laut.de-Kritik
Mehr Mut zu echtem Dreck!
Review von Artur SchulzIm Wunderland mögen die Lichter aus sein, nicht aber im kreativen Vermögen Carl Carltons. Sein neues Album stellt vielmehr die ideale Vorweihnachtsbescherung für den Freund gediegenen Singer/Songwritertums dar, das gekonnt und vielfältig das Terrain der klassischen US-amerikanischen Roots erkundet.
"Moonlight In New York" gefällt als handwerklich versierter Midtempo-Song mit viel Pop-Appeal. Dank Carltons kratzigem Gesang samt Bluesgitarre und schwellender Orgel umgeht er trotz seiner freundlichen Eingängigkeit niedere Rockpop-Täler geschickt und wissend.
Die "Little Men In The Radio" bleiben in diesem Fahrwasser, hier setzen besonders die souligen Backgroundchöre willkommene Akzente. Die später auftauchenden Streicher agieren dezent im Hintergrund. Der gut ausgefeilte Spannungsbogen hält das Hörvergnügen bis zum Schluss auf einem hohen Level.
Die Beatles performten mit "Strawberry Fields Forever" den wohl berühmtesten Erdbeer-Song der Musikgeschichte. Tatsächlich geht Carltons "Strawberry Letter #23" nicht nur wegen seines Titels als Hommage durch, und das höchst gelungen: Die Nummer lehnt sich nicht der Einfachheit halber nur vordergründig ans Fab Four-Original an, sondern zitiert vielmehr dezent und wirkungsvoll gleich eine ganze Menge Beatles-Sounds der Spätphase.
"Invincible" zieht neben dem vorherrschenden Midtempo erstmals die Geschwindigkeit in Richtung Rocker an und liefert dafür eine ansprechende Vorstellung ab.
Der gebürtige Friesländer schielt bei seinem Songwriting nie auf einen möglichen Singlehit, sondern präsentiert mit "Lights Out In Wonderland" ein in sich stimmiges, rundes Roots-Paket, das vor allem nach mehrmaligem Hören einen immer stärkeren Gesamteindruck hinterlässt. Neben drei Covern ("Sailin' Shoes" (Little Feat), "Rock'n'Roll Gypsies" (Roger Tillison) und "Mutineer" von Warren Zevon) befinden sich unter den 13 Tracks ausschließlich Eigenkompositionen. "Lucky Bet" komponierte Carlton noch zusammen mit Robert Palmer.
Ein höchst smart eingespielter Klassetrack glückt Carl mit "Cool My Heat". Hier fühlt er sich hörbar wohl bei seinem Ausflug in den Balladenbeat der Fifties und spielt gekonnt mit all den Versatzstücken des Genres. Resultat: Eine Nummer , die auch prächtig ins aktuelle Repertoire eines Nick Lowe passen würde. Little Feats "Sailin' Shoes" unternehmen einen munteren Americana-Ausflug inklusive Klimperpiano, Blues-Splittern, Gospelchören und einem höchst energisch intonierenden Carlton.
Noch ein Schuss mehr rüpelige Rauheit, noch mehr Mut zu echtem Dreck, und Carl Carlton machte seine deutsche Herkunft komplett vergessen. Nichtsdestotrotz ist und bleibt "Lights Out In Wonderland" ein klar überdurchschnittliches Album, das in seinen besten Momenten mehr rumpelige Bodenständigkeit bietet als so manch doch allzu routiniertes Werk aus den vereinigten Vorbild-Staaten jenseits des Atlantiks.
2 Kommentare
"Strawberry Letter #23" ist schon von 1977, von den Brothers Johnson. Nur so zur Info.
Strangers ... ist von Dave Davies/Kinks vom Lola Versus Powerman... Album!