laut.de-Kritik
Zungenkuss mit Mundgeruch für den Hip Hop.
Review von Dani FrommWas bitte ist das denn?
Die Frage, die beim Erstschlag der Orsons noch alles andere in den Schatten stellte, drängt sich längst nicht mehr auf. Konfrontiert mit der einzig realen Boygroup rechnet mittlerweile auch der unbedarfte Zuhörer mit solider Orsons-Anarchie.
Auf Klischees, ungeschriebene Gesetze, den kompletten im Hip Hop üblichen Verhaltenskodex, aufgesetzte Härte und vermeintliche Coolness inklusive, setzen Kaas, Tua, Maeckes und Plan B mindestens vier dampfende Haufen. So viel sollte im Vorfeld bekannt sein.
Die Herausforderung liegt diesmal vielmehr darin, auch ohne Überraschungsmoment darob, worauf man alles wahlweise pfeifen oder gleich scheißen kann, zu bestehen. "Kopfstand - Handstand - Purzelbaum", der "beste deutsche Liveact nach Michael Wendler" meistert all dies – Abstrichen zum Trotz - mit Bravour.
Wie, das ist ein Widerspruch? Mir doch wurscht. Allein schon in Anbetung des grandiosen Albumtitels forme ich guten Gewissens das O für die Orsons. Die Herrlichkeit, in Ewigkeit: Der durchgeknallte Vierer hat sie mehr als verdient.
"Wir geben Hip Hop einen Zungenkuss mit Mundgeruch": Treffender lässt sich schwer beschreiben, was hier auf Albumlänge zelebriert, nein: ausgeweidet wird. "Ich mach' nur, was ich mag / Ich mach' nicht mehr, was ihr sagt": der einzige Leitsatz, den die Orsons bis zur letzten Konsequenz verfolgen.
Auf dem Altar des "Fuck you! I won't do what you tell me" opfert das Quartett - soweit zu den Abstrichen - neben überfälligen Klischees und Konventionen auch jede Eingängig-, zuweilen auch die Erträglichkeit. Allesamt bleiben weitgehend unter ihren Rap-technischen Möglichkeiten, plauschen und singen aber zum Ausgleich in einer Unbekümmertheit, dass es die reinste Wonne ist.
Tua und Maeckes, für die Produktion verantwortlich, hätten sich ruhig einen Hauch mehr Mühe geben können, vernahm man doch aus beider Werkstätten schon deutlich ausgefeiltere Beats. Für die Orsons beschränken sie sich auf halb-durchdachte Synthie-Spielereien.
Stete Grüße in die 80er erfüllen jeden, der diese Epoche halbwegs bei Verstand miterleben musste, mit unterschwelligem Grauen. "Orsons Anarchie" zerrt - hochgepitcht, gescrewt, scheißegal - mit Crunk-Instrumentarium an den Nerven. Die gesungene Hookline ist aber glücklicherweise vorbei, ehe man sich allzu sehr ekelt.
"Ich will keine gute Mucke machen, ich will gut schmecken. Denk' drüber nach bis zum Ende des Parts." So schauts doch aus, meine Damen und Herren. Solange mich Wortwitz, die den einzelnen Gestalten wie ihrer Zusammenstellung innewohnende Komik und vor allem der offenkundige Spaß an der Sache mannigfach entschädigen, bezahle ich den Preis für künstlerische Narrenfreiheit gerne.
"Ich will, dass sich mein Konto füllt durch Nichtstun und die Tür zumachen, wenn die Pflicht ruft." Oh ja, bitte, ich bin dabei: "Ich definiere dir mein Pflichtbewusstsein: Ich lasse vorsichtshalber jede Pflicht bewusst sein." Das Leben könnte so viel entspannter sein ...
Die Orsons feiern die Feste wie sie fallen, und sich selbst als "Beatles Piraten". Plan B buchstabiert sich um Kopf und Kragen. Storytelling regiert, Ideenreichtum geht Hand in Hand mit "Chaos, Zerstörung, Riot". Über das Schlachtfeld des Wahnwitz' pflügt Kaas mit seinem Friedenspanzer und schießt Liebe in jedermanns Herz.
Dabei geht es bei den Orsons diesmal keineswegs nur "Sonnig & Belanglos" zu. Da wird sich aus dem Horror manch einer Kinder-Realität weg "Zum Mond" geträumt oder leise melancholisch "in 'nem Unterwasser-Cadillac die Straße der Erinnerung entlang" gecruist.
Höchst stimmungsvoll gedenken sie des koreanischen Bob Dylans "Kim Kwang Seok", der sich in der Blüte seiner Jahre in die ewigen Jagdgründe "kurt-cobainte" ... ein hübsch plastischer Ausdruck, der schleunigst Eingang in den Duden finden sollte.
"Ein schwuler Jamaikaner singt 'Kill all dem straights'. "Das Auf-den-Kopf-Stellen eingefahrener Denkmuster fordert Beweglichkeit, ebenso ein Featuregast des Kalibers eines Rummelsnuff. Die Fans dürften damit keine Probleme haben.
Wem die Orsons eine ganze Ode widmen, vergibt sogar die enervierenden Lagerfeuerklänge von "Souljah Boy". "O-formende Hooligans auf Love": Ein trauriges Würstchen eigentlich, wer da nicht dazugehören will.
148 Kommentare
schöne review
album ist gut, auf jeden fall besser als das erste. favos nach dem ersten durchlauf sind "Zum Mond", "Kim Kwang Seak" und "Ode an die Fans". Was gar nicht auszuhalten ist, ist "Nie wieder Schule". der text von "Die Sirenen von El Dorado" ist sehr gut, aber die hook macht das alles unhörbar.
3.5/5
Blickt irgendjemand was es mit dem Track "Ana" auf sich hat ?
Meine bisherigen Favoirten:
Kim Kwang Seok
Sonnig & Belanglos
Ode an die Fans
Orsons Anarchie
Nie wieder Schule find ich auch fast unerträglich ...
Bei "Die Sirenen von El Dorado" kann ich Schnuppu nur zustimmen - text ist sehr geil, aber die Hook ? Neyja ...
3,5/5
find die scheibe dick. war beim konzert in fellbach. sehr sehr geil^^
@Garret (« die ausverkaufte tour von bushido sowieso »):
ich spiel morgen auch ein konzert in meinem kinderzimmer. da passen 10 leute rein und das krieg ich locker ausverkauft. mehrfach sogar!!
man, ich hab's drauf!!!
@H. Herzhase (« @Garret (« die ausverkaufte tour von bushido sowieso »):
ich spiel morgen auch ein konzert in meinem kinderzimmer. da passen 10 leute rein und das krieg ich locker ausverkauft. mehrfach sogar!! »):
was zahlst du denen? oder behauptest du etwa, die würden freiwillig kommen?
Scheiße. Bei mir kommen immer nur 5 Leute ins Kinderzimmer. *heul* Herzhase, du Checker, du, ich verneige mich!