14. Juni 2018

"Esbjörn war eine echte Macht!"

Interview geführt von

Zehn Jahre nach Esbjörns Svenssons Tod hat weder das Trio E.S.T. noch die Musik an Strahlkraft verloren. Ein Gespräch mit Schlagzeuger Magnus Öström zum 10. Todestag des Ausnahmemusikers.

Vor zehn Jahren kam der bedeutende Pianist und Komponist Esbjörn Svensson bei einem tragischen Tauchunfall im Alter von nur 44 Jahren ums Leben. Mit seinem Trio E.S.T. krempelte Svensson, gemeinsam mit Dan Berglund (Bass) und Magnus Öström (Schlagzeug) nicht nur das Trio-Format gehörig und nachhaltig um, sondern bereitete auch Abertausenden, die mit Jazz eigentlich nichts anfangen konnten, ein verlockendes und bis heute verführerisches Angebot.

E.S.T. waren von Virtuosität zum Selbstzweck stets meilenweit entfernt – im Epizentrum der Band standen starke, einprägsame Melodien und Komposition und der Wille zur Klangauslotung. Dabei sahen sie sich gerne als "Rockband, die Jazz spielt." Wie sich das am Höhepunkt ihrer Bandgeschichte anhört, zeigt das soeben erschienene Album "e.s.t. Live in London", auch eine Dokumentation ("A Portrait of Esbjörn Svensson") blickt auf das Leben Svenssons und die Bandgeschichte des Trios zurück. Wir trafen Schlagzeuger Magnus Öström zum ausführlichen Gespräch über Esbjörn, die Kameradschaft innerhalb der Band, das Erbe von E.S.T. und die Zukunft.

Es ist jetzt zehn Jahre her, seit Esbjörn gestorben ist – und dennoch gravitieren heute noch viele Menschen um die Musik des Trios. Was macht euer Werk deiner Meinung nach so zeitlos?

Das ist schwer zu sagen. Wenn ich mir heute das "Live in London" -Album anhöre, dann denke ich mir selbst, dass es immer noch aktuell klingt. Es klingt nicht nach einer bestimmten Zeit, es ist auf seine Art und Weise zeitlos. Wir hatten Glück, diese Kombination zu haben – Esbjörns starke Melodien, seine lyrische Seite in Kombination mit Dan, der aus dem Rock kommt und mir nochmal von einer anderen Seite, vielleicht der Electronica- und Drum'n'Bass-Seite. Diese Mischung führte zu einem eigenen Klang. Ich denke auch, dass es die Melodien waren, die das Publikum in ihren Bann ziehen, damals wie heute. Sie sprechen zu den Menschen.

E.S.T. war auch für Menschen zugänglich, die eigentlich gar keinen Jazz mochten, die Fans kamen aus allen verschiedenen Himmelsrichtungen.

Ja, ich denke, die Musik hatte einfach die Kraft, verschiedene Leute anzuziehen. Wir sind sehr glücklich, wie gut die Leute das Live-Album aufnehmen, wie sehr sie sich offensichtlich danach gesehnt haben, dass wir wieder etwas veröffentlichen. Es ist eine gute Art, uns an Esbjörn zu erinnern. Esbjörn wusste ja auch von den Aufnahmen, wir hatten die Veröffentlichung damals diskutiert. Wir hatten zwar die Live-Aufnahme, aber nicht die Erlaubnis, im Barbican ein Livealbum aufzunehmen, was wir zu der Zeit gar nicht wussten. Deshalb mussten wir erstmal an die Rechte kommen. Als wir die hatten, stand der Veröffentlichung nichts mehr im Weg.

"e.s.t. Live in London" zeigt das Trio auf dem Höhepunkt seiner Kreativität. Wie denkst du darüber, wenn du heute die Aufnahmen hörst?

