laut.de-Kritik
Berauschender Konzertfilm aus dem Pariser Bercy.
Review von Michael SchuhWill man an diesem Mega-Package überhaupt irgend etwas bemängeln, dann höchstens die Tatsache, dass Depeche Mode ihren Konzertfilm erst satte vier Monate nach dem "Exciter"-Tourstart realisierten. Frontmann Dave Gahan beherrscht das Bühnengeschehen zwar agiler denn je und flirtet grimassenreich mit unzähligen Kameras, an seinem Stimmband sind die Strapazen der allabendlichen Routine bis zur berauschenden 'étappe Paris' jedoch nicht spurlos vorbei gegangen.
Ansonsten muss man der Band und vor allem Anton Corbijn ein großes Kompliment machen. Der Fotograf, Bühnen-Designer und Filmer hat es mit "One Night In Paris" geschafft, Dylan-Regisseur D.A. Pennebaker zu entthronen, der vor vierzehn Jahren mit der Depeche Mode-Dokumentation "101" sein zweites "Don't Look Back" abgedreht hat.
Zwar lässt auch Corbijn einige DM-Fans zu Wort kommen, zum Glück aber in einer Extra-Sektion, so dass man im Live-Teil nicht ständig den Schwärmereien irgendwelcher Schwarzkittel ausgesetzt ist, die nach eigenem Empfinden seit 40 Jahren Fan sind. Fairerweise sei aber angemerkt, dass der Holländer im Gegensatz zu Pennebaker sowas wie das vierte Mitglied der Band ist und deshalb genau weiß, an welchen Stellen er Hauptakteur Gahan in Szene setzen, wann die Totale die Bühnen-Screens einfangen muss und wann der Schmelztiegel im Publikum erreicht ist.
Besonders bleibt die DM-Tournee 2001 vor allem durch die auffallend intime Bühnen-Nähe der beiden gegensätzlichen Charakterköpfe Gahan und Gore in Erinnerung, denen man den Spaß an der Performance die gesamten zwei Stunden ansehen kann. Gerade Gore, der sich über die Jahre nur zögerlich hinter seinem Synthesizer hervor traute, ist mittlerweile zum posenden Gitarristen und somit zu dem aktiven Gegenpol im Live-Programm mutiert, den sich Sänger Gahan schon 1993 sehnlichst wünschte.
Auch der Sänger selbst lässt keine Fragen offen, wie ernst er seinen Job mittlerweile nimmt: Wild gestikulierend trimmt sich Gahan durch all seine über die Jahre hin antrainierten Bewegungen, addiert ein paar neue Hüftschwünge hinzu und scheint, angetrieben durch die vom Publikum dargebotene Hingabe, noch zusätzliche Energie-Reserven abrufen zu können. Da die Zeit der Keyboard-Statisten-Band Depeche Mode, zumal durch die Einberufung neuer Live-Musiker, unwiderruflich der Vergangenheit angehört, wirkt der vorwiegend durch Händeklatschen auffallende Andy Fletcher heute indisponierter denn je.
Dabei verkörpert er eher den väterlichen Wächter der beiden aufgedrehten Showmen Gahan und Gore, die das gigantische Pariser Bercy mit Songs aus fünfzehn Jahren Karriere in Ekstase treiben. Weiter als 1986 gehen sie bei der Songauswahl nämlich nicht zurück, "Black Celebration" bleibt der älteste Stimmungshit. Dafür findet das zerbrechliche "Waiting For The Night" nach Jahren wieder den Weg ins Konzert und bildet zusammen mit "When The Body Speaks" - wie schon in New York und Hamburg - den leisen Show-Höhepunkt.
Auf der zweiten DVD gibts dann noch Interviews mit dem Trio Infernale (Gahan, Gore, Fletcher) sowie wichtigen Tour-Vasallen wie eben Corbijn und DM-Manager Jonathan Kessler, der diesmal zwar nicht wie in "101" mit Geldbündeln um sich wirft, aber eindringlich versichert, dass die "Exciter"-Tour erfolgreicher ist, als jeder Teilnehmer erwartet hatte ("beyond our wildest dreams").
Zudem referiert Corbijn über die Bildkomposition einiger Live-Fotos und selbst die Screen-Projektionen der Show sind nochmal einzeln draufgepackt worden (was bei "It's No Good" ja sogar Sinn macht). Untertitel in deutsch, französisch, englisch, italienisch, spanisch und japanisch machen den Besitzer dieses DVD-Pakets dann richtig sprachlos.
1 Kommentar mit 2 Antworten
Gerade erst wieder angesehen. Ein Meisterwerk. Da kann ich auf die nachfolgenden Konzertfilme getrost verzichten. Trotz, oder gerade weil Gahans stimme hier so abgefetzt klingt wie auf keiner anderen DVD. Außerdem kann man hier auch noch mal Liveversionen von der zu unrecht vernachlässigten exciter erleben.
Exciter ist..
na das hatten wir doch schon
Exciter ist.... ein Meisterwerk! Mein Lieblingsalbum Depeche Modes. Ganz ehrlich, wer Exiter Größe abspricht, ist einfach nur über seine Erwartunghaltung oder am oberflächlichen Hören gestolpert. When the Body speaks, Freelove, Comatose, Breathe, I am you und zu guter Letzt Goodnight Lovers. Wenn das keine guten Songs sein sollen, dann weiß ich auch nicht!