laut.de-Kritik
Zwei Mittelfinger für die Angepassten.
Review von Dani FrommSchon allein der Umstand, dass Bbou eine unverschämt sommerliche Platte im eisigsten Spätherbst unter die Leute wirft, lässt tief blicken: Was "man" gemeinhin so macht (oder eben nicht), ist diesem Kerl schlicht und ergreifend scheißegal. Er nimmt sich viel mehr das Recht, zu sagen und zu tun, was, mit wem und wann er will.
"Idylle" lässt sich von vorne bis hinten als ein einziges Plädoyer für Individualismus, freie Entfaltung, für Entschleunigung und Innehalten, in erster Linie aber für den Spaß an der Freude verstehen. Konventionen, Stress und anderen unerfreulichen Unbequemlichkeiten erteilt der Oberpfälzer eine unmissverständliche Absage.
Dazu, sich auf gar keinen Fall verbiegen zu lassen, gehört der Entschluss, zu rappen, wie der bajuwarische Schnabel gewachsen ist. Gehört werden will Bbou schon. Wortwörtlich verstanden werden dagegen, ist ihm offenbar lange nicht wichtig genug, um dafür seine breite Mundart zu opfern. Bbou serviert "des, wos in mir drin is", so, wie es in ihm drin ist.
Nach einer gepflegten "Aromatherapie" lassen sich Erwartungen gaaanz entspannt zur Seite schieben. Bbou feiert die kleinen Freuden des Lebens: Das MacBook zuklappen, die "Idylle" vor der Haustür genießen, Freunde treffen, feiern, den Oberpfälzer Mädels hinterhergeiern, ein bisschen "Ganja Shit Ganja" (pur, ohne Tabak!), dabei niemals das Wesentliche, die Gaudi, aus den Augen verlieren. "Hauptsach', es unterhalt wen." Das alles klingt nach einem schwer geerdeten Typen.
Trotzdem blitzt immer wieder durch, dass das nicht immer so war. Um sich ausmalen zu können, wie gefangen, eingeschränkt und unverstanden sich ein kleiner Freigeist in einer doch oft arg konservativ geprägten, bayerischen Dorfgemeinschaft vorkommen muss, müsste man noch nicht einmal selbst in einem solchen Kaff groß geworden sein. Dass ein solcher Träumer auch leicht an einem rigiden, Auswendiglerner und Fachidioten produzierenden Schulsystem hätte zerbrechen können, schreit aus allen Zeilen von "A Hos, A Katz" oder "Eigentlich".
Bbou ist nicht zerbrochen, er muss irgendetwas richtig gemacht haben. Deswegen kann er sich nun gelassen über die Hektik wundern, von der sich - "Wous Ner Hiwolln"! - alle anderen ihren Tagesablauf aufzwingen und die Lebensfreude aussaugen lassen. Er kann für sich selbst konstatieren: "Alles Rosig" und zusammen mit Kollegen Kiste "Wey A Minsi", die wohl bekiffteste Nummer von allen, in die laue Landluft pusten. Von der verspulten Hippieattitüde sollte man sich aber bloß nicht einlullen lassen: In Bbou steckt ein messerscharfer Beobachter, der ein Original wie den "Oxnsepp" genau so zu packen bekommt wie die torschlusspanikgetriebene Jungfer in "Lernst An Mo Kenna".
Eigentlich fast schon überflüssig, überhaupt zu erwähnen, dass Bbou auch bei der musikalischen Untermalung auf gerade regierende Trends pfeift. Deshalb reicht die Palette hier von dicken, wuchtigen Bässen ("So A Netter") über leicht schlurige Gitarren ("Aromatherapie") bis hin zu den Streichern, zu denen schon CeeLo Green artig fragte: "Mother, may I?" ("Wous Ner Hiwolln").
"Alles Rosig" setzt ebenfalls auf soulige Streicherklänge, während sich "A Hos, A Katz" mit seiner hüpfenden Melodie gefährlich weit auf Hütten-Hausmusi-Terrain vorwagt. Zum kratzig-knisternden Loop und dem Klimperklavier aus "Lernst An Mo Kenna" rappt Bbou dann schon kaum noch, sondern verfällt in melodischen, fast schon karibisch gefärbten Singjay-Style.
Einer, der sich entschlossen hat, dem System der Angepassten neben dem Spiegel auch noch einen bis zwei gestreckte Mittelfinger vorzuhalten, kann ohnehin machen, was er will. Sofern man schafft, sich irgendwie mit Bbous Rübenbauern-Dialekt zu arrangieren, macht seine "Idylle" einen Heidenspaß. Nicht obwohl sie für weite Teile des doch eher im Gleichschritt trottenden Deutschrap-Publikums vermutlich ziemliche Hürden birgt. Sondern weil.
3 Kommentare mit einer Antwort
Liquid ist besser. Aber Bbou ist ein Guter.
Naja, das neueste Werk von Liquid hat schon Längen. Ich mag die Sachen die Sie zusammen gemacht haben am liebsten!
Ich mag Liquid noch etwas lieber (sehe es genauso wie virpi), aber BBou ist auch hochklasse und beweist, das Mundart-Rap inzwischen mehr als nur ein Gimmick ist
Ganz guter Review, bis Bairisch als "Rübenbauern-Dialekt" abgetan wird.