laut.de-Kritik
Ecken und Kanten haben sich im Laufe der Jahre abgeschliffen.
Review von Alexander CordasEin Neunzigminuten-Konzert von Bap? Das dürfte sich Wolfgang Niedecken wohl nur in seinen Alpträumen ausmalen. Wenn das kölsche Original zur Musi mit seiner Band lädt, dann dürfen sich die Besucher über Auftritte freuen, die in allen Belangen ausufern. Die Aufnahmen zu diesem Album stammen aus der Zusammenarbeit mit einem Unternehmen, das die Songs unmittelbar im Anschluss an den Gig auf USB-Stick unters Volk brachte.
Bob Dylan-Zitate in Musik und Wort zum Beispiel übten schon immer eine faszinierende Anziehungskraft auf Niedecken aus. Diese poetische Schlagseite spiegelt sich auch auf der aktuellen Live-Scheibe der Kölner wider. Mit ein paar zusätzlichen Tracks und etwas Sound-Politur versehen fanden die Lieder so ihren Weg auf "Live Und In Farbe".
Etwas ungewöhnlich deshalb, da die Tour immer noch läuft. Potenzielle Konzertgänger können sich so bereits im Vorfeld anhören, wie Bap Anno 2009 klingen. Überraschungen gibt es in dieser Hinsicht aber keine.
Die ehedem noch vorhandenen Ecken und Kanten haben sich im Laufe der Jahre abgeschliffen. So klingt zum Beispiel ein Song wie "Eens Em Vertraue", der vor Urzeiten auf "Für Uszeschnigge" charmant rumpelig daher polterte, in der vorliegenden Version doch recht lahm und eine Spur zu routiniert.
Dieses Urteil trifft auch auf viele andere Songs zu. Negativ? Nicht unbedingt, denn dass sie aus Schludrigkeit einfach ihr Set herunter nudeln würden, kann man den Kölnern kaum vorwerfen, wenn man mal von Songs wie "Kristallnaach" oder "Verdamp Lang Her" absieht.
Doch ein Bap-Konzert ohne die eben schon lange totgenudelten Evergreens würde dem Hit-Verlangen des Publikums auch nicht entsprechen. Immerhin hat die Band derart viele Bonbons im Back-Katalog versteckt, dass auch live immer wieder das ein oder andere länger nicht gespielte Kleinod zutage tritt.
Eine kumpelige Publikumsnähe ist bei diesem Heimspiel in Colonia des Öfteren heraus zu hören. Die offenbart sich aber nicht in schleimiger Anbiederung. Vielmehr tritt in den - wie immer launigen - Ansagen stets zutage, dass sich Niedecken bemüht, mit den Anwesenden auf Augenhöhe zu kommunizieren.
Lustig auch, dass das Palaver zwischen den Songs in der Trackliste separat anwählbar ist: bei "Begrüßung" und "Bandvorstellung" handelt es sich nicht um unveröffentlichte Tracks.
Satt über die Dreistundengrenze rauscht die Spielzeit dieser opulenten und charmant aufgemachten Aufnahme im Dreierpack. Das Booklet gibt noch ein wenig Aufschluss über die näheren Umstände des mitgeschnittenen Gigs. Und die zeugen von einem souveränen Wolfgang Niedecken, der anscheinend mit sich, seiner Band und seinem Publikum im reinen ist.
Dass er und seine Combo keinen Gedanken ans Aufhören verschwenden, kann man unter diesen Umständen nur begrüßen.
3 Kommentare
Der Vorteil dieser Live CD ist eindeutig, dass die Liveaufnahmen im Studio lediglich neu abgemischt wurden, auf Overdubs und Soundverbessernden Schnickschnack aber verzichtet wurde. Nach über zehnjähriger BAP-Abstinenz freue ich mich nach mehrmaligem anhören der CD sehr auf das Konzert am Samstag!
Einige Versionen der angeblich routiniert dargebontenen "Evergreens" gefallen mir auf "live und in farbe" sogar besser als zuvor (z. B. Ens im Vertraue", besonders aber "Bahnhofskino" und "Kristallnaach"). Mich wundert es selbst, dass ich Major an keiner Stelle (mehr) vermisse. Der direkte Telecaster-Röhrensound von Helmut Kruminga hat mich schon damals auf der Wolf Maahn "Libero"-CD überzeugt (eine der überzeugendsten deutschsprachigen ROCK-Alben überhaupt) und ist hier an vielen vielen Stellen wiederzuentdecken.
bap sind für mich schon ein phänomen.
diese stetig gleichzeitige präsenz von muffig konventionellen rock langweilern und sehr interessanten songs verstehe ich bis heute nicht.
@dein_boeser_Anwalt («
diese stetig gleichzeitige präsenz von muffig konventionellen rock langweilern und sehr interessanten songs verstehe ich bis heute nicht. »):
Das geht mir ehrlich gesagt ähnlich! Aber für Aussenstehende ist diese Kölsche Mundart auch schwer zu verstehen. Nur tiefstes Bayrisch ist da wohl noch schwieriger.