laut.de-Kritik
Queen Bey im Angriffsmodus - "bow down, bitches!"
Review von David MaurerKeine Promo ist wohl die beste Promo. Zumindest für einen Superstar wie Beyoncé. So viel Aufmerksamkeit, wie ihr neuestes Werk dank der unangekündigten Veröffentlichung erhält, hätte wohl kaum eine Kampagne erzeugen können. Die selbstbetitelte Platte bricht bei iTunes sämtliche Verkaufsrekorde - auch, weil sie dort zunächst exklusiv angeboten wurde.
So fielen natürlich auch die üblichen Interviews weg, die "Beyoncé" sicherlich als ihr bisher "persönlichstes und bestes Album" angepriesen hätten. Dem Hörer blieb also nicht anderes übrig, als sich überraschen zu lassen.
Die Überraschung lässt jedoch erst einmal auf sich warten. "Pretty Hurts" kommt mit vorhersehbarem Bombast à la "Halo" daher und bleibt auch textlich genauso oberflächlich wie die Menschen, die Beyoncé angeblich nur nach ihrem Aussehen beurteilen: "Mama said, you're a pretty Girl / What's in your head it doesn't matter".
In dem Track ausgerechnet von Mrs. Perfect den Spiegel in puncto Schönheitswahn vorgehalten zu bekommen, berührt nicht wirklich. "Perfection is the disease of a nation" - wie wahr. Die erste perfekte Radionummer steht.
Umso erstaunlicher, wie sich das Album danach entwickelt - weg von belanglosen Radiobeats, Plattitüden und Pseudo-Gesellschaftskritik. Stattdessen schneidern die Produzenten, unter denen sich auch die üblichen Verdächtigen Timbaland, Justin Timberlake und Pharrell befinden, ihr eher beyoncé-untypische, aber passende Beats auf den Leib.
Zum großen Teil bestimmen wummernde Bässe und elektronische Klänge die Songs ("Partition", "No Angel"). "Haunted" präsentiert sich mit seiner zweigeteilten Struktur sogar fast schon experimentell - gemessen an den Gefilden, in denen sich die Sängerin sonst bewegt.
Auch die Länge der Stücke unterstreicht den Eindruck, dass hier nicht einfach ein möglichst gefälliger Einheitsbrei fabriziert wurde. Mehrere Songs knacken die Fünf- oder gar Sechsminuten-Marke, was Beyoncé nicht nur für eine Variation in den Beats, sondern auch in ihrer Stimme nutzt.
Während sie in "Partition" einige Lines rappt oder mit nervenzerrend hoher Stimme "No Angel" haucht, verkündet Queen Bey in einer kraftvollen Hook, dass sie nun nicht mehr nur "Crazy In Love", sondern gar "Drunk In Love" mit Ehemann Jay-Z sei.
"I've been drinking, I've been drinking /
I get filthy when that liquor get into me" lallt Beyoncé. Da lässt sich der Jigga nicht zweimal bitten. Schnell den Slip zur Seite geschoben, und schon wird das Warhol-Bild von der Wand gerammelt: "Foreplay in the foyer, fucked up my Warhol / Slid the panties right to the side."
Später darf man sich sogar fast sieben Minuten lang anhören, wie Jay-Z mit seiner "Rocket" einen "waterfall" bei seiner Frau auslöst. Doch damit nicht genug: Dieser Softporno zieht sich durch den kompletten Mittelteil des Albums und erfüllt anscheinend einen bestimmten Zweck.
Denn statt mit feministischen Plattitüden um sich zu werfen, befasst sich Bey wesentlich geschickter, zumindest aber ausgefallener mit dem Thema. So dreht sie nicht nur in "Rocket" den Spieß um und singt Zeilen, wie sie sonst eher von ihren männlichen R'n'B-Kollegen zu hören sind.
Wäre R. Kelly eine Frau, so sähen wohl seine Texte aus: "Climb until you reach my peak babe, the peak, the Peak / And reach right into the bottom of my fountain / I wanna play in your deep baby, your deep baby, deep / Then dip me under where you can feel my river flow and flow."
Ähnlich bildhaft und ebenso eindeutig geht es in der lässigen Funk-Nummer "Blow" zu: "Can you lick my skittles? /That's the sweetest in the middle / Pink that's the flavor / Solve the riddle". Es ließe sich eine ganze Abhandlung über die versexte Symbolik in den Lyrics schreiben.
