laut.de-Kritik
Grime-Erfinder will zurück an den Puls seiner Szene.
Review von Yannik GölzDizzee Rascal war da, als Grime erfunden wurde. Als junger Drum'n'Bass-DJ eignete er sich mit vierzehn Jahren Rap-Pattern auf einer halsbrecherischen Geschwindigkeit an: Teil einer Soundäshthetik, die britische Rave-Kultur mit einem Musikstil verband, der sich etwa zeitgleich zum heutigen Trap entwickelte.
Inspiriert gleichermaßen von Crunk-Acts wie Three 6 Mafia oder Lil Jon und dem vorherrschenden UK-Garage-Sound tüftelte er ein Album aus, das bis heute als Genre-Klassiker gehandelt wird: "Boy in da Corner". Ein frühes Highlight für Grime – und ein gigantischer kommerzieller Erfolg für Rascal. Dieser arbeitete sich in der britischen Musikindustrie hoch, suchte die Anerkennung eines breiten Publikums und liebäugelte vermehrt mit dem amerikanischen Mainstream, der ihm trotz Songs mit Calvin Harris und Will.i.am nach wie vor wenig Gegenliebe gewährte.
Zeitsprung, 2016: Rascals letztes kommerzielles Projekt beinhaltete Zusammenarbeiten mit Jessie J und Robbie Williams, doch seine Entwicklung stagniert. Von einer Nacht auf die Andere eröffnet sich jedoch eine transatlantische Brücke: Drake.
Drizzys interessiert sich nicht für Dizzee, der kanadische Superstar macht lieber Halt in den düsteren Untergrundkellern und besorgt sich Inspiration und Features von raueren, untergründigeren Grime-Rappern wie Skepta, Wiley und Giggs. Für einen kurzen Moment steht Grime also plötzlich im Fadenkreuz der internationalen Aufmerksamkeit – ironischerweise allerdings genau der Part der Szene, von dem sich Rascal seit Jahren wegentwickelt hat – auf der Suche nach internationaler Aufmerksamkeit. Eine verzwickte Situation für den Künstler also, der auf eine zugegeben vorhersehbare Art und Weise reagiert: "Raskit" - ein Back-to-the-Roots Grime-Album, kein Firlefanz, keine verwässerten Features, kein Pop. Genau das, was Drake immer gefordert hat, vielleicht.
An sich klingt es nach einem künstlerisch vernünftigen Schritt, als Pionier des Genres die ursprüngliche Soundästhetik zurückzuholen. Nichtsdestotrotz bleibt der fade Beigeschmack der Verrenkung, des Erzwungenen. Das Album beginnt dennoch vielversprechend: Auf energetischen Grooves arbeitet Rascal sich Bar für Bar, Part für Part in ein Terrain vor, das so ziemlich jedem Rapfan Freude bereiten dürfte. Temporeiche, variable Flows, Reimketten und Technikstunts geben sich die Klinke in die Hand. Man fühlt sich fast ein wenig beschämt ob der Tatsache vergessen zu haben, was für ein virtuoser MC Dizzee Rascal eigentlich ist.
Doch über sechzehn Tracks macht sich recht schnell bemerkbar, dass einfach nur Flow noch kein Album trägt. Besonderes Sorgenkind: Die Produktion. Abgesehen von den drückenden Synth-Leads der Einstiegtracks und dem verspielten, an "Boy in da Hood" erinnernden Sample auf "Ghost" regnet es uninspirierte Melodielines, unspannende Songstrukturen und einen Rhythmus, der sich vielleicht ein oder zwei Mal auf dem ganzen Album von der immergleichen Synkopation zwischen Basskicks und Claps mit ratternden Hats wegbewegt. Und das entweder für einen halbherzigen RnB-Versuch auf "She Knows What She Wants" oder einem vibefreien G-Funk-Anleihen im Schlusstrack "Man of the Hour".
Hier lässt sich das große Problem des Albums festmachen: Zwar spielen alle wirkenden Interpreten durchaus mit virtuoser Fachkenntnis, dennoch klingt "Raskit" beinahe unnatürlich steril und über weite Strecken auch relativ ideenlos. Für den ein oder anderen halsbrecherischen Grime-Banger mag das ja funktionieren, doch nachdem das Pulver nach drei Anspielstationen schon einigermaßen verschossen scheint, bleibt ein mäßig spannendes Rapalbum, dessen nennenswerten Überraschungen und Genre-Anleihen durch die anorganische Produktion eher nach hinten losgehen.
