laut.de-Kritik

Dieses Taxi fährt in die richtige Richtung.

Review von

"Vereinfachen!", proklamieren Axel Bosse und Deutschrock-Kollege Sebastian Madsen im Duett. Mit sanfter Klavierbegleitung und trivialem Ohrwurm-Refrain beschwören sie die Selbstbesinnung inmitten des Glitzerpomps der Stadt. Wunderbar, wie hier Form und Inhalt Hand in Hand gehen: Nur wer sich das Wesentliche verinnerlicht, findet in all dem Trubel ein erfülltes Leben. "Denn Liebe ist leise, und alles hier ist laut", wie es an anderer Stelle treffend heißt.

Im "Taxi" nimmt sich der Hamburger Songschreiber eben dieses Credo zu Herzen. Er hat lange pausiert, intensiv an seinen Stücken gefeilt, Unplugged-Gigs gespielt und in der Reduktion den Weg zu sich selbst gefunden. Die wuchtigen Rockbretter der beiden Vorgänger klingen hier nur noch verhalten an, stattdessen dominieren Akustikgitarren, Piano und Streicher. Dieser Authentizitäts-Gestus lehnt sich durchaus an Melancholie-geprägte Kollegen wie Kettcar und PeterLicht an. Er prägt das Werk und jeden der zwölf Titel.

Auf seiner Reise ins Innerste ist eine Durchquerung tiefer Täler unvermeidlich. So steht mit der ersten Single "3 Millionen" ein sehr nachdenkliches Stück am Anfang. Äußerst treffend beschreibt es die Gefühls- und Umwelt eines Großstadt-Melancholikers. Dessen Suche nach einer verwandten Seele in der tristen Routine schildert Bosse in kurzen, aufeinanderfolgenden Stichworten. Sofort ziehen die Bilder wie ein Film am inneren Auge vorbei, schaffen Assoziationen. Hier spricht gerade das Nicht-Gesagte Bände.

Anschließend springt "Sommer Lang" mit Akustikgitarre und ruhiger Percussion für den Optimismus in die Bresche. Leider bleibt hier in musikalischer Hinsicht alles banal und monoton. Die einfache Melodieführung will nicht so recht zünden, und auch die Lyrics bleiben eher oberflächlich: Bosse kredenzt den abgenutzten Ausspruch "Every day is like a new beginning" in Mantra-artiger Häufigkeit.

Dieses Manko macht er jedoch gleich darauf mit "Gegen Murphy" wieder wett. Sein Plädoyer gegen das Murphysche Gesetz ("Alles was schief gehen kann, wird schief gehen") präsentiert sich abermals sehr akustisch. Diesmal sind auch ein paar Streicher mit von der Partie. Mit deren Hilfe entsteht ein wahrlich ergreifendes Stück.

Das sanft von Klaviertupfern umspielte "Irgendwo Dazwischen" vermittelt zum Ende hin noch einmal Aufbruchsstimmung. Einfühlsam und bewegend erzählt der Hamburger von einem Abschied auf immer. Die abschließenden Tracks "Matrosen" (energisch) und "Augen Schließen" (balladeske Hymne) gehen erneut tief nach innen ("Wenn ich meine Augen schließe, dann will ich nur dich sehn"). Das Taxi fährt also auf jeden Fall in die richtige Richtung. Bei Gelegenheit zusteigen bitte.

Trackliste

  1. 1. 3 Millionen
  2. 2. Sommer Lang
  3. 3. Gegen Murphy
  4. 4. All Die Dinge
  5. 5. Tanz Mit Mir
  6. 6. Liebe Ist Leise
  7. 7. Vereinfachen feat. Sebastian Madsen
  8. 8. Die Kunst Des Verlierens
  9. 9. Alter Strand
  10. 10. Irgendwo Dazwischen
  11. 11. Matrosen
  12. 12. Augen Schließen

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Bosse

Poprock aus Braunschweig - das konnte, das musste ja eigentlich schief gehen. Nicht nur für Axel Bosse selbst kann das Gras gar nicht schnell genug über …

