laut.de-Kritik
Animiert eher zum Schunkeln als zum Mitfiebern.
Review von Thomas KlausPost aus Kalifornien! Vier Jahre nach ihrem viral verbreiteten Kettenbrief haben Dredg in siebenmonatiger Klausur einen neuen Schrieb aufgesetzt. Inspiriert von Salman Rushdies Essay "Imagine There's No Heaven: A Letter to the 6 Billionth Citizen" adressieren die vier Klangtüftler ihr Anliegen diesmal an den kommenden siebenmilliardsten Erdbewohner.
Stellvertretend für alle offenen Ohren südlich des Himmels bürden Dredg jenem nicht zu beneidenden Geschöpf eine ganz besonders schwere Last auf: der destillierte "Wahnsinn der modernen Welt, insbesondere ihre Auseinandersetzungen über Religion und Wissenschaft" soll dem noch zu zeugenden Weltbürger der verlautbarten Intention zufolge in geballter musikalischer Form vor den Latz geknallt werden. Nur zu! Wenn es denn gut klingt …
Album Nummer vier kommt folglich in stilvollem Gewand einer Luftpostille der alten Schule daher. Die symbolträchtigen Briefmarken des Covers finden sich unter der Titulierung "Stamp Of Origin" auch in der Tracklist wieder und entpuppen sich als kurze Intermezzi zwischen den eigentlichen zehn Songs und vier Instrumentals.
Bescheren uns Dredg also ein weiteres bedeutungsschwangeres, ausladendes Konzeptalbum in der Manier ihres Meisterstücks "El Cielo"? Der Auftakt klingt verheißungsvoll: Wie von David Lynch dirigiert, trällert ein Kinderchor zu monotoner Klavierbegleitung seine verwunschene Melodie und weckt vertraute Erinnerungen an die surrealen Momente des 2002er Epos.
Diese Traumblase lassen Dredg jedoch prompt im Singalong-Refrain des Openers "Pariah" platzen. Mit etwas zu großer Geste schießt Sänger Gavin Hayes nach einem erfrischend losrockenden, Groove-orientierten Instrumentaleinstieg übers Ziel hinaus und animiert eher zum dumpfdösigen Mitschunkeln denn zum kopfnickenden Mitfiebern.
Auch "Ireland", "Lightswitch", "Gathering Pebbles", "Mouring This Morning", "Cartoon Showroom" und "Quotes" sind nach dem selben anbiedernden Muster gestrickt. Ging der Drahtseilakt zwischen Kitsch und Kunst auf dem deutlich Song-orientierten Vorgänger mit einigen Abstrichen gerade eben noch gut, gerät die Balance aus smartem Pop und schmierigem Pomp auf "The Pariah …" nicht selten schmerzhaft aus den Fugen.
"Information" stellt in diesem fragwürdigen Reigen neo-romantischer Schmonzetten den absoluten Tiefpunkt dar. Man wagt es ja kaum, das böse S-Wort im Kontext dieser höchst versierten Band in den Mund zu nehmen, aber das ist schlicht und ergreifend Schlager.
Nur das Space-Rock Karussell "Saviour" oder die instrumentale Queen-Verneigung "Long Days And Vague Clues" knüpfen noch an die grenzgängerischen Qualitäten dieser ehemals so unkonventionell aufspielenden Band an. Dredg lassen ihr musikalisches Genie in der vierten Depesche leider nur noch zwischen den Zeilen durchschimmern.
Auch die so anspruchs- wie druckvollen Rhythmus-Figuren von Dino Campenella und Drew Roulette, die großartigen Gitarrenmelodien von Mark Engels und der ausdrucksstarke Gesang von Gavin Hayes täuschen nicht darüber hinweg, dass das einstige Prog-Luftschiff über seichtem Gewässer in Turbulenzen gerät. Da ziehe ich es vor, an Land zu bleiben und dem "Leitmotif" zu lauschen.
130 Kommentare
Ach Herrje. In der Visions gab es auch so einen "Halb-Verriss" zu diesem Album. Eigentlich müsste der Postmann es heute bei mir abliefern - ich warte noch.
Kann der Review nur zustimmen- große Enttäuschung die Scheibe. Dachte schon CWA sei sehr poppig geraten, hat mir aber dennoch sehr zugesagt (Stichwort Ode To The Sund..was fürn supertrack). Die neue allerdings fährt mir doch zu sehr diese Schiene..kein Wunder, dass die Band auf einmal von MTV wie nix anderes gehypt wird, als handle es sich um eine Newcomerband.. sehr schade.
Schreibt einen Verriss (den ich zwar nicht nachvollziehen kann, aber ok) und landet dann doch bei 3 Punkte!?
Und der letzte Satz zeigt nunmal aus welcher Warte das Album angegangen wurde, woraus auch nichts anderes als ein Verriss herauskommen konnte.
@puffel: Gibt auch zahlreiche Reviews die es anders sehen.
@Vicious! (« Was ich so gehört habe, ist die Setlist der Live-CD vor der diesjährigen Tour eigtl. ziemlich repräsentativ gewesen. Mal ein halbes Stück von der Leitmotif ansonsten die Mainstreamkost für Konzertgänger. Jetzt kommen noch mehr "Gassenhauer" hinzu, auch wenn Saviour auch auf Konzerten vorher ständiger Gast war.
Natürlich alles relativiert in den den dredg-Kosmos. »):
die setlist aus wien fand ich hammermäßig, so etwas in der art hätte ich super gefunden.
vielleicht waren die jungs etwas angepisst, schließlich musste das konzert vom e-werk in die kleinere live music hall verlegt werden.
wie gesagt, von leitmotiv gab's nix und auch sonst: völlig frei von überraschungen.
na ja, die heimfahrt war lustig. wir waren alle drei etwas enttäuscht, nicht total unzufrieden, aber doch nicht vollends überzeugt, wobei meine mitstreiter auch vergleiche ziehen konnten.
auf jeden fall wird es bei uns in zukunft einige dredg running-gags geben.
nach den ersten erinnerungsfreien durchläufen bleiben jetzt die ersten fetzen hängen, die durchaus noch wachsen könnten ...
Ich liebe dieses Album!!!!Es ist das wunderschönste Album auf dieser Welt!So!