laut.de-Kritik

Neben dem Talent geht nun auch das Augenzwinkern flöten.

Review von

Ich schätze den deutschen Schlager. Ich schätze ihn sehr. Auch, wenn das nach dem zweifelhaften Genuss von Machwerken wie dem vorliegenden nicht immer leicht fällt. Dieter Thomas Kuhn reitet seit Jahren die Welle des schlechten Geschmacks. Eine Tätigkeit, der nichts Verwerfliches anhaftet, so lange er damit für Unterhaltung sorgt.

So lange Witz, Charme oder wenigstens eine gute Portion Klamauk verwurstet werden: Warum zum Teufel auch nicht? Wenn sich allerdings, wie auf "Musik Ist Trumpf" schaurig eindeutig dokumentiert, der Einfallsreichtum darauf beschränkt, unkaputtbare Evergreens vom Schlage eines "Theo, Wir Fahr'n Nach Lodz" auszugraben und diesen dann keinerlei Pfiff zu verpassen, drängt sich die Frage nach der Daseinsberechtigung dieses Albums geradezu auf.

Gesanglich hob die singende Föhnwelle die Welt noch nie aus den Angeln. Nachdem offensichtlich inzwischen auch noch das Augenzwinkern flöten gegangen ist, mausert sich dieser Umstand von einer kleinen Unzulänglichkeit zu einem schier unerträglichen Manko.

Besonders offenbar wird Kuhns fehlende Stimmgewalt an Stellen, an denen er sich an großen Kollegen seines Fachs messen lassen muss: Einem Udo Jürgens darf er nach dieser Darbietung von "17 Jahr, Blondes Haar" allerhöchstens den Bademantel, keinesfalls jedoch das Wasser reichen. Allzu deutlich manifestieren sich die Schwächen.

Warum sollte man sich Lieder wie "Dschingis Khan", "Er Hat Ein Knallrotes Gummiboot" oder (im Original von Drafi Deutscher bereits einer der wenigen Titel, die selbst meine Mutter in der Rubrik "Brechmittel" abzulegen pflegt) "Marmor, Stein Und Eisen Bricht" in ideenlos nachgeschrappten und kümmerlich vokalisierten Versionen zu Gemüte führen? Warum nicht gleich Peter Alexander in "Die Kleine Kneipe" folgen, dessen Gesang im Refrain der vor Melancholie und Schunkelpotenzial triefenden Nummer wenigstens nicht komplett versickert?

Wenn's mit der Ironisierung nicht mehr klappt, dann halte ich mich doch lieber weiterhin an die Herren Michael Holm, Gunter Gabriel, Henry Valentino (deutlich weniger asthmatisch im Wagen hinter mir unterwegs) und Roy Black, vielen Dank. Da hilft dann auch die bewundernswert netzhautzerfetzende Covergestaltung nichts mehr.

Trackliste

  1. 1. Hey! Amigo Charly Brown
  2. 2. 17 Jahr, Blondes Haar
  3. 3. Schön Ist Es Auf Der Welt Zu Sein
  4. 4. Barfuß Im Regen
  5. 5. Komm' Unter Meine Decke
  6. 6. Dschingis Kahn
  7. 7. Hab Ich Dir Heute Schon Gesagt, Dass Ich Dich Liebe
  8. 8. Er Hat Ein Knallrotes Gummiboot
  9. 9. Die Kleine Kneipe
  10. 10. Die Maschen Der Mädchen
  11. 11. Ganz In Weiß
  12. 12. Theo, Wir Fahren Nach Lodz
  13. 13. Wunder Gibt Es Immer Wieder
  14. 14. Marmor, Stein Und Eisen Bricht
  15. 15. Im Wagen Vor Mir

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LAUT.DE-PORTRÄT Dieter Thomas Kuhn

Was dem einen sin Uhl, ist dem andern sin Nachtigall: An kaum einer Musikrichtung scheiden sich die Geister in ähnlicher Weise wie am deutschen Schlager.

10 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    Die Zeile mit Udo Jürgen's Bademantel hat 5 von 5 Punkten verdient :)

  • Vor 17 Jahren

    Tja, das passiert wenn ein Musiker wie DTK den Weg in die "Ernsthaftigkeit" beschreitet, eigene Musik macht und dermaßen floppt, dass es eigentlich jemand leid tun muss.

    Dass er nur wegen der Kohle zurück zu Bewährtem gegangen ist hat er gesagt, von daher war das Resultat mehr als vorhersehbar.
    DTK hat jedoch Glück: Sein Publikum ist es auch. DTK Konzerte sind Happenings mit festem Publikum die es auch noch in 10 Jahren total witzig finden werden ein solches zu besuchen. Egal wie schlecht DTK den Auftritt bestreitet.

  • Vor 17 Jahren

    @tobsen02 (« DTK Konzerte sind Happenings mit festem Publikum die es auch noch in 10 Jahren total witzig finden werden ein solches zu besuchen. »):

    Ich bin in der Materie jetzt nicht so vertraut, aber ist es wahrscheinlich, dass diese dann in 10 Jahren überhaupt noch leben? :???: