18. April 2016
"Ian Curtis ist unerträglich"
Interview geführt von Michael SchuhDie richtigen Ideen zur richtigen Zeit: Hierfür scheint Max Gruber alias Drangsal ein Händchen zu haben.
Aus einem beschaulichen Ort in Rheinland-Pfalz verschlug es ihn nach Berlin, er komponierte drauflos, schnappte sich Produzent Markus Ganter, komponierte ein tolles Debütalbum und überredete Jenny Elvers, in einem Video mitzuspielen. Der Drangsal-Sommer ist voller Festivaldates und ab Freitag ist das Album "Harieschaim" erhältlich, das den Glanz früherer Wave- & Indie-Zeiten mächtig aufpoliert. Höchste Zeit, mal mit Gruber über ein Jahrzehnt zu sprechen, das er gar nicht selbst erlebt hat.
Ich hab mal nachgerechnet: Mit laut.de ging es los, als du gerade 4 Jahre alt warst. Danke, habe mich selten so alt gefühlt.
Max Gruber: (lacht) Jetzt fühle ich mich umso jünger.
Das freut mich sehr.
Ja, geht. Früher hatte ich es immer satt, der Jüngste zu sein. Jetzt ist es mir egal. Meine Schwester heiratet dieses Jahr auch schon, meine Güte.
Dann darfst du ja mal wieder in deine pfälzische Heimat Herxheim, oder?
Ja, sie heiratet tatsächlich in Herxheim. Wir spielen dann sowieso gerade auf dem Maifeld Derby in Mannheim, das ist ja nahe und dort spiele ich ihr zu ihrer Hochzeit dann "She's Like The Wind" oder sowas.
Ich bin ja auch oft in Herxheim, aber halt in Herxheim am Berg. Ist natürlich was anderes.
Komplett anders. Das ist das falsche Herxheim. Das schlechte Herxheim. (Gelächter)
Dein Debütalbum heißt "Harieschaim", laut Wikipedia die erste urkundliche Erwähnung Herxheims. Vermisst du deine überschaubare Heimatstadt denn, jetzt da du seit ein paar Jahren weg bist und in Berlin lebst?
Ich vermisse bestimmte Dinge an der ländlichen Idylle. Zum Leben ist Berlin für mich aber momentan die einzige Wahl. Wien käme noch in Frage, aber ich will nicht weg. Ich finde, dass so ein grundsätzliches Heimweh nie schlecht ist. Den Großteil meines Lebens habe ich ja immer noch in Herxheim verbracht. Auf einem emotionalen Level hat vieles von dem, was in der Platte steckt, rückblickend betrachtet in der Peripherie Herxheims stattgefunden.
Wie war dein Leben in Herxheim? Um es in deinen Worten zu sagen: Viel Ingrimm?
Ja. Trist. Die meisten Menschen, die dort leben, bleiben für immer und fristen da ihr Leben als ... Langweiler. Es gibt da auch nichts. Es ist einfach kulturelles und emotionales Brachland.
Bist du dann abends immer nach Karlsruhe gefahren?
Nee, damals ging in Karlsruhe noch nicht so viel. Mittlerweile gibt es dort gute Booker und es sind Kulturzentren entstanden, die von der Stadt gefördert werden.
Du meinst die Zeit um 2010?
Hmm, ja, schon ab 2008 eigentlich. Ich war dann oft in Heidelberg im Karlstorbahnhof. Der, der als erstes den Führerschein hatte, musste dort hin fahren. Wahlweise auch Bahn, und dann bis 6 Uhr am Bahnhof sitzen, um den ersten Zug zurück zu kriegen. Wir sind auch mal nach Frankfurt, Köln oder Stuttgart gefahren, um irgend eine Band zu sehen. Oder nach Darmstadt in die Oetinger Villa, ich glaube, da haben mal Oiro gespielt.
Nach Köln ist es von Herxheim aus schon ne Ecke, für welche Band hast du das gemacht?
