laut.de-Kritik

Endlich: Der Folk wird in die Stadien getragen.

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Folk ist ein durchaus wandlungsfähiges Genre. Man kann den Sound der Kauzigen, der Bärtigen und der introvertierten Frauen mit Wandergitarre am Lagerfeuer zelebrieren. Man kann es auch elektronisch dem Zeitgeist anpassen und in die kleinen Clubs tragen. Oder man stellt es auf große Füße und beschallt damit Stadien und weitläufige Festival-Areas. Dry The River aus London haben sich auf ihrem Debüt "Shallow Bed" für letztere Variante entschieden.

"No fillers, all killers", brüsten sich Bands der härteren Fraktion gerne, wenn es um neues Schaffen geht. Auch Dry The River hätten sich ohne Probleme einen Sticker mit diesem Slogan auf ihr Cover kleben können. Und falls ihnen kritische Geister reflexartig Arroganz vorwerfen würden, lägen sie nach vorliegenden elf Songs um Entschuldigung winselnd auf dem Rücken.

Auf "Shallow Bed" gibt es keine Filler. Jeder einzelne Song des Erstlings zwingt den Hörer sofort nach dem Ende des letzten Tons zum Drücken der Repeat-Taste. Mit schleppender und vertrackter Rhythmik ("Animal Skins"), epischem Treiben ("New Ceremony") und opulenten Gefühls-Wechselbädern ("Shield Your Eyes") sorgt schon der Anfangs-Dreier für wohlige Schauer im Sekundentakt. Unbewusst schweift der Blick immer wieder rüber in jenes Fach des CD-Regals, wo sich die beeindruckenden Werke von Arcade Fire und Fleet Foxes befinden. Dort wird auch "Shallow Bed" seinen Platz finden und zumindest bis zum Erscheinen des "The Suburbs"-Nachfolgers ganz vorne stets griffbereit stehen.

Das liegt vor allem an der überwältigenden Ausdrucksstärke des Falsett-Gesangs von Sänger Pete Liddle sowie an der füllenden Intensität des musikalischen Backgrounds. Das Talent, Songs wachsen zu lassen und mit atmosphärischen Kontrasten spielerisch für permanente Spannung zu sorgen, ist große Kunst.

Detailverliebt und emotional aufwühlend: Das kann ein Yann Tiersen genau so wie Mogwai nahezu in Perfektion. Dry The River verstehen es ebenso auf wundervolle Art und Weise Stimmungen zu erzeugen, die einen nie im Sicheren wägen, ob man es mit dem nächsten Akkord auf den Berg hinauf schafft oder doch eher gemeinsam ins Tal schlittert.

Man weiß nie, was sich hinter der nächsten Tür verbirgt, wenn geistlich Folkloristisches à la "Bible Belt" im folgenden "No Rest" von aufbauender Arena-Opulenz abgelöst wird oder sich die Verantwortlichen beim abschließenden "Lion's Den" nach knapp zwei Minuten zu einem apokalyptischen Melancholie-Feldzug verabreden, der an Intensität kaum noch zu überbieten ist.

Natürlich ist Pete Liddles Organ nicht jedermanns Sache und auch die durchgehend berührende Atmosphäre empfiehlt sich nicht als Soundtrack jedweder Tagesstimmung. Doch sobald Traurigkeit, Verzweiflung oder auch einfach nur aufgewühlte Emotionalität in den heimischen vier Wänden Einzug hält, ist "Shallow Bed" der perfekte musikalische Trostspender, Begleiter und Hoffnungsgeber in einem.

Trackliste

  1. 1. Animal Skins
  2. 2. New Ceremony
  3. 3. Shield Your Eyes
  4. 4. History Book
  5. 5. The Chamber & The Valves
  6. 6. Demons
  7. 7. Bible Belt
  8. 8. No Rest
  9. 9. Shaker Hymns
  10. 10. Weights & Measures
  11. 11. Lion's Den

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