laut.de-Kritik
Bitte nur im Sitzen: Die Opel-Gang unplugged!
Review von Bine JankowskiWo Fanta 4 den Tontechnikern eine riesige Tropfsteinhöhle zumuteten und die Ärzte den spartanischen Charme einer Realschulaula bevorzugten, wählten die Toten Hosen einen eleganten Mittelweg. Für ihr eigenes MTV Unplugged zogen die Punkrocker in das Wiener Burgtheater und stellten sich damit einer schwierigen Aufgabe.
Nicht nur, dass die Düsseldorfer von ihren lärmenden Stromgitarren auf Akustikklampfen umsteigen mussten, die Band sollte das gesamte Konzert im Sitzen verbringen! Sogar Campino überwand sein Zappelphilippsyndrom und hockte sich auf einen Holzklotz. Das Resultat solch edelmütiger Anstrengungen und der sachgemäßen Handhabung von Orchesterinstrumenten präsentiert sich in schickem Schwarz-Gold und heißt "Nur Zu Besuch: Unplugged Im Wiener Burgtheater".
Die zweite Auflage der Unplugged-Großmacht MTV lautet: Covern! Das ließen sich die Toten Hosen nicht zweimal sagen und deshalb finden sich gleich drei Fremdkompositionen auf dem Album. Den Einstieg macht "Blitzkrieg Bop", ursprünglich aus der Feder der Ramones. Durch die fehlende Elektrizität klingt alles ein wenig nach Garagenpunkband ohne Garage. Oder nach Lagerfeuermusik in Après Festival-Manier. Trotzdem oder gerade deswegen eine passende Hommage der niederrheinischen Deutschrocker an die Punklegenden.
Die Jungs von der "Opel Gang" bekommen nun Unterstützung von ihrer, wie sie sie ganz halbstark adelten, schwedischen Perle, Esther Kim am Klavier. Leider geht Campinos kräftiges Organ in der neu geschaffenen Melancholie des Songs unter, die Slow Motion-Taste passt einfach nicht zu dem sonst so rotzigen Sänger. Mit "Auswärtsspiel" lebt die sonst gepflegte Tradition dafür schon wieder weiter, die Jungs treten kräftig aufs Gaspedal und auch die bewährten Stadionchöre finden ihren Platz. "Hier Kommt Alex" und der Vorhang geht auf für einen absoluten Klassiker! Das skandinavische Schmuckstück klimpert dem Song einen schweren, goldenen Rahmen. Auch der Akustikbass haut mich vom Hocker - kein Wunder, dass Campino die Füße nicht still halten kann.
Die zweite Cover-Version "The Guns Of Brixton", aus dem Nachlass von The Clash, tut dem Original keinen Abbruch. Trotz der Verwendung verstärkerfreier Instrumentierung, bleibt die Hosen-Interpretation leider auch frei von Überraschungen. Die Begeisterung der Fans schwingt besonders bei "Wünsch Dir Was" mit. Die anwesenden Jungs und Mädels singen fleißig und werden den alterwürdigen Parkettboden des Burgtheaters bei Voms mitreißender Trommelei wohl zu Staub geklopft haben. Beinahe besinnlich klingt "Böser Wolf", das wunderbare Gitarrensolo und in der Luft schwebende Klaviernoten stehen wie beim Original im krassen Gegensatz zum schaurigen Text.
"Pushed Again" klingt einfach nur stark, der Jubel ist daher berechtigt. Womit ich gleich an das dritte Cover anknüpfen kann: "Hand In Hand" von den Beatsteaks. Spannend, was die Hosen aus den Berliner Beatbuletten gemacht haben. Das Fass endgültig zum Überlaufen bringt jedoch die Sauf- und Ei-Brot-Hymne "Eisgekühlter Bommerlunder"! Selten musste ich mich über ein ehemals derbe peinliches Trinklied so beömmeln! Nicht nur, dass ungeniert von Nasenflöten Gebrauch gemacht wird, dieser Gassenhauer mutiert auf einmal zum glamourösen Jazzstück! Auch die Bandkollegen werden noch einmal durch den Kakao gezogen: Kuddel darf sich bei seiner Schwiegermama nun als Vollstrecker der Gitarren oder Todesengel aller Soli vorstellen.
Für Hosen-Fans ist diese Platte wohl ein absolutes Muss, denn immerhin haben diese noch eine halbe Stunde nach dem Konzert im Wiener Burgtheater gefeiert, gesungen und sind über Sitzreihen gesprungen. Allen anderen reicht eine der zahlreichen Wiederholungen auf MTV.
2 Kommentare
Ganz große Platte.
Vor allem auch die neuen Songs, allen vorweg der Bofrost Mann, wissen zu überzeugen.
Schöne Scheibe, nicht nur für eingefleischte Hosen Fans!
find auch super platte
in meinen augen 4.5 punkte