Da bin ich zwei Mal hin, einmal für Morrissey im Palladium und für Wavves. Dort bin ich rausgeschmissen worden, bevor das Konzert überhaupt losging, weil ich 15 war. Das war ne Raucherkneipe. Ja und dann sind wir mit miesester Laune wieder dreieinhalb Stunden zurück gefahren.
Eine Ausweiskontrolle am Eintritt?
Nee, wir sind da zu dritt rein, extra früh, gerade als Wavves mit dem Soundcheck aufgehört hatten und sind an die Bar gegangen, wurden dort dann aber aufgefordert zu gehen.
Sprechen wir doch über Morrissey, für den ich ja mal nach Spanien gefahren bin, um dann zu sehen, wie er nicht auftritt.
Oh, der Klassiker. Ich war 2009 bei der "Years Of Refusal"-Tour, wo er meines Wissens fast jede Show gespielt hat. Das war ein No-Brainer, ich bin mit meinen Eltern hingefahren, nachdem ich sie genötigt hatte.
Und? War gut?
Megagut. Damals hat er auch noch mehr, nicht dass mir das jetzt sehr am Herzen läge, Smiths-Songs gespielt. Auf jeden Fall hat er "Some Girls Are Bigger Than Others" mit der dritten Strophe gesungen, die er nur live spielt. Und "Girlfriend In A Coma", was mir sehr gut gefallen hat, und natürlich viele Solostücke von "Years Of Refusal", aber leider kaum welche, die mir gut gefallen. Aber die Songs von ihm, die mir gefallen, spielt er eh nie live.
Zurück zu dir: Du tüftelst ja sicher nicht erst seit deinem Umzug nach Berlin an Musik, oder?
Nein, ich habe immer versucht, mich musikalisch zu betätigen, einfach weil mich Musik immer begeistert hat. Mit 13 hatte ich meine erste Band und ich wollte immer Sänger sein. Frontmann-Personen wie Morrissey oder Marilyn Manson fand ich toll. Eine Weile lang war ich mehr von Charakteren begeistert als von der Musik. Als andere Leute in meiner - ich nenne es mal - Peer Group musikalisch schon viel weiter waren, erst da fiel mir auf, was man machen muss, um einen Song so gut klingen zu lassen, wie er klingen muss.
Ich hatte noch nicht mal ne Gitarre in der Hand gehabt, da wussten andere schon, was ein USB-Interface ist und wie man das mit Cubase verbindet. Bis dahin dachte ich, das kommt einfach zu mir, bis ich gecheckt hab, dass ich selber da hin muss. Angefangen hab ich mit Bass, dann Gitarre, Keyboards, Schlagzeug konnte ich eh schon immer son bisschen. In Herxheim wurde mir auch klar, dass sich hier wohl in naher Zukunft erst mal nichts ergibt und dass ich besser mal alles alleine mache.
Die Band Sizarr kommt ja nicht nur aus der Pfalz, sondern direkt aus deiner Nähe, aus Landau. Kennt man sich automatisch, wenn man Musik macht, die eher nicht für Weinfeste geeignet ist?
Man kennt sich in der Pfalz sowieso, ob man Musik macht oder nicht. Mit der Peer Group vorhin meinte ich zum Beispiel auch Sizarr. Die können ja sowieso alles besser als ich, also wirklich mal. Ich habe sehr viel von denen gelernt. Und eine Stadt wie Landau war für uns dann automatisch das Ziel, wenn man mal in eine Kneipe gehen muss.
Ich kannte sie vom Hörensagen und habe mich dann als erstes mit Marc angefreundet, dem Drummer. Im Karlstorbahnhof waren wir dann eben auch oft, weil Sizarr da aufgelegt haben. Anonymität ist gar nicht möglich, denn es gibt nur vier Gymnasien, eins in Herxheim und drei in Landau. Also ganz schlimm dorfmäßig, wie man sichs vorstellt.
