laut.de-Kritik
Die besten Zeiten sind noch nicht vorbei.
Review von Josef GasteigerConor Oberst wurde wie kein zweiter zur traurig-ergreifenden Stimme der Unsicherheit des neuen Jahrtausends. Man dankte es ihm mit Ruhm und Ehre. Soviel Ruhm, dass er bei Bright Eyes-Platte Nummer sieben nicht einmal irgendetwas aufs Cover schreibt. Aber wer die Tonart des Volkes so beherrscht, dem sei so manches verziehen.
Zum Beispiel der Albumeinstieg. Seit jeher beginnen Bright Eyes-Alben nicht einfach, sie werden geboren. Und das dauert bekanntlich. So eröffnet diesmal das überlange "Firewall" mit einem zweiminütigen, sehr kruden Monolog über Aliens, das Universum und die Genese der Menschheit, der thematisch schon die lyrische Schlagrichtung vorwegnimmt.
Eine spannende Countrygitarre und organisch getrommelte Beats schummeln sich schichtenweise dazu, der anschmiegende Bass hält die sphärischen Synthies gerade noch so am Boden. Beim orchestralen Finale bricht der Song dann endgültig aus, auch wenn das Orchester im Nebenraum gerne noch mehr Bombast dazu gegeben hätte.
Schon "Shell Games" gibt aber die wahre Richtung des Albums vor: Kopf hoch, Blick voraus, auf zu neuen Ufern. "It's been a long winter, we got a lot in common", singt Conor Oberst im rumpelnden "Haile Selassie", bringt die Aufbruchsstimmung auf dem Punkt. Der Winterschlaf der Bright Eyes ist vorbei, der Frühling kommt in Form vermehrter Melodien, die nach dem dritten Durchlauf zünden, dann aber ordentlich.
Musikalisch gefiel es ihm auf dem Pfad des Vorgängers und der Soloalben sichtlich so gut, dass er ihn nicht so schnell verlassen möchte. Rüttelnde Percussion, erdige Gitarren und immer wieder vereinzelte Keyboard-Flächen erfassen die gewohnt zitternde Oberst-Stimme. Das große Orchester bleibt bis auf "Firewall" meist draußen, zum Bright Eyes-Mix gesellt sich höchstens ein höherer Grad an Spiritualität, die sich zum Beispiel in "A Machine Spiritual (In The People's Key)" immer wieder poppigste 60er-Melodien auf die Flügel lädt und damit manch pathosschwangere Zeile gerade noch vom Übergewicht befreit.
Dieses Pop-Verständnis hört man ebenso auf "Triple Spiral", dessen verzerrte Gitarren Obersts Prophezeiung vom bisher rockigsten Album endlich einlösen. Auch "Beginner's Mind" ist zu aufgekratzt, um noch als Lagefeuer-Musik durchzugehen. Dafür taugen heute nur mehr einige Passagen, nicht mehr Albumhälften.
Der Gang in noch höhere Dezibelbereiche wie im Intro von "Jejune Stars" wirkt bewusst provokant, fast als trotziger Zeigefinger. Und wenn er wenige Augenblicke später durchaus genervt singt: "I used to dream from a time-machine, it's been said we're post-everything", wird sein Umgang mit den Hoffnungen der jungen Songwriter-Generation mehr als deutlich.
Trotzdem hängt man ihm noch immer an den Lippen. Die intime Verletzlichkeit ist vollends einem offenerem Sound gewichen, die Oberst'sche Verzweiflung taucht eigentlich nur mehr auf dem "Ladder Song" auf. Mitreißend wirkt er nämlich mittlerweile in den treibendsten Indie-Folksongs, die stets leicht auf Pop schielen und wie immer mit Singer/Songwriter und Country-Garben aufgefettet werden. Conor ist hier mit sich selbst im Reinen, steht abfahrbereit am Ufer.
So entwickelt sich das Album zu einer Bestätigung, allen noch einmal so richtig zu zeigen, dass Erwartungen nicht Conor Obersts Ding sind. Ob "The People's Key" tatsächlich die letzte Bright Eyes-Scheibe sein soll, bleibt im leeren Raum neben Gitarre und Piano stehen. Die besten Zeiten sind hörbar noch nicht vorbei, trotzdem klingt es wie ein würdiger Abschied eines alten Freundes.
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Ein Blick auf die Deluxe Edition, direkt aus Omaha importiert: http://jederbeatlessong.blogspot.com/2011/…