Insgesamt fällt es schwer, "Raskit" nachhaltig zu empfehlen. Für frenetische Grime-Fans garantieren allein die überragenden Rapparts von Rascal ein zufriedenstellendes Hörerlebnis, doch abseits des Protagonisten bleibt das Album hinter seinem Potential zurück – weder wird das Genre weiter vorangetrieben, noch entsteht ein Throwback, der dem rauen und brutalen Vibe der Grime-Wurzeln wirklich gerecht werden würde.
Das lässt Rascal in einer seltsamen Position zurück, seinen Popfans wird dieses Tape nämlich herzlich wenig geben – aber wirkliche Grimeheads haben dann eben doch potentere Anspielstationen. Am Ende bleibt das Gefühl eines erzwungenen Throwbacks zu dominant, um "Raskit" weit über dem Mittelmaß ansiedeln zu können.
4 Kommentare mit 12 Antworten
Die Produktion ist sehr durchfall. Klingt einfach nicht dick. War wohl n Schnellschuss. Sehr schade, da sehr versierter MC.
Top Beitrag. Einfach 1zu1 den Inhalt der Rezi hingeschwallt.
durfte den Herrn mal live als Vorgruppe erleben...
wie soll ich sagen... das war dann doch etwas vom schlechtesten was ich jemals live erlebt habe!!! hauptsache der haupt-act war hammer...
daher, egal was für Output von dizzee kommt, etwas gescheites kanns dann wohl nicht sein...
da fällt mir gleich wieder ein teil seines live-sets ein...
sein guns n roses cover ein...
ein graus... und aus!!!
Ein Graus...so wie...
...
sowie deine Schreibweise.
Und so nichtssagend...
Es gibt so gewisse Fangruppen, die an Ueberheblichkeit kaum zu uebertreffen sind: Meshuggah, Radiohead, Tool - und John Frusciante. Es sind gewiss nicht alle so, und zumindest manche Tool-Fans grenzen sich ja von diesen engstirnigen Idioten ab, bei Radiohead-Fans kommt sowas meiner Erfahrung nach am seltensten vor. ataxia78 ist leider einer dieser Idioten.
Wobei ataxia78 jetzt eigentlich auch kein typisch-toolnerd'scher Progsnob sein kann, weil offensichtlich ziemlich beschränkt.
http://www.laut.de/News/Terroranschlag-Tot…
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
METAL UP YOUR ASS!!!!! \m/
Der Nickname lässt doch darauf schließen, dass Baude ihn dem Frusciante-Fanlager zugerechnet hat
Ist dem Herrn Ataxia78 eigentlich bewusst das Frusciante italienische Vorfahren hat und seine Familie Zugezogene waren?
Wie kann man mit nem J.F Namen im Nick nur so'n beschränktes Weltbild haben.
Ich hör jetz auf bevor Baudelaire mich auch in ne Fanboi Schublade packt
Hast Recht, wird eigentlich auch aus Baudes' Text deutlich. Bin halt auch etwas beschränkt.
Du bist ja jetzt keiner dieser brutal nervigen Tooloholiker.
Bei Frusciante frage ich mich halt, wo dieses following herkommt. Seine ersten 3 Soloalben hat damals keiner gehoert, und nur die waren richtig gut. Ab Mitte der Zweitausender wurde die Musik zunehmend praetentioeser und leider auch schlechter. Da stiegen dann so Voegel wie dieser bigfoofightersfan ein.
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
Bin grad beim 7. Track, die Kritik an der Produktion ist bis jetzt nicht im Ansatz nachvollziehbar. Würde eher sagen, Stormzy und Konnichiwa können sich ficken, wenn das Album jetzt nicht noch stark abfallen sollte.
Godfather müsste ich noch hören.
Falls es sich um den selben Yannik handelt, der auch alle 10 Finger bei rappers.in im Spiel hat, ist seine Inkompetenz auch nicht weiter verwunderlich...
Ich empfehle großartige Stilblüten wie seine Review zu "Anarchie & Alltag" von der Antilopen Gang.
Wobei auf der 2. Albumhälfte bis auf Sick a Dis wirklich nicht mehr viel Brauchbares drauf ist, komplett daneben ist die Kritik also nicht.
Aber die ersten 7 Tracks sind pures Gold.