"Bei Casper habe ich einen bleibenden Eindruck hinterlassen"
Dein Produzent Markus Ganter ist ja ein vielbeschäftigter Mann, der Sizarr, aber auch Casper gemacht hat. Wäre dein Album mit jemand anderem nicht viel schneller fertig geworden?
Bestimmt, aber das hätte ich nicht gewollt. Ich habe Markus während der Arbeit am ersten Sizarr-Album kennen gelernt, als er mit Philipp und Fabian nach Mannheim gezogen ist. Mir war gleich klar, dass er von der Persönlichkeit her genau der Mensch ist, mit dem ich gerne was machen würde. Davon abgesehen gefiel mir sein Stil sehr gut, alles glasklar und sehr orchestral.
Was hat er denn mit reingebracht in die Platte? Welche Impulse gab er? Kann man das benennen?
Absolut. Aber lass mich noch kurz was zu der Sache eben sagen: Ich habe eine sehr verschrobene Art, wie ich Songs konstruiere. Und da Markus und ich uns eben schon von früher her kannten und er auch sehr anpassungsfähig ist, ist er auch wirklich der einzige, dem ich meine Demos aufbürden möchte. Zumindest so vor drei Jahren, was ich ihm da teilweise für Sachen angeliefert habe ... Markus weiß einfach ganz genau, was ich mit manchen Dingen suggestieren möchte, auch wenn sie noch nicht ausgearbeitet sind. Und was er hineingebracht hat, ist vor allem ein Verständnis für Popmusik, Songwriting und Arrangements.
Und eben den Weitblick des Produzenten, während Musiker den Tunnelblick aufhaben, denn natürlich ist alles, was man geschrieben hat heilig und perfekt und niemand fasst was an. So war ich am Anfang auch drauf. Aber Markus hat zum Glück den Weitblick und räumt auf, was ich sehr schätze. Ich wollte nie Produzent sein, wäre aber vielleicht ein guter geworden, weil ich die Begeisterungsfähigkeit besitze, mich reinzufuchsen. Aber das alles konnten andere schon früh besser als ich.
Ich gehe mal davon aus, dass vor drei Jahren noch kein Label für dich in Sichtweite war. Das mag für Sizarr am Anfang zwar auch gegolten haben, aber so ein Produzent muss ja auch von irgendwas leben. Wieso meinst du, hat sich Markus auf dich eingelassen? War das die Freundschaft oder hattest du schon früh sowas wie einen möglichen Hit?
Das habe ich ihn auch mal gefragt. Es war ja schon früh immer mein Ziel gewesen, mit Markus aufzunehmen. Irgendwann habe ich ihn dann gefragt und seine Antwort war schlicht und ergreifend: Nein. (lacht) Ich glaube, dass ihm da ein gewisser Casper am Ende zugesprochen hat, denn bei dem habe ich wohl einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wir sind immerhin auch gut befreundet mittlerweile. Markus fand meine Songs vielleicht vorher schon okay, aber der hat ihm glaube ich noch mal zugeredet und gesagt: Mach das doch mal, dann bist du der erste, der es wusste, in Anführungsstrichen. Das klingt jetzt dumm, ist ein bisschen überspitzt ...
Nee, versteh schon.
Ja und wie gesagt, Markus könnte ganz andere Sachen machen, die ihm vielleicht auch mehr Geld bringen würden. Auf meine Frage antwortete er jedenfalls: Ich mache das, weil ich es gut finde. Er hätte auch größere deutsche Acts produzieren können, deren Namen ich jetzt nicht nennen will, die er aber abgelehnt hat, weil er sie scheiße findet. So was finde ich beachtlich.
Wir müssen noch mal an die vermeintlichen Sound-Vorbilder von dir ran, da kursieren ja oft dieselben Namen, ich sage jetzt mal drei: The Cure, The Smiths, Depeche Mode. Das sind ja jetzt drei steinalte Bands, die ich in meiner Jugend gehört habe. Müsstest du als Baujahr 1994 nicht eher Muse, Linkin Park oder Green Day geil finden?
