laut.de-Kritik

Indie-Pop aus Südafrika, fernab von Vampire Weekend.

Review von

Während Bands wie Vampire Weekend sich aufgemacht haben, Fans und Kritiker mit der musikalischen Einverleibung afrikanischer Stilmittel zu erfreuen, wendet sich die südafrikanische Band Dear Reader dem Indie-Pop zu, der seinerseits mit afrikanischen Musiktraditionen nichts am Hut haben will.

Mit "Replace "Why With Funny" liefert die Band um die 24-jährige Cherilyn McNeil (Geang, Klavier) dennoch eines der stimmungsvollsten Indie-Folkpop-Alben des noch jungen Jahres ab.

Da trifft die Unbekümmertheit einer Kate Nash und die Euphorie einer Basia Bulat auf orchestrale Arrangements aus Piano, intensiven Choreinlagen, Hörnern, Trompeten, Streichern und Glockenspiele, die spannungsreich gesetzt sind und sich hier und da pompös auftürmen.

Wenn McNeil die geschmeidigen Melodien dann mit einer Stimme vorträgt, deren Klangfarbe zwischen der einer Regina Spektor und Emiliana Torrini changiert, dann kann man diesem Charme nur schwer widerstehen, auch wenn eingängige Popmelodik und Pathos sich gelegentlich großspurig ihren Weg bahnen.

Thematisch steckt in den Songs eine Menge Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung, "schließlich habe ich sie zu einer Zeit geschrieben, in der ich mich gerade getrennt hatte", erläutert Cheri. "Ich denke aber, dass es wichtig ist, sich selbst nicht so ernst zu nehmen. Deswegen haben wir das Album auch 'Replace Why With Funny' genannt".

Die von einer dumpfen Pianolinie geführte Single "Dearheart" offenbart gleich die Vielschichtigkeit des Ensembles, wenn das Schlagzeug von Handclaps ergänzt wird, sich Akkordeon, Waldhörner und Melodika behutsam an die einnehmende Melodie anschmiegen, um recht plötzlich einem Streicherintermezzo Platz zu machen.

"Great White Bear" basiert auf einem ruhigen Folkpicking, untermalt von weichen Synthie-Klängen und Glockenspiel, um sich zu einem fulminanten Finale mit Schlagzeug und E-Gitarre aufzumachen, "Bend" tendiert mit Rhythmusgitarre zum Countrypop, in "Out Out Out" stützt die schräg tönende E-Gitarre und eine Orgel die ungemein hymnische Melodie.

Ganz und gar ergreifend wird es dann mit "The Same", das auf sakral anmutenden Chorgesängen beruht, über die sich der emotionale Gesang Cheris legt. Darin reflektiert sie die Beziehung zu ihrem Heimatland. Selten gehen Pathos und Schönheit eine solch gelungene Verbindung ein, die sich in "What We Wanted" erneut stimmungsvoll wiederfindet.

Mit "Replace Why With Funny" erschaffen Dear Reader ein toll arrangiertes Album, das mit seiner Intensität und Leichtigkeit größtmöglichen Pop-Appeal versprüht, ohne auf die sympathische Indie-Attitüde zu verzichten.

Trackliste

  1. 1. Way Of The World
  2. 2. Dearheart
  3. 3. Great White Bear
  4. 4. Bend
  5. 5. Out Out Out
  6. 6. Release Me
  7. 7. Never Goes
  8. 8. The Same
  9. 9. What We Wanted
  10. 10. Everything Is Caving

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LAUT.DE-PORTRÄT Dear Reader

Hört man die Musik dieses Ensembles, liegt die Vermutung nahe, dass eine derart getaktete Indiepop-Band wohl nur aus den USA, Kanada oder Großbritannien …

8 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    @scumsurfer (« superbes album.

    ganz ganz toll! »):

    qft!!!

  • Vor 15 Jahren

    die positive reinkarnation von kate nash.

    während mich deren gesang von der stimmlage nur nervt, finde ich diese stimme, obwohl in ähnlicher stimmlage angesiedelt, nur angenehm.

    interessante instrumentierung der songs ... schönes album.

    und ja ... man sollte klavier mögen.

  • Vor 15 Jahren

    Also nun fast schon ein halbes Jahr ist es her dass ich zum ersten mal von Cherylin McNeil's Stimme in eine unglaubliche Welt gezogen wurde.

    McNeil versteht es, mit dieser unglaublich glasklaren Stimme den Zuhörer in eine besondere, gar zauberhafte Empfindung zu versetzen. Der erste DR-Song den ich gehört hatte war "Dearheart" und ich war sofort verliebt.
    In "Replace why with funny" stecken sehr wenige typisch afrikanische Elemente, und trotzdem verbindet man dieses Album mit Südafrika. Wahrscheinlich auch wegen der Thematisierung von Songs wie z.b. "The Same". Dieser Song klingt göttlich und episch, und im Hintergrund hört man auch die Engel im Chor. Daher toll gemacht!

    Doch verstehen es Dear Reader auch mit ihren Songs kein Auge trocken zu lassen. So wie z.b. "Release Me", ein todtrauriger Song. Wieviele Emotionen kann man eigentlich in den Satz "I gotta go" reinpacken? McNeil schafft es, mehr Emotionen als tausend Worte, und zehntausend Bilder zusammen in einem Song aufkommen zu lassen.
    Und dasselbe schafft sie so oft sie will; wie z.b. in "Great White Bear" erzählt sie eine wahrlich ergreifende Geschichte während sie unaufgeregt ihre Stimme kreisen lässt, und diese Stimme lässt einen nicht los.

    Um am schluss noch den Opener zu erwähnen, meinen Lieblingssong des Albums. Der Song an sich klingt ziemlich typisch, ähnlich im Stil von Colbie Caillat, Jason Mraz oder Katie Melua. Jedoch geben sich Dear Reader nicht damit zufrieden, dass der Text "alles ist schön, du bist toll, ich bin toll, wir alle sind toll" oder sowas ähnliches lautet. In "Way of the World", singt Cherilyn über den Alltag der sie erlebt, ein Kritiseren aber zugleich auch ein Liebesbrief an Welt in der sie lebt. Absolut ergreifend.

    Mein Lieblingsalbum <3
    Möchte es nie mehr wieder weglegen.