laut.de-Kritik
Mit Morrissey in Wuppertal.
Review von Julian VölkerBegibt man sich auf die Suche nach berühmten Wuppertaler Bands, die den Sound der Stadt prägten oder gar eine musikalische Epoche starteten, muss man lange suchen und wird nichts finden. Wuppertal scheint wohl doch nur die Stadt zu sein, die am meisten nach Ruhrpott klingt, ohne tatsächlich im Pott zu liegen. Als sich Darjeeling 2014 zu Zeiten ihres Debüt-Albums dazu entschließen, den in Westdeutschland entstandenen Krautrock zu spielen, war dies wohl noch die größte Überschneidung mit ihrer Geburtsstadt, denn Wuppertal liegt im Westen. Mittlerweile hat es bereits zwei Drittel der Gründungsmitglieder nach Berlin gezogen und aus Krautrock wurde eher Synthie-lastiger Indie-Rock, Wuppertal lässt sich jedoch immer noch heraushören.
Auf ihrem dritten Album "Maguna" sind die vier Krautköpfe immer noch experimentell und äußerst Jam-freundlich unterwegs. Die kleine Liebe zum Pop haben sie nebenbei auch nicht verloren. Beispiel A: die Single "Over The Sea". Mit einer eingängigen und tanzbaren Rhythmus-Gitarre im Fehlfarben-Stil "geht es voran": Gitarrist Jan Szalankiewicz spielt einen 6/8-Takt, doch statt zu schunkeln, nickt man automatisch mit. Nach dem kurzen Intro steigen Band und Sänger ein und das Spiel ändert sich: Füllende Synthies und ein prägnanter Gesang sorgen dafür, dass sich der Sound des Quartetts irgendwo zwischen den Smiths und Keane einordnet.
Im Vergleich zu den Indiepop-Legenden haben Darjeeling jedoch nicht Manchester oder East Sussex in ihrer Biografie stehen, sondern Wuppertal und bringen den nicht definierten Sound ihrer westdeutschen Herkunftsstadt natürlich mit ein. Statt wie Keane also einen Piano-lastigen Pop-Song für Singstar zu schreiben, arrangieren sie den Takt der Hook um und spielen mit den Zählzeiten Ping-Pong. Das macht den Refrain nicht eingängiger, aber spannender. Das wehleidige Singen Morrisseys hat Szalankiewicz ebenfalls drauf, seine deutsche Aussprache der englischen Texte, gibt dem Song allerdings erneut - wenn auch unfreiwillig - den Wuppertal-Touch.
Trotzdem ist es beeindruckend, wie Darjeeling einen internationalen Sound kreieren: "Read It In The News" klingt wie die unveröffentlichte Demo-Version eines Phoenix-Songs, "Got Away" erinnert in Teilen an den Math-Rock der ersten Foals-Platte und auf "Bisous" spielt sich das Quartett zum Ende hin in einen abgedrehten Pink Floyd-Jam. Den Vogel schießen sie aber mit der Weihnachtssingle "Darj Christmas" ab. Wieso sich die Band zu einer Ode an den ausgelutschten Wham!-Klassiker hinreißen ließ, bleibt ihr Geheimnis. Auf jeden Fall meinen sie es ernst und packen neben dem Synthie-Sound sogar die Weihnachtsglöckchen und eine knallende Tina Turner-Snare Drum, die bei jedem Schlag leicht die Kopfhörer anhebt, mit auf den Schlitten. "Darj Christmas" klingt wie ein besoffenes letztes Weihnachten und das ist wohl besser als ein nüchternes.
Ein weiteres Markenzeichen der Platte ist das Zusammenspiel von Bass und Drums, das in beinahe jedem Song auf den füllenden Synthies liegt und eine entspannte Kopfnicker-Atmosphäre erschafft. Diese mündet in der extrem coolen zweiten Strophe von "In My Name", deren musikalische Gestaltung nur aus Gesang, Bass und Schlagzeug besteht. Viel macht der Drummer im 6/8tel-Beat nicht, doch mit Editors-Stimme Arctic Monkeys-Beat wird der schnelle Walzer getanzt.
"Maguna" hat viel Respekt verdient, weil es auf Grund der Komplexität und dem Hang zu waghalsigen Sounds vermutlich nicht seinen Weg in den Mainstream finden wird. Hinzu kommt, dass die Musiker mittlerweile zu alt sind, um erneut einen Newcomer-Preis zu gewinnen. Dennoch verlieren Darjeeling trotz der mutigen Ideen nie ihr Gespür für schöne Melodien und Akkorde.
1 Kommentar
Wuppertal ist in der Tat leider musikalisches Ödland