Fand ich damals schon scheiße. Also Green Day finde ich echt kacke und mir kann auch niemand erzählen, dass "Dookie" ein gutes Album ist. "Basket Case" ist textlich und musikalisch zu dilettantisch, um geil zu sein und nicht dilettantisch genug, um geil zu sein. Es ist halt nicht Abwärts. Als die Leute in meiner Umgebung Green Day und Offspring gehört haben, habe ich Residents gehört.
Puh, das ist aber jetzt auch ne ganz andere Ecke des Horizonts.
So arrogant das jetzt klingen mag, aber mir war damals schon klar: Es gibt doch so viel mehr als Green Day. Warum soll ich mich mit "Do you have the time to listen to me whine" abgeben, wenn es auch Zeug gibt wie "The venus of the soup kitchen stood over me and all us poor cripples who've been in the war end up sleeping on the floor". Das hat doch einen ganz anderen Stellenwert.
Und wenn Leute zu mir sagten, sie hören Punk und dann kam Green Day und Offspring, sagte ich: Nee, du müsstest Crass hören oder Black Flag oder Misfits. Da war ich schon immer zu versnobbt. Ich kann schon auch einen guten Popsong erkennen. Wo wir von Green Day sprechen: Auf "American Idiot" sind sicher ein paar spitzenmäßige Popsongs drauf. Dafür bewundere ich sie. Musikalisch ist mir das aber doch etwas zu stumpf.
"Das beste Smiths-Album ist das letzte von 1987"
Worauf ich eigentlich hinaus wollte: Depeche Mode oder The Cure waren in meiner Jugend fette Bands, ich rede jetzt von der Zeit um 1990 ...
Ja, dazu muss ich sagen, dass ich The Cure überhaupt nicht höre. Joy Division auch nicht. Ich verstehe mittlerweile zwar, wo ich so oft damit konfrontiert werde, warum man diese Vergleiche zieht. Aber ich finde Ian Curtis unerträglich. Ich habe kein Verständnis dafür, dass so ein misogyner, depressiver, drogensüchtiger Frauenschläger zu so einer Gottesfigur erhoben werden kann, wo er doch nicht mal die Songs geschrieben hat. Und seine Texte hauen mich jetzt nicht vom Hocker.
Der hatte schon eine ganz eigene Aura, finde ich. Und dann ist es natürlich auch ein großer Pop-Mythos.
Eben, es ist der Mythos. Weil er sich umgebracht hat. Was ich auch scheiße finde. Klar gibt es tolle Songs wie "Warsaw", ich meine, da kann man ja nicht nicht aggressiv werden und sofort lostanzen wollen, wenn man dieses "3, 5, 0, 1, 2, 5, Go!" hört. Klasse. Aber es hat mich insgesamt eben nie so gecatcht. Auch The Cure. Mir war ja übrigens nie bewusst, wie berühmt The Cure sind. Ich dachte wirklich immer, die seien auf dem Level der Smiths, also dass, wenn man drin ist, man eben weiß wie big es ist.
Na, das wundert mich jetzt auch nicht. Als du angefangen hast, dich für Musik zu interessieren, wann war das wohl, 2000 rum ...
Mit fünf. Marilyn Manson und The Prodigy waren so die ersten. Prodigy, echt super. Deren Oeuvre kann man sich echt immer wieder einverleiben.
Ja shit, jetzt ergibt meine nächste Frage leider keinen rechten Sinn mehr, weil ich eigentlich so ne Art Checker-Test mit dir machen wollte, deine Top 3 von Cure, Smiths und Depeche Mode.
