laut.de-Kritik
Unterirdisch unantastbar.
Review von Karina SadkovNach seinem Erfolg mit "Hypnotize" veröffentlichte Dardan zunehmend melodischen und konventionellen Rap. Dabei zeigte sein Debütalbum "Hallo Deutschrap", welchen Druck er in seine Worte legen kann. Nun hat er sich seit 2021 unaufhaltsam im Mainstream-Rap verloren und findet keinen Weg zurück. Mit seinem neuen Album "Mr. Untouchable" gräbt er ein tieferes Loch in die Erde – er ist einfach unterirdisch unantastbar. Was einst ein Talent mit eigenem Stil war, scheint sich jetzt zu sehr in der Komfortzone des Erfolgs eingerichtet zu haben.
Doch das Album startet überraschend stark. Mit "Lamine" serviert Dardan direkt den vielleicht besten Track – ein Moment, der hoffen lässt, dass das Album noch weitere Highlights parat hält. Der "Lamine" hat eine starke Produktion, saubere Lines und einen drückenden Beat, der zumindest kurzweilig an den alten, energiegeladenen Dardan erinnert. "Boyz in the Hood" und "Origin" mit Lacrim setzen den Anfang zwar solide fort, wirken aber bereits konventioneller und klingen, als wären sie für die Charts maßgeschneidert – catchy, aber ohne Tiefe. Doch ab hier geht es steil bergab.
Wie schon im vorherigen Album "Dardania" versucht Dardan den internationalen Sound mit Dancehall- und Reggaeton-Beats weiterzuführen. Der Track "Mamí 2.0" gehört glasklar dazu. Dabei erinnern mich der Sound und die Lyrics an Bad Bunny, den Vorreiter des Latin-Raps. Wie bei "Monaco" und "Andrea" rasen an mir die Formel 1-Referenzen bei "Mami 2.0" nicht vorbei. Um seine Dame zu bezirzen, rappt Dardan "drifte deine Kurven wie Alonso". Dazu strahlt der Song einen Sommer-Vibe aus, der im November einfach unpassend ist. Dardan belässt es nicht nur bei einem Latin-inspirierten Song, sondern auch "1000%", "Wasser", "Chaos" sind mit einem Reggaeton-Beat unterlegt.
Ein Heartbreak-Song als Liebeslied? Dardan dreht in "Twin" den Spieß um und verwandelt Ne-Yos melancholischen Hit "So Sick" in einen Dancehall-Track über erfüllte Liebe. Während Ne-Yo im Original "I’m so sick of love songs, so tired of tears" seufzt, nimmt Dardan das Sample und macht daraus einen tanzbaren, hoffnungsvollen Track. Hier rappt er über seine Partnerin, die er als "Twin" bezeichnet und stellt klar, dass die beiden zusammen gehören.
Dardan macht auch vor weiteren Liebesliedern mit Dancehall-Beats keinen Halt. "Wie Du" und "Wasser" setzen die Reihe belangloser Tracks fort und triefen vor kitschigen Lyrics, die kaum Eindruck hinterlassen. Zeilen wie "Ich will in dein Herz, doch ich brauch' den PIN" und "Oh, mon amour, ich bin gefang'n / Schreib' dein'n Namen an die Wand" verdeutlichen die lyrische Schwäche, die die Songs eher leer wirken lassen.
Mit "Ich bring dir keine Blumen" zeigt Dardan, was für ein wahrhaftiger Gentleman er ist – nicht. Der Rapper versucht uns mit Lyrics wie "Lass' deine Lingerie verschwinden, Bitch, nenn mich Houdini" zu bezaubern, das vollends in die Hose geht. Dabei unterscheidet sich der Track null von den anderen auf dem Album. Wieder der gleiche Dancehall- oder Reggaeton-Beat, auf dem Dardan seine Liebe beteuert, ohne dass sich irgendetwas Neues oder Spannendes tut. Abwechslung sucht man hier vergeblich.
In "Wieso tust du das?????????" gibt uns Dardan tiefere Einblicke in sein Inneres und spricht über seine seelischen Narben, die ihn bis heute verfolgen und die Beziehung zu seiner Partnerin belasten. Während sie seine Wunden heilt, zerbricht sie innerlich. Dardan erkennt zwar, dass seine Partnerin trotz allem an ihm festhält, doch er fragt: "Wieso bist du so naiv?" In "Chaos" rappt er schließlich über sie: "Du bist wie Therapie". Dazu fällt mir nur ein: Bitte geh selbst in Therapie, anstatt eine Therapeutin in deiner Partnerin zu suchen.
Kurz vor dem Ende gibt es doch noch einen kleinen Lichtblick mit "Rauch". Nach zwölf Tracks, die sich allesamt ein bisschen zu ähnlich anhören, bringt der Song tatsächlich frischen Wind ins Spiel. Vom alten Dardan fehlt zwar weiterhin jede Spur, doch zumindest ist hier ein neuer Sound zu erkennen. Mit schweren 808-Bässen, einem langsam treibenden Trap-Beat und den markanten Highsnake-Hi-Hats wirkt "Rauch" fast schon hypnotisch. Die vereinzelten guten Tracks machen aus "Mr. Untouchable" jedoch noch lange kein gutes Album.
1 Kommentar
Mr. Ungehört