laut.de-Kritik

Einfach nur ein nettes Album mit bekannten Jazzstandards.

Review von

"Ich beschloss, mich einmal wieder an Standards zu versuchen. Standards zu singen ist nicht einfach. Man kann sie erst singen, wenn man sie wirklich verstanden hat." Hmmm, Okay! Das ist inhaltlich zwar richtig und für die Ausführenden eventuell von tollen Gefühlen begleitet. Den erfahrenen Jazzhörer langweilt das Nudeln von Jazz-Gassenhauern jedoch!

Selbst erfahrenste Musiker schaffen es heutzutage kaum noch, dem hinreichend interpretierten Repertoire des Great American Songbook neue Facetten abzutrotzen. Weder gelang Keith Jarrett mit "My Foolish Heart" (2007) dieses Kunststück, noch gelingt es Cassandra Wilson mit "Loverly".

Natürlich setzt sie ihren rauchigen Alt nach wie vor gekonnt in Szene und die Begleitmusiker beherrschen ihr Metier. Von der schöpferischen Kraft eines "Blue Light Til' Dawn", "New Moon Daughter" oder "Traveling Miles"-Albums ist auf "Loverly" jedoch nicht mehr viel übrig. Was ist geschehen? Woher kommt die Rückbesinnung auf typische Jazzstandards? "Oh, einfach nur aus Spaß! Es ist nett, wieder eine Verbindung zu den Songs aufzunehmen. Es ist interessant, ihnen neu zu begegnen", antwortet Cassandra Wilson unbekümmert.

Ach so! Das erklärt einiges, denn "Loverly" ist tatsächlich nett. Nett anzuhören, wie Cassandra Wilson eine Verbindung zu den Songs aufnimmt, die sie "gerne mag". Mehr leider nicht! Denn schon der Interessantheitsgrad hält sich in überschaubaren Grenzen. Ja sicher, mit "Caravan" oder dem verdammt funkigen "St. James Infirmary" gelingen einige hörenswerte Interpretationen. Und das turbulent groovende "Arere" bietet gar eine eigene Komposition.

Dennoch, über das Qualitätsmerkmal "nett" kommt "Loverly" nicht hinaus, denn ihr Gänsehaut-Potential deutet Cassandra Wilson nur an. Das mit beiläufigen Arrangements versehene, hübsch vor sich hin swingende und bluesende Repertoire ist nicht der Stoff, aus dem die Träume sind. Und auch wenn sich "Loverly" für einige Ohren erfrischend gut gelaunt anhört - "leichtherzig swingt die Nummer vor sich hin, die Gitarre schrubbt lustig die Achtel, keck klimpert das Klavier" begeistert sich Josef Engels (Jazzthing) für den Opening-Track - bleibt es einfach nur ein nettes Album.

Trackliste

  1. 1. Lover Come Back To Me
  2. 2. Black Orpheus
  3. 3. Wouldn't It Be Loverly
  4. 4. Gone With The Wind
  5. 5. Caravan
  6. 6. 'Til There Was You
  7. 7. Spring Can Really Hang You Up The Most
  8. 8. Arere
  9. 9. St. James Infirmary
  10. 10. Dust My Broom
  11. 11. Very Thought Of You
  12. 12. Sleepin' Bee

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Cassandra Wilson – Loverly €20,60 €3,00 €23,60
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Cassandra Wilson – Loverly - SHM-CD €38,53 Frei €41,53

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Cassandra Wilson

Cassandra Wilson ist "Amerikas beste Sängerin", behauptet das Time Magazin. So weit würden wir nicht gehen, wir sind ja nicht bei Olympia. Cassandra …

1 Kommentar

  • Vor 16 Jahren

    Da muss ich dir wohl Glauben schenken. Ein wenig habe ich reingehört in die Songs, die man im Net so zu hören bekommt, nur halt nicht alles bzw. das komplette Album.
    Aber das wenige an Soundfiles reicht mir fast schon aus um etwas verdattert zu denken:was erlauben Cassandra? :???:
    Das soll jetzt aber bitte kein Schuss gegen verdiente große Tracks aus dem Standardrepertoire sein, die Songs selbst sind sicherlich aller Ehren wert. Nein, jetzt kein "aber" und keine Bemerkung in Sachen "von so vielen Interpreten schon durchgenudelt". :sweat:

    Ein Gedanke dabei, der kommt eigentlich immer: braucht sie einen Batzen Kleingeld?
    Da ich die Musik von Miss Wilson (tolle Alben hast Du schon genannt) seit einer Reihe von Jahren kenne und sehr sehr schätze, bin ich doch ziemlich überrascht, daß sie sich auf ein solches Projekt eingelassen hat.
    Man möchte ihr gerne glauben, daß sie einfach einmal sowas wie ein "Easy Album" bringen wollte, so aus Spass an der Freud.
    Aber das wiederum scheint mir für sie nicht wirklich typisch zu sein. Normalerweise geht sie nicht die leichten Wege und ein Album vollgepackt mit Standards taugt für mich nur dann, wenn man eben den Standards tatsächlich eine ganz persönliche, eigene oder (im Optimalfalle) bisher nicht da gewesene Farbe verpassen kann.
    Geschieht das nicht (was offenbar geschehen ist), verwendet manch einer gerne Begriffe wie "beliebig" oder "austauschbar".
    Solches aber möchte ich mir im Falle von Cassandra Wilson nicht wirklich antun, dafür mag ich ihre Musik (und sie selbst natürlich auch) zu sehr.
    Aber da ich dennoch neugierig bin, werde ich bei nächster Gelegenheit versuchen, das Album komplett zu hören. Wenn es in den nächsten Tagen oder Wochen mal wieder richtig gewittert und regnet und ich dann zufällig wettertechnisch gerade beim Plattendealer im Trockenen stehe.