestellt.
Dabei sind Drew McConnell (Bass) und viel mehr noch Mick Whitnall (Gitarre) nicht einfach nur Beigemüse des extrovertierten Frontmanns. Whitnall flankiert Doherty dermaßen subtil, aber gleichzeitig auch mit einer gewissen komplexen Eigenständigkeit, wie man es ansonsten nur von Gitarristen wie Johnny Marr kennt.
So legen Peter und Co. mit "Fireman" gleich von null auf hundert los. Ein Song, der an die guten alten Libertines-Zeiten erinnert: Schnelle Riffs, keine Schnörkel, 1:42 Minuten lang, Punk, ein Sturm, 100 Prozent Doherty. Aber dann verlieren sich die Engländer zum Glück in ihrem gewohnt unsteten und verspielten Stil, der im Gegensatz zu ihren Vorgänger-Alben deutlich weniger nuscheliger klingt. Der nämlich wie bei "Farmers Daughter" auch mal ziemlich hymnenhaft daherkommen kann.
Zwar eröffnet eine Akustik-Gitarre mit schweren Riffs den Song recht singer-songwriter-mäßig, doch dann holt Doherty so richtig aus und überführt das Stück überraschenderweise in einen Mitsing-Popsong. Doherty als Popsänger? Es funktioniert.
"Maybelline" präsentiert sich interessanterweise wie ein typischer Dirty Pretty Things-Song und das liegt nicht nur an der Textzeile "Bang, Bang, I am gone". Bei "Dr. No" kommt verrauchtes Bar-Feeling auf, das die Babyshambles so gerne rüberbringen. Ska- und Reggae-Einflüsse tauchen auf und Doherty singt dazu mutmaßlich über sich und sein Umfeld: "I'm a lonely boy, I got no money in my pocket / And I'm a proud man anyway, so what of it? (...) And there is only one thing I have learnt throughout the distances we travel / And that is: That there are sharks in the water and the water's deep."
Richtig tief frisst sich als Abschluss des Albums "Minefield" ins Hirn. Einer der besten Babyshambles-Songs überhaupt, der locker in der "Pipedown"-Liga spielt. Es knarzt, knackst und raschelt zu Beginn, eine mystische Stimmung, ein glasklares Gitarrensolo setzt ein, Doherty performt fokussiert und verträumt zugleich die Lyrics drüber: "So shut your mouth, look at your tongue it's hanging out / As you whistle down the wind from the north down the south". Der Song gipfelt in einem kräftigen Refrain, bei dem die verzerrten Gitarren fiepen und Doherty tief aus seinem Innern mahnt: "It is a minefield out there." Und wer könnte so etwas besser wissen als er?
Nach all den Eskapaden, nach all den Schlagzeilen zeigt "Sequel To The Prequel" eines immer deutlicher: Peter Doherty ist kein abgefuckter Drogenjunkie, der zwischendurch mal begnadete Songs schreibt. Er ist ein talentierter Musiker, der zwischendurch halt mal Drogen nimmt.
8 Kommentare mit 6 Antworten
Das Album weiß zu gefallen. Recht abwechlsungsreich geworden.
Nach mehreren Durchläufen bestätigt es sich. Die oben erwähnte fulminante Rückkehr ist absolut geglückt.
Meine ausführlichere Kritik, die diesen Kommentar sprengen würde, findet ihr hier:
http://platten-blog.de/babyshambles-sequel…
Pipe"t"own-Liga?
Schön wärs. muss ich mir auch mal geben .
Da man leider nicht Kommentare zu Kommentaren kommentieren kann (klasse Satz, wa?), kommt Anwort halt auf diesem Wege:
Ich finde es ja echt schön, dass Du einen so briet gefächerten Musikgeschmack hast, aber bei mir gehen QOTSA, White Stripes und Babyshambles auf der einen Seite und Afrika Bambaata und Gangsa Rap auf der anderen Seite einfach nicht zusammen. Sorrry.
Wie heißt es so schön (auch wenns nen Bart hat):
Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein.
Pfft, also mein Musikgeschmack reicht von "Das MUSST du dir anhören! bis zu "Ja, ich weiß, bitte verurteil mich nicht dafür"...
Lebe das Leben wie einen guten Film, dann bist du ewig auf der Suche nach dem perfekt zusammengestellten Soundtrack. Jede Situation lässt sich je nach Stimmung mit einem Song perfekt unterstreichen oder auch völlig ad absurdum führen. Heute starte ich den Tag mit Devotchka, morgen mit Miles Davis, am Sonntag mit Goldfrapp und am Montag vielleicht mit Slipknot, oder vielleicht auch Olli Banjo, Stockhausen oder Mussorgsky - nur um meine Nachbarn zu dissen, versteht sich
Bin da auf Seite derer, die sich einfach aus allem das für sie Beste raus picken. Mal ganz abgesehen davon, dass der Kritikpunkt nicht wirklich darin bestand, dass du, mad dog, nichts mit Hip Hop anfangen kannst. Dann allerdings keine Meilensteine aus Genres zu akzeptieren, die nicht direkt im Umfeld des Rock angesiedelt sind, ist einfach engstirnig.
Musik hat sich auch in andere Richtungen entwickelt, wieso also sollten hier die Meilensteine aus Rock/Pop etc eine höhere Daseinsberechtigung haben, als im Hip Hop?
@ mad dog: Dir muss Gangtsa Rap ja nicht gefallen. Nur hat Afrika Bambaataa mit Gangta Rap halt null zu tun. (Ich geh mal davon aus, dass Du dir den Track angehört hast, den ich gepotstet hab) Ich sag ja nicht, dass Du auf einmal Haftbefehl oder Kollegah gut finden musst... Du musst ja nicht mal Afrika Bambaataa gut finden. Aber der Meilenstein war berechtigt. Punkt.
@ Soulburn und Morpho: Danke dafür
Musikgeschmack sollte sehr breit gefächert sein und in einigen Bereichen Tiefen haben. Sparten-Hörnchen entgeht einfach zu viel.
Wird sich gleich angehoert. Petes Start bei Fireman ist ja mal geil. Einer der schlechtesten Saenger. Und das ganz positiv gemeint. Der britische Wolfgang Wendland.
CD kam heute, 1x durchgehört, bei 4 songs auf wiederholen gedrückt...
Empfehlung: kaufen!
obwohl nicht ganz vergleichbar doch besser als die arctic monkeys