laut.de-Kritik
Mit der Geisterhand eines meisterhaften Arrangeurs.
Review von Dani FrommManche Platten entfalten ihre Wirkung völlig unspektakulär. Ohne vordergründige Effekthascherei schummeln sich sie sich ins Bewusstsein, machen es sich dort gemütlich und belegen, ehe man versteht, was passiert, sämtliche Schaltkreise. "More than a speech, more than a talk, far more than a story." Wie Recht DJ Vadim mit seinem "Intro" behalten soll: Beim ersten Kontakt hatte ich nicht den blassesten Schimmer.
Zum Einstieg gestattet "Fear Feats" Mitwippen im behäbigen Reggae-Rhythmus. Helle Bläser stehen in Kontrast zum dicken Bass. In gleicher Weise begegnen sich angenehmer Gesang und tief grollendes Toasting. Emo und Syrus bilden die Vorhut einer bunten Vokalisten -Reihe, die Vadims Soundkonstruktionen die Krone aufsetzen.
In der Weite von "Talk To Me", die immer wieder unvermutet in Dub-, Jazz- oder Funk-Gefilde ausfranst, begegnen wir der körperlosen, fast unwirklichen Stimme Senas. Mit Abstract Rude geht im synthielastigen Titeltrack ein pointiert sprech-singender waschechter Westcoast-MC an den Start. Dianes Vocals in "Them Say", wo sich Karibik und Abendland mittels Percussions die Hände reichen, stehen dagegen wieder deutlich in einer Ragga-Tradition.
"Like The Wind" reitet Deuce Eclipse den Sandsturm. Einer Karawane gleich durchziehen seine Zeilen die von Flöten, Bassschlägen und einem einsamen Cello geschaffene Landschaft, in der die eine oder andere akustische Fata Morgana nicht weiter verwundert. Handfester und kompakter präsentiert sich "Black Is The Night": Kathrin DeBoer behauptet sich mit ein wenig an Macy Gray erinnerndem Organ zwischen blechernem Hall und wie dickflüssiger Honig tropfenden Bässen. Eine gute Vorbereitung auf "Got To Rock", in dem einen Zion mit dem schrillen Klingeln eines Telefons zurück in der wirklichen Welt willkommen heißt. "Don't stop. We got to rock."
Saxophon, Streicher und Chorgesänge in "Theme To Big Willy Dee", Killa Kelas Beatbox in "Ballistic Affairs", der klagende "Sufferin Blues" (eigenwilliger Gesang und Akustikgitarre inbegriffen), der Spoken Word-Charakter der Raps aus "Bath In Bleach" ... Eine Auflistung sämtlicher Details, die Erwähnung verdienen, würde vermutlich sogar diesen großzügigen Rahmen (ganz sicher jedoch die strapazierte Geduld des geplagten Endredakteurs) sprengen.
Trotzdem komme ich nicht umhin, "Kill Kill Kill" zu erwähnen. Abartig rasende Flows von NTMs Big Red können in dieser Form einfach nur aus Frankreich stammen. Die Grande Nation hält den Geschwindigkeitsrekord offensichtlich nicht nur auf der Schiene. Auch bin ich nicht bereit, "SD4" unter den Tisch fallen zu lassen. "Where's the beat?" Eine berechtigte Frage, während Vadim auf der Klaviatur der Erwartungen spielt und sein Instrumental zerhackt, bis man sich nicht mehr sicher ist, ob man es nicht vielleicht mit einem Walzertakt zu tun hat.
Hohe Produktions-Kunst manifestiert sich in Tracks wie "Milwaukee". Abstruse Samples lassen verblüfft verharren. Entstammt das einer Oper? Dem Gebetsruf eines Muezzins? Egal, die Funktion des Earcatchers erfüllt der Einstieg auf das Prächtigste. Atmosphärisches Knistern verleiht einem sich anschleichenden Rhythmus Textur. Bei aller Ruhe und Verhaltenheit baut sich doch greifbare Spannung auf. Ein Element nach dem anderen erscheint und findet seinen Platz im sich entwickelnden Gefüge, angeordnet von der Geisterhand eines meisterhaften Arrangeurs.
Ein Blick auf den resultierenden dicken Soundteppich drängt die Frage auf: Woher nahm der Kerl in gerade mal vier Minuten nur all diese Fäden, die hier verwirkt wurden - und wohin hat er den Webstuhl verschwinden lassen? Das "Intro" versprach "an experience never to be forgotten." In der Tat.
1 Kommentar
gute Scheibe ... in längerer Form:
http://www.exitmusic.ch/rezensionen/neuers…