Ok, pass auf: Depeche Mode bin ich auch sehr spät zu gekommen, aber lass uns einfach über die Smiths reden. Die waren für mich total der Door-Opener für den ganzen 80er Kram. Ein Freund hatte mir den Song "Some Girls Are Bigger Than Others" gezeigt und den fand ich auch ganz nett so, hat mich in dem Moment aber nicht so gecatcht. Da war ich so 14 und hab viel querbeet gehört. Dann hab ich mal bei nem Freund übernachtet und konnte nicht schlafen und hab dann halt den Fernseher angemacht. Damals kamen auf MTV noch Night Videos, wo auch mal was Schrägeres gesendet wurde.
Vielleicht saß da so ein Programmheini, der früher mal bei nem Magazin gearbeitet und gedacht hat: Wie geil, hier kann ich Aphex Twin und The Smiths spielen. Und dann kam halt "Stop Me If You Think You've Heard This One Before" von "Strangeways Here We Come", das Video mit den Fahrrädern und es klingt erfunden, aber ich hab angefangen zu heulen. Ich war ein bisschen verwirrt und hab mich gefragt, wieso rührt mich das denn zu Tränen, das ist doch gar nicht die Musik, die ich hören würde. Dann hab ichs mir aufgeschrieben und am nächsten Tag am Computer geguggt, aha, The Smiths, habe gleich danach "Cemetry Gates" gehört, "Frankly Mr. Shankly", dann "Rubber Ring", durch die Bank eben, und bin dann gleich in den Media Markt nach Landau gefahren und hab CDs gekauft.
Also eine halt, oder?
Nee, die hatten sogar einige da. Also erst mal die, die damals grade rausgekommen ist, "The Sound Of The Smiths", die Best Of. Und als ich dann alle Alben hatte, wars wirklich um mich geschehen. Wie es halt so ist mit 14. Und ich war ohnehin immer so ein verdrossener Mensch, düster wäre jetzt vielleicht das falsche Wort. Jedenfalls hat Morrissey und dieses ganze Teenage Angst-Ding absolut gepasst.
Die ganze Coming-Of-Age-Scheiße, die jeder durchmachen muss, auch wenn sie eigentlich totaler Quatsch ist, gegen die man sich aber auch nicht wehren kann, weil es eben ein natürlicher Prozess ist. Morrissey war mein Gott. Irgendwas löst auch die Produktion in mir aus: Gated Reverb auf der Snare, viel Chorus auf den ganz sauberen, cleanen, mit einzelnen Strings gepluggten Gitarren, der Pluckerbass mit Plektrum und Slaps, diese Emotionen, das ist die Sehnsucht nach dem ganz großen Popsong. Und dann so aalglatt, dass es schon wieder zum Kotzen ist.
Also: Die beste Smiths-Platte?
"Strangeways Here We Come". Unanfechtbar.
Okay, für mich nicht. "The Queen Is Dead" steht bei mir oben.
Was ich verstehe, weil die Hitdichte halt unerreicht ist.
Genau. Und ich bin eben ne Popsau.
Verstehe ich absolut und ich würde die auch fast gleich ranken, aber auf "Strangeways" ist halt "Stop Me" drauf, mit dem bei mir alles angefangen hat. Alleine deswegen hat die Platte bei mir einen so hohen Stellenwert. Mich begeistert aber auch, dass sie sich von den ganzen anderen Platten so abhebt, einfach weil Morrissey plötzlich Synthesizer erlaubt hat. Bei "Death At One's Elbow" sind digitale Claps drin, was vorher nie in einem Smiths-Song zu hören war. Das hätte noch eine sehr interessante Richtung einnehmen können.
Morrissey selbst hat gesagt: "People always say Queen Is Dead is the best Smiths album. But it's Strangeways Here We Come. I know it. I was there. I supplied the sandwiches.". Das fand ich immer ganz schön. Sorry, ich hab mich da jetzt richtig reingenerded, aber wenns um Smiths geht, muss man mir halt erst nen Stöpsel reinstecken, bevor ich die Klappe halte.