Es ist schön anzuhören, die Konzerthalle klang toll, das Publikum war super. Mit 2.000 Menschen war das Konzert recht groß, aber dennoch irgendwie intim. Dan und ich haben über die Aufnahme gesprochen – wir fanden beide, dass es ein toller Abend war. Aber andererseits hatten wir auch keine Tiefpunkte, wir kamen einfach bei jedem Konzert auf dieses Level. Das soll jetzt nicht eingebildet klingen, aber es war einfach ein Konzert in einer Reihe von hundert anderen. Ein Puzzleteil von vielen – aber in einem wunderschönen Setting, ein tolles Konzert. Wir hatten eine tolle Verbindung zum Publikum in der Nacht und wir kreierten zusammen eine tolle Energie.

Kannst du festmachen, wann ihr diesen Punkt erreicht habt? Dass quasi nichts mehr schief läuft?

Wir haben einfach oft zusammen gespielt, außerdem sind Esbjörn und ich zusammen aufgewachsen, haben gemeinsam unsere Instrumente gelernt. Es war ein telepathisches Ding, wir fühlten, wo der andere hin will, wo die Musik hin möchte. Ein gemeinsames Denken, ein gemeinsames Gefühl. Manchmal ist das auch kollidiert – und das ist großartig, denn ab und an braucht es auch Reibung. Wir haben immer wieder neue Levels erreicht und unser Selbstbewusstsein wuchs mit der Zeit. Es war sehr leicht, sehr natürlich miteinander zu spielen. Wir konnten unsere Energie in eine gemeinsame Richtung zielen. Das ist oft ein Problem von Bands, dass sie nicht in die gleiche Richtung gehen.

An den von dir genannten Punkt kamen wir also wie gesagt recht früh. Und weißt du, obwohl wir im Barbican standen, standen wir ganz nah beieinander, gewissermaßen fühlte es sich an, als würden wir gemeinsam im Keller spielen. Ich erinnere mich gut, als unser Manager (Burkhard Hopper, Anm. d. Red.) damals vorschlug, in größere Konzerthallen zu gehen. Wir sagten: "Nein, wir wollen lieber in die Clubs." Einfach, weil wir uns da näher waren. Aber als wir die großen Hallen spielten, bemerkten wir, dass es eigentlich dasselbe war: zwar etwas größer, aber wir konnten immer noch dieses intime Gefühl erzeugen. Wir konnten uns adjustieren. Natürlich hatten wir Höhen und Tiefen – vor allem zu Beginn waren wir nach Konzerten oft niedergeschlagen. Nach einer Zeit kamen wir aber in einen Flow rein.

Ihr wart ja auf der Bühne auch immer beinahe ekstatisch, ich erinnere mich an ein Zitat von Esbjörn, in dem er meinte, er könne sich nach dem Konzert an nichts erinnern, vor allem nicht an die Setlist. Erinnert du dich an spezielle Konzerte oder ist es eher alles verschwommen?

Es ist tatsächlich ziemlich verschwommen. Mit den Setlists war es ja so: Wir hatten nie eine. Es war für uns wichtig, im Moment zu sein. Esbjörn begann mit einem Song und nach ein paar Sekunden merkte ich, was das jetzt für ein Stück ist. "Ah, dort hin gehen wir jetzt also". Manchmal war es so, dass er mit einem Stück begann, ich nahm meine Sticks und plötzlich war er ganz woanders und ich dachte "Oh, scheiße, weg mit den Sticks, ich brauche die Jazzbesen". Wir wollten nur im Moment sein.

Lass uns über den Film sprechen. Natürlich war er streckenweise sehr traurig, aber es gab auch unglaublich lustige Momente. Zum Beispiel, als du von euren Anfängen erzählst und dass du mal von Esbjörn aus einer alten Band geworfen wurdest, weil du nicht so viel proben wolltest.

(lacht) Ja, ich wollte lieber mit anderen Sachen spielen. Aber das zeigt einfach Esbjörns Hingabe. Wenn er etwas tun wollte, machte er es zu 100 Prozent, sogar als Kind. Wir haben uns viel von Sportlern abgeschaut, wir hatten diese Trainingscamps – nur dass wir eben nicht Football spielten, sondern Instrumente. Es ging damals schon sehr ernsthaft zu, obwohl wir damals gerade erst begonnen hatten.

Esbjörn konnte also auch ein fordernder Bandkollege sein?

