laut.de-Kritik
Weniger Kitsch, mehr Mut: Die sanfte Abkehr vom Soundbrei.
Review von Theresa LockerMan hört "Viva La Vida ..." und freut sich, dass Coldplay sich endlich wieder etwas trauen, dass sie viel experimentieren und ein bisschen klauen: Von den hippiesken Gitarren der späten Beatles ("Strawberry Swing"), von der tröstenden Melancholie Blurs ("Lost!") und auch von den schrammeligen Riffs der frühen Radiohead ("42"). Diese Anleihen sind durchaus kompatibel mit dem eigenen Sound der Band, ohne aufgesetzt oder ideenlos zu wirken – ganz im Gegenteil: Man hört wieder hin.
"X&Y" war ja selbst für Fans eine Enttäuschung. Unausgegoren, massengefällig und irgendwie lasch umspülte eine Flut kitschiger Klingeltöne den Hörer. Coldplay hätten als beliebige Stadionband weiter fleißig Hymnen produzieren und irgendwann an ihrer eigenen Größe untergehen können.
Stattdessen war es der Band aber offenbar wichtig, sich selbst herauszufordern, und so haben die Briten den Hall-König Brian Eno und - als zweite gute Wahl in der Produzentenbesetzung - Markus Dravs, bekannt von Arcade Fire für die Kreation von Soundlandschaften verpflichtet.
Natürlich wurden deswegen keine Vocals rückwärts aufgenommen; viel eher zieht sich eine dezente, aber deutlich wahrnehmbare Würze durch die Songs: Hier mal Handclaps, da mal Flamencorhythmen, ab und zu fernöstliche Sounds oder Gitarren, die wie eine Sitar klingen. Eno nahm die Band mit in spanische Kathedralen, um mit ihnen herauszufinden, wie Chöre in großen Hallen klingen und ließ die Jungs selbst Cembali basteln. Seinen Einfluss hört man schon bei dem das Album wie eine Klammer umschließenden sphärischen Intrumentalstück heraus.
Ja, das Album ist gelungen. Es müht sich nicht, sondern klingt um einiges befreiter und entspannter durch die atmenden Sounds statt der breiigen Hymnenhaftigkeit, die man befürchtet und erwartet hatte. Das unkonventionelle (und leider inoffizielle) Internet-Video zur ersten Single "Violet Hill" verstärkt den Eindruck der Lust an der Experimentierfreude. Und trotzdem bleibt die Platte mit dem sperrigen Titel eine typische Coldplay – warm, flächig und schillernd.
Thematisch wird weniger als auf Vorgängeralben Einsamkeit zelebriert oder angeprangert, sondern viel eher die Balance zwischen universellen Themen abgehandelt: Lebensfreude, Verfall, Tod, Geburt, Euphorie. Harter Stoff, aber keine Angst: Natürlich ist all das weich und angenehm verpackt, teilweise auch in zweigeteilten Songs, die wie Gegenüberstellungen wirken.
"Viva La Vida..." flirrt und vibriert und endet fulminant mit dem eigentlichen Motiv des Albums: "Death And All His Friends", eine von allen Bandmitgliedern im Chor beinahe schon trotzig vorgetragene Durchhalteparole und ein Lobgesang auf das Leben und alles, was dazugehört: "No I don't wanna battle from beginning to end / I don't wanna follow death and all of his friends".
Sicherlich bleibt der von Eugène Delacroix auf dem Cover fahnenschwenkend angekündigte totale Umsturz aus. Aber für eine Band wie Coldplay, die sich heikel und vorsichtig aus ihrer Festgefahrenheit lavieren muss, ist die lebensbejahende Herangehensweise ein großer Schritt, der genau zur richtigen Zeit kommt - und sich gut anhört.
161 Kommentare
mal alle x&y-vergleiche beiseite lassend, hier ein eigener thread.
tracklist:
'Life In Technicolor'
'Cemeteries Of London'
'Lost!'
'42'
'Lovers In Japan/Reign Of Love'
'Yes'
'Viva La Vida'
'Violet Hill'
'Strawberry Swing'
'Death And All His Friends'
erscheinung:
UK - June 12
USA & Canada - June 17
Japan - June 11
Germany, Austria, Switzerland, Italy, Holland, Belgium, Ireland - June 13
Australia/NZ - June 14
ROW - June 16
das mit dem free song hat wohl mittlerweile eh schon jeder mitbekommen.
awesome, wie ich finde!!
Gut, dann schreibe ich hier auch noch mal rein, dass mir "Violet Hill" schon mal gut gefällt. Auch wenn die Instrumentierung ein wenig anders ist, das Songwriting ist klassische Coldplay.
Dennoch fände ich es auch nicht schlecht, wenn die Band mal wieder etwas reduzierter zu Werke gehen würde. Aber ich glaube, das können wir vergessen.
richtig, das wird nichts mehr. reduziert.
tatsächlich!
ja^^ immer wenn das coldplay lied im radio anlief dachte ich erst WOW alizee xD
Also Ich Finde Ja Dass Das Album was besonderes hat,Es wirkt wie eine Geschichte mit hoher Motivation.
Einziger Schwächepunkt ist vielleicht Titel "42" der kann mich NOCH nicht so ganz überzeugen.
Aber je öfter man das Album hört desto besser findet man es