Nee, finde ich eine interessante Argumentation mit "Strangeways". Und wann kann ich in einem Interview schon mal so schön mit jemandem über die Smiths philosophieren. Die Sache mit den Lieblingsalben, das ist natürlich wie so oft auch eine Stimmungssache. Es gibt ja schon auch noch die anderen super Smiths-Platten.
Ja, für mich ist das beste Smiths-Album eben das letzte von 1987 und das Schlechteste ist, naja, so will ich das jetzt natürlich nicht sagen, aber am wenigsten höre ich tatsächlich das erste, also das selbstbetitelte Debüt. Andererseits ist da wieder "Miserable Lie" und "You've Got Everything Now" drauf. Die Produktion war damals aber halt schon noch so dieses klassischer 80er Jahre-Garagenpostpunk. Trotzdem finde ich, man konnte damals schon merken: Die waren einfach für mehr bestimmt.
Was ich übrigens auch ganz cool finde: Du spielst sowohl auf In-Festivals wie dem Maifeld Derby neben angesagten Acts wie Wanda und Motrip und dann wieder auf so Genre-Happenings wie dem ...
WGT!
... dem Wave Gotik-Treffen in Leipzig.
Und weißt du was? Das passt mir sehr gut in den Kram und ich bin froh, sowas machen zu dürfen. Ich glaube Markus und ich haben eine Platte gemacht, die für viele Ohren angenehm ist. Ich will mit meiner Musik auch niemanden ausschließen. Es ist mein Anspruch, Popmusik zu machen, die jeder hören darf und kann. Ich meine das nicht großkotzig. Früher als Kind habe ich die Reaktionen auf Marilyn Manson gesehen: Der schminkt sich und alle finden den kacke. Ab da wollte ich den Leuten auch immer einen Grund geben, alles kacke zu finden. Weil es so einfach ist. So Sid Vicious-mäßig: Du ziehst dirn Shirt mit nem Hakenkreuz an und ziehst den Hass auf dich. Aber das ist mir immer zu einfach.
Ich finde es viel schwieriger, anbiedernd zu sein und was zu machen, was viele Leute gut finden können. Wo vielleicht auch bei der Geschmackspolizei die Alarmglocken zu läuten beginnen, ich aber als Künstler dann sage: Nein, ich weiß, was ich mache und ich kenne mich aus. Deswegen finde ich es schön, dass das nun in diesem Livekontext Früchte trägt. Wir können sowohl vor einem Goth-Publikum, als auch vor so 17-jährigen Festivalgängern spielen, die vielleicht Foals hören und die Intro lesen. Wenn ich dann mit jemandem wie dir rede, der weiß, wo die ganzen Sachen verankert sind, dann schmeichelt mir das natürlich, klar.
Oh, wie schmeichelhaft jetzt auch für mich.
Nee, über sowas freue ich mich halt. Ich wünschte echt, ich hätte ne coole Attitude, aber ich habse einfach nicht. Ich bin nicht Nick Cave. Oder Anton Spielmann. Leider. Ich wünschte ich wäre cool, aber ich bins nicht.
18 Kommentare mit 19 Antworten
Geiler Typ! Frag mich gerade, was ich mit 22 so gemacht habe... So geschmackssicher und pointiert war ich jedenfalls nicht.
Ich konnte mit 22 noch nicht mal googeln ...
Mit Green Day und Strangeways hatter selbstredend recht!
Das ist so das Ding bei ihm. Er ist nett, musikalisch gut sozialisiert und perfekt geeignet für einen munteren Plauschabend. War mir so klar, dass der Schuh bei dem anbeißt, sobald er auf ihn aufmerksam wird.
Trotz dieses scheinbar sehr authentischen Moments spielt er natürlich unglaublich mit Schein und Sein. Diese "Ich bin ein lamgweiliger, normaler Typ"-Attitüde spielt er z.B. in jedem Interview aus, um damit seine vermeintliche Sonderposition im Darstellerzirkus der Popmusik zu unterstreichen.