Ja, aber zugleich war er damals schon eine echte Macht. Er hatte damals schon diese Voraussicht, was er erreichen wollte. Talent ist die eine Sache, die andere ist, die Zeit, die du in eine Sache investierst. Er war sehr fokussiert, hatte fast schon Bürozeiten. Er begann früh am Morgen, übte, machte dann etwas anderes. Er hatte ein großes Talent – aber bei ihm ging es immer auch ums Training. Er sagte mal zu jemandem: Wenn du so viele Stunden dran gesessen hättest wie ich, dann wärst du ebenfalls ein guter Pianist.

Das ist beinahe bescheiden.

Ja, aber es war auch so. Er hatte natürlich viel Talent für Melodien, Kompositionen. Er war ein toller Pianist, aber ein noch besserer Komponist.

"Ich kann mich an keinen einzigen Streit erinnern"

In einem aktuellen Interview beschrieb Nils Landgren Esbjörn als Genie, aber mit sozialen Fähigkeiten. Würdest du dem beipflichten?

Ja, absolut. Er hatte den Kopf in den Wolken, wenn er komponierte. Aber er hatte auch die Fähigkeit, darüber nachzudenken, wie er die Musik an die Leute bekommt. Ihm ging es nicht nur darum, ein tolles Stück zu schreiben. Mindestens 50 Prozent gingen darum, wie wir damit rauskommen. Ein großartiger Komponist mit sozialen Fähigkeiten und dem Weitblick, wie wir Leute erreichen. Das war vor allem zu Beginn wichtig: wir wussten, dass viele Leute, die niemals in einen Jazzclub gehen würden, unsere Musik mögen könnten. Deswegen kamen wir zu ihnen, wir spielten in Kirchen, Cafés, Jazzclubs, wo auch immer. Und das stellte sich als richtig heraus: Leute, die Jazz nicht mochten, fühlten sich von unserer Musik angesprochen. Beim Wort Jazz winken viele Menschen ab, bevor sie ihn überhaupt hören.

Wer von euch dreien war am meisten im Jazz verwurzelt?

Eigentlich niemand. Dan begann als Gitarrist in einer Rockband, er spielte auch in einer Tanzband mit seinem Vater, einem tollen Akkordeonisten. Sie spielten auf Partys. Und Esbjörn und ich spielten mit 12 schon in Bands auf Hochzeiten, wir spielten 50er-Jahre-Rock'n'Roll, Jerry Lee Lewis, Little Richard, The Beatles. Alles von Punk bis zu schwedischer Folk-Musik. Keiner kam vom Jazz. Dass wir uns Richtung Jazz bewegten kam daher, dass Esbjörns Vater viele Jazzplatten hatte. Eins Tages hörte Esbjörn McCartneys "Yesterday", gespielt in einer Swing-Version von Errol Gardner. Esbjörn meinte, dass wir so etwas doch vielleicht auch spielen könnten. Das waren unsere Anfänge im Jazz – und wir kamen mehr und mehr rein. Mit 16, 17 spielten wir viel Jazz, hören Chick Corea, Keith Jarrett, Pat Metheny. Wir kamen Stück für Stück in den traditionellen Jazz rein, aber mindestens ein Fuß war stets woanders.

Was hältst du von der Jazz-Schublade? Schubladen helfen Menschen ja dabei, Dinge zu fassen – aber machte das für dich Sinn?

Uns war es nie wichtig, was es war. Es war deswegen Jazz, weil wir improvisierten. Am Anfang waren wir vielleicht noch ein traditionelleres Jazztrio. Aber sogar auf dem ersten Album, "When Everyone Has Gone" gab es schon eine ganz andere Seite. Auch mit dem Thelonius-Monk-Album: manches klingt traditionell, anderes haben wir auf unsere ganz eigene Weise interpretiert. Wir waren immer offen, aber nie im Jazz verwurzelt.

Weil du das improvisatorische Element angesprochen hast: Das nach Esbjörns Tod erschienene Album "Leucocyte" (2008) zeigt die Band ja genau von dieser Seite, gänzlich improvisiert. Wäre das die neue Richtung geworden?