10 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    endlich wieder was vom guten axel. für mich ein irgendwie viel zu unterschätzter künstler. ich mag die musik, die texte.

    erscheint am 6. februar

    album kann man ja in voller länger auf myspace anhören, gelunge rezension eines amazonkunden:

    1. 3 Millionen: Die erste Singleauskopplung erzählt von zerplatzen Liebesträumen und gebrochenen Herzen. Nach "Stadtastronauten" vom Debüt sowie "Wenn wir schlafen" und "Guten Morgen Spinner" vom zweiten Album ist "3 Millionen" wieder eine Hommage an Berlin. Dabei ist der Braunschweiger Bosse doch mittlerweile eingebürgerte Hamburger... Mal sehen, ob er auf dem vierten Album endlich mal die Hansestadt besingt. Wäre doch so einfach gewesen, wenn er den Song "2 Millionen" genannt hätte ;-)

    2. Sommer lang: Der erste Bosse-Song mit einer englischsprachigen Zeile im Text. "and every day is like a new beginning"....Na, wenn das mal nicht positiv ist.

    3. Gegen Murphy: Spätestens bei Übergang zum Refrain wippt der Fuß. Ein Song über Glück und, dass nicht immer alles schief gehen muss.

    4. All die Dinge: Ein Song über Selbstreflexion und ein Blick zurück auf das bisherige Leben.

    5. Tanz mit mir: Bosse bittet in seinen Ansagen bei allen Konzerten zum Tanz. Bisher nur in seinen Ansagen, jetzt mit einem ganzen Song. Ich habe ihn beim Konzert im Vorprogramm von Madsen gehört und das Publikum nahm die Aufforderung gerne und dankbar an.

    6. Liebe ist leise: Das Leben als Rockstar hat auch so eine Schattenseiten und dieser Song spricht jedem Musiker in einer festen Beziehung aus der Seele.

    7. Vereinfachen feat. Sebastian Madsen: Bosse und Madsen scheinen sich zu mögen. Erst gehen sie gemeinsam auch Tour, dann taucht Axel im Video der Madsen-Single "Liebeslied" auf, jetzt singt er mit Sebastian Madsen im Duett über den Verfall der Musikindustrie.

    8. Die Kunst des Verlierens: Dies ist einer der oben erwähnten Songs, die erst später bei mir zündeten. Aber: besser spät als nie!!

    9. Alter Strand: Wer kennt das nicht? Da gibt es diesen alten Schulfreund, den man aus den Augen verloren hat. Einst gefeierte und hochgelobte Seelenverwandschaften haben sich aufgelöst und die jeweiligen Leben haben sich einfach auseinander gelebt. Zurück bleiben die Fragen, ob die Freundschaft heute immer noch so entstehen würde und ob der Lauf der Dinge so richtig war....

    10. Irgendwo dazwischen: Als einziges aus dem Programm der "Solo&unplugged-Tour" übrig geblieben. Textlich nur etwas verändert und mit kompletter Band.

    11. Matrosen: Wer einen Menschen in seinem Leben hat, an dem er für immer festhalten möchte, der findet bei "Matrosen" die richtigen Worte dafür.

    12. Augen schließen: Das Beste zum Schluss...Geht es beim ersten Song auf "Taxi" noch um die verlorenen Liebe, so ist sie bei "Augen schließen" allgegenwärtig. Uiuiui! So muss ein Liebesbrief klingen.

    wird wohl groß

  • Vor 15 Jahren

    ein, zwei songs fand ich vor ein paar jahren auch ganz nett...

  • Vor 15 Jahren

    @San-Øligrino (« album kann man ja in voller länger auf myspace anhören »):

    für's protokoll: da: http://www.myspace.com/axelbosse

    "Dein arzt hat gesagt es ist okay, aber alles tut weh!" ist schon eine schöne und zugleich traurige textzeile (aus 3 millionen)