Wenigstens war er so ehrlich und hat implizit eingestanden, dass er ohne diesen Hype/freundschaft zu Sizarr und sich daraus ergebende Seilschaften in höhere Kreise alleine von seinem musikalischen Talent her niemals in diese Position gerückt wäre. Wirklich ehrlicher Moment mit diesen "Demos von vor drei Jahren", die klingen nämlich...ähem..."roh" ist noch zu freundlich. Schlecht vertonte Witze mit, zugegebenermaßen, stellenweise guten Pointen. Könnte mir vorstellen, dass einen Producer noch etwas mehr bewogen haben muss als Caspars Zuspruch, um sich an den Schliff dieses "Rohdiamanten" zu wagen, denn auch sein "Multinstrumentalistentum" ist erfahrungsgemäß auf dem Niveau meiner Aussage, ich könne auch Karinette spielen, wenn ich im 70. Take auf ner Homerecording-Aufnahme mit Midi-Keyboard ein 5-sekündiges Softwareinstrumentenpattern einspiele...
Mmmh, klingt so, als ob du den Burschen schon etwas länger kennst. Bin auf jeden Fall gespannt wo die Reise mit ihm hin geht. Für den Anfang macht das mal Bock auf mehr. Und hey - die Pfalz ist kein Ort für Wunderkinder! Gestehen wir ihm sein Multiintrumententum für den Moment doch noch zu und hoffen, dass er nicht verheizt wird oder sich künstlerisch verzettelt.
Beim Schuh hast du natürlich Recht - da brauchst du nur was von den Smiths faseln und er bekommt feuchte Hände...
@pseudologe: Klingt ja interessant, bist du aus Herxheim? Im Ernst, ich fand das Gespräch erfrischend. Schon ein guter Typ, nicht weil er vieles richtig sieht, sondern weil er ne Meinung hat. Diese ganzen Medienprofis heute hauen doch nur noch Floskeln raus.
@Harri: Werd ned frech, sonst verrate ich wo dein Auto steht!
@Don: Nee, ganz so schlimm hab ich's nicht erwischt
Aber wie er schon im Gespräch meinte - die Pfalz ist echt klein. "Musikalisch" kennt hier jeder jeden nach 2 Jahren und weiß ganz genau, ob er will oder nicht, was bei den anderen so im Kessel brodelt. Meist halt nur Wasser, wie bei einem selbst.
Aber im Ernst, hab das Abheben von Sizarr und eben jetzt auch Drangsal schon seeehr nah dran miterlebt. So nah, dass sie zu den ersten gemeinsamen Gigs noch ihre Eltern mitbringen mussten, weil das Konzert nicht vor 24 Uhr zu Ende war und sie ohne elterliche Begleitung das Venue nicht hätten bespielen dürfen.
Diese Eltern wiederum... na ja. Was das Schielen nach kommerzieller Vermarktung ihrer Sprösslinge betrifft, hatten die mE schon immer nen ordentlichen...ähem... Helikopterantrieb
Haha. Nice. Mag alles sein, Fakt is, die Drangsal-Mucke läuft mir besser rein als Sizarr. Für ein Debüt schon ordentlich ausgefuchst ...
Producer-Credits, mE
Dachte ich mir aber echt mit dir und der Liebe zu Drangsal-Mucke, gemessen an deine Kolumne, Diese atmosphärische 80s-Schiene, die fährt er schon geschickt und eben mit mächtig Backup-Wissen und als generell eher sympathischer, umgänglicher Typ.
Sizarr gehen mir rein musikalisch mehr rein, obwohl ich die Nachfolgeplatte schon nicht mehr so ergreifend fand wie das Major-Debut.
"Wir hier" kommen schon aus dem Staunen nicht mehr raus, dass der Blick durch Sizarr und Drangsal jetzt plötzlich auf die Pfalz wandert, aber wie so oft gibt's hier im Underground noch viel abgefahrenere Sachen als das, was kommerziell so an die Oberfläche gespült wird...