Es war das, was wir zwischen Stücken auf der Bühne machten. Mit den Jahren wuchsen diese Zwischenparts immer und uns gefiel das. Wir wollten zwei Dinge: einerseits auf Tour aufnehmen und andererseits im Studio etwas ganz Offenes zu machen. Wir hatten das schon vor "Leucocyte" in einem Studio in Stockholm gemacht, weil wir diesen Moment mochten. Wir haben besprochen, wie wir das angehen würden. Wir sind nie zu einem Ergebnis gekommen vor Esbjörns Unfall. Wir überlegten uns, ob wir Teile aus diesen Stücken, die ja Improvisationen waren, als Startpunkt hernehmen oder ob wir einfach jede Nacht gänzlich frei auf der Bühne spielen sollten.

Wir haben das nie fertig besprochen, aber wenige Tage vor Esbjörns Tod hatten wir noch neue Stücke geprobt. Und die waren wiederum mehr in dem Fahrwasser von "Tuesday Wonderland". Das letzte, was ich zu Esbjörn bei den Proben sagte: Wir sollten das mit Orchester spielen. Esbjörn fand das auch gut. Das waren die letzten Worte, die wir miteinander gesprochen haben. Leider ist es zu Esbjörns Lebzeiten nicht mehr passiert, aber später realisierten wir es wir mit dem E.S.T. Symphony-Projekt – um Esbjörn zu gedenken.

Bei E.S.T. Symphony habt ihr ja mit verschiedenen Pianisten gearbeitet – Iiro Rantala, Malcolm Braff und Michael Wollny. Wie habt ihr sie ausgewählt?

Beim ersten Konzert in Stockholm war klar, dass wir Iiro fragen. Wir trafen ihn immer wieder, wenn er mit seinem Trio auf Tour war. Er ist ein toller Pianist, also war es logisch, ihn zu fragen. Bei dem Projekt geht es aber gar nicht so sehr ums Klavier. Es ist so: Dan und ich sind der Bass und das Schlagzeug und das Orchester ist das dritte Bandmitglied. Und dann gibt es Gastmusiker, es ist ja auch für Saxophon, Trompete und Gitarre geschrieben. Wir wollten also nicht zu viel Fokus aufs Klavier legen, aber ganz weglassen konnten wir es natürlich auch nicht, schließlich hat Esbjörn diese Musik für Klavier geschrieben. Es war ein schöner Weg, das auf verschiedene Musiker aufzuteilen.

Wie waren die Arbeiten an den Orchesterarrangements?

Es war ziemlich leicht. Es war hauptsächlich Hans Ek, der Dirigent, der es von einem schönen Blickwinkel anging und es sehr organisch werden ließ mit dem Orchester. Er hat tolle Arbeit gemacht. Wir wussten alle, dass wir uns eben nicht aufs Klavier fokussieren wollten und so entstand dieses Setting. Für Dan und mich war das eine tolle Art, neue Musiker kennen zu lernen. Normalerweise ist es so, dass Dan, Hans und ich mit verschiedenen Orchestern spielen. Und jedes Festival schlägt uns Gastmusiker vor, wir schauen uns die mal an und dann spielen wir mit ihnen.

Nach Esbjörns Tod war Dan der erste von euch beiden, der wieder musikalisch aktiv wurde mit seiner Band Tonbruket, du hast 2011 das Album "Thread Of Life" veröffentlicht. Ich habe dich damals interviewt und du meintest, dass du auf keinen Fall verkrampft wieder Musik machen wolltest, du meintest sogar, eher wärst du Taxi fahren gegangen als etwas halbherziges zu machen. Wie war es später, mit E.S.T. Symphony wieder aktiv zur Musik des Trios überzugehen?

Es fühlte sich einfach sehr gut an, diese Musik wieder zu spielen. Es wäre schade, wenn sie in der Schublade verkommt. Es war natürlich auch sehr bewegend, vor allem beim ersten Konzert. Und auf eine Art auch therapeutisch, so mit der Trauer umzugehen.

Die Dokumentation zeigt ja auch, wie viel Spaß ihr hattet. Esbjörn hat euch geradezu gezwungen, überall schwimmen zu gehen. Gehst du heute auf Tour immer noch gerne schwimmen?

Ja, sogar mehr denn je! Es ist einfach so, ich schwimme immer mehr in meinem Leben. Ich mag das, es fühlt sich schwerelos an.