Die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie äußert sich in "***Flawless" mit erhobenem Zeigefinger wesentlich konkreter zum Frauenbild, indem sie einen Vortrag über die unterschiedliche und teilweise falsche Auffassung der Ehe hält.
Auch Beyoncé kritisiert an anderer Stelle immer wieder Schönheitswahn und Oberflächlichkeit, was sie aber nicht davon abhält, sich wenig später selbst auf ihr Äußeres zu reduzieren: "We flawless, ladies tell 'em / Say 'I look so good tonight'".
Gerade diese Ungereimtheiten sind es aber mitunter, die das Album interessant machen. Ob sie sich nun bewusst oder unfreiwillig widerspricht, ob sie provozieren will oder die Texte gar überhaupt keine Message haben - das sexistisch-feministische Wirrwarr geht auf und kann durchaus dazu anregen, genauer hinzuhören.
Am meisten überrascht jedoch die Tatsache, dass sich unter den genannten Nummern kein wirklicher Chartbreaker findet. Trotz hochkarätiger Features fügen sich "Mine" (mit Drake) und das minimalistische "Superpower" (Frank Ocean) perfekt ins Album ein, beweisen auf Anhieb aber wenig Hitpotenzial.
Nicht als Albumkünstlerin, sondern durch eben solche Megahits hat sich Beyoncé bisher jedoch ausgezeichnet, was leider dazu führt, dass ihr neuestes Werk schließlich doch den ein oder anderen schmalzigen Radiosong aufgezwungen bekommt. Neben "Jealous" und dem Opener "Pretty Hurts" trifft das vor allem auf das genauso nervig pompöse "XO" zu. "Halo" lässt erneut grüßen.
Es geht aber noch schlimmer: Irgendwann einmal darf sich Tochter Blue Ivy damit brüsten, schon im Alter von nicht einmal zwei Jahren auf Mamas ohnehin schon öder Ballade "Blue" "mitgewirkt" zu haben - mit Babykichern und "Mommy"-Rufen. Total süß, oder...?
Die aufgesetzten Pop-Songs wollen so gar nicht auf das Album passen und stören den sonst guten Gesamteindruck. Sonderlich innovativ ist der Electro-R'n'B aus der Feder von Timbaland und Co. zwar nicht, die fetten Bässe und Tempowechsel überzeugen aber trotzdem.
Außerdem zeigt sich Beyoncé mit ihren selbstbewusst widersprüchlichen und expliziten Texten erstaunlich angriffslustig. Würde diese Wirkung nicht durch die laschen Radiosongs abgeschwächt werden, könnte Beyoncé mit diesem Album tatsächlich vor die Konkurrenz treten und rufen: Queen Bey kommt, "bow down, bitches!"
19 Kommentare mit 28 Antworten
"Mama said, you're a pretty Girl / What's in your head it doesn't matter".
"I've been drinking, I've been drinking /
I get filthy when that liquor get into me" lallt Beyoncé. Da lässt sich der Jigga nicht zweimal bitten. Schnell den Slip zur Seite geschoben, und schon wird das Warhol-Bild von der Wand gerammelt: "Foreplay in the foyer, fucked up my Warhol / Slid the panties right to the side."
Später darf man sich sogar fast sieben Minuten lang anhören, wie Jay-Z mit seiner "Rocket" einen "waterfall" bei seiner Frau auslöst.
Wäre R. Kelly eine Frau, so sähen wohl seine Texte aus: "Climb until you reach my peak babe, the peak, the Peak / And reach right into the bottom of my fountain / I wanna play in your deep baby, your deep baby, deep / Then dip me under where you can feel my river flow and flow."
Ganz großes Tennis!
was für ein cover für ein beyonce-album.
Ist ihr Black Album, ey! Voll der Meilenstein und so!
hmm und rein zufällig wo Lordes Platte so eingeschlagen ist und alle Musik Fachblätter das Cover lobten..
Find ich schön dass sie der ersten deutschen Castin Band einen Song widmet
Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.
Dieser Kommentar wurde vor 10 Jahren durch den Autor entfernt.
Hat bis heute nichts von seinem Glanz verloren.
Balladen sind klare skipfälle. Die Aggressiven Song dagegen - erste Sahne. Siehe Flawless oder Partition (that bass)