laut.de-Kritik

Ein Bauchgefühl-Rapper ringt um die Leichtigkeit.

Review von

Die alternativen Trap-OGs des Landes mögen ikonische Figuren und Feuilleton-Lieblinge sein. Trotzdem haben Crack Ignaz, LGoony oder Yung Hurn alle über kurz oder lang ihren Mainstream-Appeal an jüngere, weniger verkopfte Kollegen abgegeben. Die Hits machen inzwischen Rins, Yin Kalles und Negatiiv OGs, ein Crack Ignaz hingegen fährt independent zum Aufnehmen nach Rom und benennt Alben nach literarischen Epochen: Nach drei Jahren Pause kehrt er also mit diesem musikalisch gar nicht uninteressanten Projekt zurück. Aber für melodischen Herzschmerz-Trap mit Schlager-Einschlag ist 2020 wenig Plattform übrig.

Dabei stimmen die Ideen auf "Sturm Und Drang" im Querschnitt. Die Produktion des Italieners BVRGER besticht mit desorientierenden Synth-Arpeggios, die über Reverb-ausstaffierte 808-Wände prasseln. Manchmal denkt man an Lil Uzi Vert, manchmal sogar an "Exeter"-Ära Bladee, so verstrahlt kann die Produktion hier klingen. Immer ist sie jedoch ein solides Fundament für Ignaz' Melodrama, das die Platte inhaltlich dominiert.

Die ersten Nummern suhlen sich alle in Beziehungsschmerz, ein bisschen geschlossener und entschiedener als seine sonst recht vagen Anspielungen auf persönliche Erfahrungen. Es geht um das Toxische, das Zehrende, um all die Intensitäten, von denen man nie so recht weiß, ob sie gut oder schlecht über eine Beziehung reflektieren. Es funktioniert, wenn Ignaz wie auf "Bipolar" Erschöpfung und Zermürbtheit in seine Stimme projiziert. Ob Bipolarität als Metapher für eine verrückte, unberechenbare Beziehung zu verwenden der geschmackvollste Move ist, hätte man trotzdem überdenken können.

Auch in der zweiten Hälfte herrscht diese Art von Trap-Balladen vor, "Firn", "Flaschenpost", "Ave Manie" kommen alle mit einer ganzen Menge Pathos, mit einer ganzen Menge Kitsch ums Eck und man muss zwischendurch immer mal wieder durchschnaufen, so sehr stapft diese Platte mit großen Worten durch langsame Tempi. Es beeindruckt, wie offen Ignaz seine inneren Dämonen spielt, als Erzähler und Stimme ist er sichtlich gewachsen. Die bittere Erkenntnis auf "Sturm Und Drang" ist aber, wie schwer er sich dieses mal mit dem Pop in seinem Pop-Rap tut.

Sein Ohr für Melodien existiert wie eh und je, aber wo der Mann früher leichtfüßig einen großartigen Chorus nach dem anderen vom Parkett gerissen hat, klingt hier vieles ungewohnt uneingängig. Die Kadenzen klingen zu verkopft, die Stimme zu angestrengt, der Vibe zu bitter und die Beats zu verstrahlt. Da dankt man es dem Album, dass im Mittelteil ein paar reine Rap-Nummern in den mürben Mix grätschen. Die unverkrampften Mundart-Aye-Flows über zwei Minuten in "Ähä" zählen zu den genießbarsten Nummern der Platte, "Herzschmerzgang" ist stupider Representer-Blödsinn, wird aber definitiv bei Liveshows einschlagen. "Hackl Hart" und "Sportschützenverein 5020" liefern auf Beats mit Houston-Einschlag 2015-Absurdismus und damit auch ein paar der lockersten Flows des Albums.

Vielleicht ist Ignaz all der Feuilleton-Ruhm zu Kopf gestiegen. Oder "Sturm Und Drang" sollte unbedingt neue Stärken demonstrieren. Dabei geht viel von seinem alten Spaß-Faktor in einer etwas zu forcierten Künstler-Attitüde unter und "Sturm Und Drang" wirkt wie ein Album für Leute, die Trapmusik als ein Objekt des Zeit-Kulturteils sehen wollen. Seine Momente hat das Album ohne Frage: Manche Sprachbilder auf "Neontränen" kommen genuin von Herzen, die Sound-Kulisse auf "Bist Du Echt?" klingt psychedelisch und das "Merry Christmas, Mister Lawrence"-inspirierte Pianoriff auf "Flaschenpost" trifft ins Schwarze. Dennoch bewegt sich ein eigentlich leichtfüßiger Rapper hier unnötig schwerfällig.

Trackliste

  1. 1. BMO
  2. 2. Neontränen
  3. 3. Bipolar
  4. 4. Herzschmerzgang
  5. 5. Ähä
  6. 6. Hackl Hart
  7. 7. Sportschützenverein 5020
  8. 8. Ave Manie
  9. 9. Firn
  10. 10. Flaschenpost
  11. 11. Seraphim Interlude
  12. 12. Bist Du Echt
  13. 13. Zufällig

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