Ich sach nur
Dann hau doch mal so ein paar Underground-Bands raus, die es aus der Pfalz aktuell zu entdecken gibt. Über das FFriends FForever (https://soundcloud.com/ffriends-fforever)-Netzwerk hinaus. Ich selbst habe bis 2012 in Landau gelebt und mitunter eins der ersten Sizarr-Konzerte dort veranstaltet. Darum fände ich es jetzt mal spannend zu hören, wie sich das alles entwickelt hat.
hahaha.... Nee, vvvon Ffffriends ffffforever red ich hier nicht, auch wenn ich diese Chose ebenfalls mitbekommen hab.
Das ist ja auch nicht underground und wollte es nie sein - das ist die "Wir suchen die nächsten Sizarr!"-Kommerzmaschine, von Sizarr selber mit initiiert.
Bist wohl auch so ein braver Sinius-Jünger, wenn du Sizarr/fffFRffrFff schon für musikalischen "underground" hältst, ganz unabhängig vom Wohnort.
3B? ? Agnoria?
...vor allem die Anmerkungen des Herrn zur Curtis'schen Lyrik sind lustig. Ihr könnt euch ja mal den Spaß machen und "Will ich nur dich" des haarieschen Heimers mit "The Eternal" vergleichen. Noch Fragen?
Drangsal ist für mich irgendwie eine ambivalente Geschichte. Der Junge ist stilsicher, keine Frage. Ich find die Mucke geil, weil da im Prinzip alles drin ist, musikalisch wie von der Attitüde her, was ich geil finde. Aber GLEICHZEITIG kommt mir der Herr Gruber so massiv überprätentiös vor - Und er hat eben nicht jenes Charisma auf der Bühne wie die Helden Smith, Morrissey, McCulloh und Curtis - es ist im Endeffekt doch alles recht gewöhnlich. In den gefühlten 5.000.000 Interviews stilisiert er sich aber doch mehr zur Kunstfigur und potentiellem Pop-Mythos hoch, was mir teilweise echt auf den Zeiger geht. Das seltsame an ihm ist, dass er das selbst auf so eine schizophrene Art und Weise auch sieht. Er betrachtet sich auf jeden Fall als Außenseiter, als Weirdo, mögliche Leitfigur einer Counter Culture - so halb straight edge - und relativiert die eigene Position aber immer wieder.
Er schmeißt uns parolenartige, provokative Selbstbilder in die Fresse um gleichzeitig den jungen, noch ungefestigten Künstler darzustellen. Das geht mir manchmal echt auf den Sack
Drangsal ist für mich irgendwie eine ambivalente Geschichte. Der Junge ist stilsicher, keine Frage. Ich find die Mucke geil, weil da im Prinzip alles drin ist, musikalisch wie von der Attitüde her, was ich geil finde. Aber GLEICHZEITIG kommt mir der Herr Gruber so massiv überprätentiös vor - Und er hat eben nicht jenes Charisma auf der Bühne wie die Helden Smith, Morrissey, McCulloh und Curtis - es ist im Endeffekt doch alles recht gewöhnlich. In den gefühlten 5.000.000 Interviews stilisiert er sich aber doch mehr zur Kunstfigur und potentiellem Pop-Mythos hoch, was mir teilweise echt auf den Zeiger geht. Das seltsame an ihm ist, dass er das selbst auf so eine schizophrene Art und Weise auch sieht. Er betrachtet sich auf jeden Fall als Außenseiter, als Weirdo, mögliche Leitfigur einer Counter Culture - so halb straight edge - und relativiert die eigene Position aber immer wieder.
Er schmeißt uns parolenartige, provokative Selbstbilder in die Fresse um gleichzeitig den jungen, noch ungefestigten Künstler darzustellen. Das geht mir manchmal echt auf den Sack