laut.de-Kritik

Nostalgie und Indie-Klänge ergeben die perfekte Herbst-Stimmung.

Review von

So sieht es aus, wenn eine Band nach gefühlten Ewigkeiten beschließt, wieder Musik zu machen – und dabei ihren 2000er-Charme nicht verloren hat. Bôa melden sich nach fast 15 Jahren mit einem neuen Album zurück, das ganz im Stil ihres Hits "Duvet" daherkommt, ohne sich dabei in Nostalgie zu verlieren. Auf 13 Tracks zeigen Bôa eindrucksvoll, dass sie nichts verlernt haben. Mit verträumten Sounds und der kaum gealterten Stimme von Jasmin Rodgers verzaubern sie die HörerInnen.

Besonders "Walk With Me" sticht sofort heraus. Schon nach dem ersten Hören bleibt die Melodie im Kopf kleben und man ertappt sich dabei, wie der Fuß im Takt mitwippt. Der Song hat definitiv das Potenzial, sowohl Gen Z als auch Millennials an die Spitze der Playlists zu katapultieren. Und passend zur Jahreszeit bringt das gesamte Album pure Herbststimmung mit sich: Nebel, Regen, Tannenwälder – man kann den Duft von feuchtem Moos und Pilzen förmlich riechen. Tracks wie "Beautiful & Broken", "Worry", "Strange Few" und "Shadow" klingen genau so, wie sich ein Spaziergang durch verregnete Wälder anfühlt. Wer die "Twilight"-Saga kennt, weiß genau, was ich meine – diese melancholische, mystische Atmosphäre, die einen mitten ins Herz trifft. Paramore-Vibes inklusive!

Aber genug von der Stimmung – das Album hat auch lyrisch einiges in petto. Während viele KünstlerInnen heute ihre Botschaft fast schon auf einem Silbertablett servieren, bleiben Bôa subtiler. Hier reicht es nicht, einfach nur zuzuhören, man muss sich schon etwas mehr Mühe geben. Die Texte bewegen sich auf einem Niveau, das heutzutage selten geworden ist. Ein Paradebeispiel dafür ist "Frozen".

Der Satz "And your frozen heart has broken mine and I'm burning cold inside" (Und dein gefrorenes Herz hat meines gebrochen, und ich brenne kalt innerlich) verdeutlicht eine tiefgreifende emotionale Zerrissenheit. Die Formulierung "I'm burning cold inside" ist ein Oxymoron, das den inneren Konflikt der Figur widerspiegelt: Ein intensiver, brennender Schmerz wird von einer gleichzeitig empfundenen emotionalen Kälte und Leere begleitet. Dieses Gefühl durchdringt das gesamte Lied. Rodgers zieht die ZuhörerInnen in den Abgrund unerwiderter und gescheiterter Liebe. Auch gesanglich, indem sie mit langgezogenen Tönen und schmerzhaft wiederholten Phrasen arbeitet.

Auch "Whiplash" greift ein ähnliches Thema auf. Der Refrain wiederholt sich fünfmal, was die Botschaft eigentlich unmissverständlich erscheinen lässt, oder? Weit gefehlt! "Sometimes it hurts. Take me as I am. Sometimes it hurts. Take me as I bleed." Erst mit dem Musikvideo wird der Text greifbarer: Ein Mann im Anzug durchlebt noch einmal die Höhen und Tiefen seiner vergangenen Beziehung – all die schönen Momente, aber auch die dunklen Seiten. Am Ende taucht eine andere Frau in seiner Vorstellung auf und durchbricht die Erinnerung. Der erste Teil des Refrains könnte für die gescheiterte Beziehung stehen: "Manchmal tut es weh, nimm mich wie ich bin", während "Manchmal tut es weh, nimm mich wenn ich blute" für die nächste Beziehung steht, die er trotz des Trennungsschmerzes eingeht.

Was das Ganze jedoch mit einem Schleudertrauma zu tun hat? Tja, da bin ich selbst überfragt. Vielleicht fühlte sich die Albumproduktion ja genau so an: Jasmin Rodgers studierte zwischenzeitlich Zoologie, Alex Caird widmete sich der Malerei und unterrichtete Musik, und Lee Sullivan genoss die Ruhe seines Privatlebens. Und dann – zack! – zurück ins Rampenlicht. Wenn das kein Schleudertrauma ist, weiß ich auch nicht!

Was definitiv kein Schleudertrauma verursacht, ist die musikalische Struktur des Albums. Vielleicht liegt das daran, dass die Band jetzt auf drei Mitglieder geschrumpft ist – weniger Leute, mehr Fokus. "Whiplash" folgt einer klaren, durchdachten Linie aus stimmig arrangierten und angenehm entspannten Indie-Klängen. Alles ist präzise abgestimmt, ohne je langweilig zu werden. Während Bôa mit "Duvet" als Titelsong eines Animes in Japan Erfolge feierten, lässt sich jetzt mit Sicherheit sagen: Diese Band ist kein One-Hit-Wonder, und ihr Comeback war längst überfällig. Willkommen zurück!

Trackliste

  1. 1. Let Me Go
  2. 2. Crawling
  3. 3. Walk With Me
  4. 4. Beautiful & Broken
  5. 5. Prelude
  6. 6. Frozen
  7. 7. Vienna
  8. 8. Worry
  9. 9. Whiplash
  10. 10. Strange Few
  11. 11. Seafarer
  12. 12. I Don't Know
  13. 13. Shadow

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