laut.de-Kritik

In der Kampfzone zwischen Hardcore und Diskursrock.

Review von

"Durch all den Nebel und durch all den Applaus schicken wir dir dieses Herz in dieser Schachtel" singt die Münchener Band Candelilla auf ihrer zweiten Platte. Was hingeschrieben wie eine schmalzige Schlager-Songzeile wirkt, bringt die ungemein drängende Rockmusik von "Heart Mutter" aber tatsächlich auf den Punkt: Candelilla graben sich hier mit aller Kraft und allem Verstand zu ihrem Kern, ihrem Herz vor.

Dass damit kein Pralinenherz in rotem Papier gemeint ist, zeigen die durchnummerierten Songs: In "23/33" löst sich grungiges Gitarrengekratze und wildes Stimmengewirr mit ruhigen Moll-Klaviertönen ab. "29" bietet alles vom Klavierintro, über eine Grunge-Bridge bis zum Sprech-Part. Das Mikro wandert unter den Band-Mitgliedern genauso umher, wie die Sprache zwischen Englisch und Deutsch wechselt.

Mira Mann (Bass, Gesang), Rita Argauer (Gesang, Keyboard), Lina Seybold (Gitarre, Gesang) und Sandra Hilpold (Schlagzeug) kämpfen in ihren Songs. Sie singen, schreien, fordern, skandieren zu viert. Die Musik springt wild umher zwischen Noise-Rock a là Sonic Youth, Post-Hardcore im Stil von Shellac und wortgewaltigem Diskursrock von Bands wie Mutter. So hat man das vorher dann aber doch noch nicht gehört. Und als würde das Quartett sich selbst nich über den Weg trauen, lässt es seine Rocksongs immer wieder in sich selbst zusammenbrechen.

So bremst das stolpernde Schlagzeug in "28" den Song zunächst aus, trotz sägender Gitarre, wütendem Gesang und dröhnendem Bass. Als gelte es, ein Monster mühsam im Zaum zu halten. Nach zwei Strophen und zwei Refrains zerbröselt der Song. Eine harte, stoische Klavier-Melodie baut ihn langsam wieder auf, bevor sich die angesammelte Spannung doch noch in einem Bilderbuch-Rock-Ausbruch entlädt.

Manchmal merkt man den englischen Texten an, dass sie aus dem Deutschen übersetzt sind, wie in "25" oder "26". Und manchmal drückt das Konzept etwas arg auf den Song, wie im inoffiziellen Titelstück "32". Die vielen Momente aber, in denen die Sperrigkeit der Eingängigkeit nicht im Wege steht, lassen das schnell wieder vergessen.

Natürlich hört man auch, dass die Band bei Steve Albini (u.a. Pixies, Nirvana, PJ Harvey, Shellac) in Chicago war: Die Gitarren klingen dreckiger, das Schlagzeug druckvoller als noch auf dem Vorgänger. Man hat den Eindruck, man stünde mitten im Aufnahmeraum.

Candelilla wissen vom Etikettenschwindel all der verzerrten Gitarren, schweißtriefenden Bässe und rasenden Schlagzeug-Sticks, auf denen in Großbuchstaben "Ich bin echt!" geschrieben steht. Und greifen trotzdem immer wieder dosiert darauf zurück, um ihr tatsächlich authentisches Anliegen rüberzubringen: mit maximalem Einsatz vom Kampf mit sich selbst zu erzählen.

Trackliste

  1. 1. 28
  2. 2. 30
  3. 3. 27
  4. 4. 32
  5. 5. 26
  6. 6. 29
  7. 7. 31
  8. 8. 21
  9. 9. 25
  10. 10. 23/33
  11. 11. 34
  12. 12. 22

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