Wie war denn das Kameradschaftsgefühl bei e.s.t.?

Großartig. Wir sind ja mehr zusammen gereist als mit unseren Familien. Esbjörn und ich kannten uns, seit wir drei oder vier Jahre alt waren, das war wie eine Ehe. Wir waren immer Freunde, aber mehr und mehr trafen wir uns meist am Flughafen, wenn es auf Tour ging. Manchmal war es vielleicht etwas zäh, aber ich kann mich an keinen einzigen Streit erinnern. Auch wenn das vielleicht ganz gut hätte werden können (lacht).

Du warst bei E.S.T. ja immer für die Namen verantwortlich.

Ich hatte immer ein Talent dafür, Dinge in Esbjörns Musik zu sehen oder zu hören. Bilder, alte Filme, Gefühle – das konnte ich mit Worten verbinden. Aber es war mir auch wichtig, sie immer offen zu halten, dass jeder etwas anderes damit verbinden kann. Esbjörn fand das schwer, für ihn war Musik einfach Musik. Wir hatten immer komische Arbeitstitel – und ich setzte mich ans Reißbrett und arbeitete daran. Ich mochte das, es war aber auch viel Arbeit. Man skizziert und irgendwann findet man den richtigen Zugang.

Ich mochte ja immer die etwas obskureren Titel gerne: "Dolores In A Shoestand", "When God Created The Coffeebreak", "Mingle In The Mincing Machine". Am schönsten ist aber "From Gargarin's Point Of View", der beschreibt dieses schwerelose Gefühl dieses Klavierthemas perfekt.

Danke. Als wir im Studio das Stück anhörten, war mir klar, dass der Titel in so eine Richtung gehen musste. Ich schrieb mir Worte wie "Weltraum" auf, und von da ging's weiter.

Im Video habt ihr es aber nicht als Weltraum visualisiert, sondern am Sprungturm im Hallenbad.

Ja, mit dem Mädchen, das in Zeitlupe ins Wasser springt – um das Gefühl dieser Schwerelosigkeit darzustellen.

Ein tolles Video. Hat MTV das damals gespielt?

Ja, aber ich weiß nicht mehr ob es auf MTV Europe oder nur dem nordischen MTV lief. Aber so oder so bemerkenswert: ein Jazztrio auf MTV!

"Die Zeit fühlt sich wie ein ganzes Leben an"

Erinnerst du dich an spezielle Höhepunkte?

Ich erinnere mich an einen Auftritt in Lyon. Der Applaus vom Publikum war überwältigend. Ich weiß nicht, wie es sich für eine Popband anfühlt, aber so muss das sein: Die Leute haben geschrien, bevor wir überhaupt da waren. Ein starker Moment, aber auch das Konzert im Barbican. Schwer zu sagen. Wir haben mal drei Wochen als Support für k.d. Lang gespielt, große Hallen, 4.000 bis 14.000 Besucher. Und dann bemerkst du, wie es bei den k.d Lang-Fans klickt und sie in die Musik finden. Es war eine großartige Reise und ich bin dankbar, dass wir sie zusammen machen konnten. Es war unser Kindheitstraum. Wir haben diese Zeit so intensiv erlebt, sie fühlt sich wie ein ganzes Leben an. Das ist ein tröstender Gedanke.

Dabei seid ihr so aktiv wie nie: ihr habt beide eure Soloprojekte, spielt in diversen Formationen.

Wir haben ein neues Trio mit Bugge Wesseltoft, es heißt Rymden. Das kommt bald raus. Wir spielen auch immer wieder andere Sachen. Für mich läuft es fantastisch, ich habe so viele Gelegenheiten, die verschiedensten Dinge zu machen. Ich habe mich lange nur auf mein eigenes Soloprojekt konzentriert und zu vielen Sachen nein gesagt. In den letzten Jahren habe ich vermehrt ja gesagt, und wenn man das tut, ergeben sich immer mehr Möglichkeiten. David Helbock, mit dem ich heute spiele, habe ich noch nie getroffen. Aber ich freue mich drauf, ihn kennenzulernen und mit ihm zu spielen.

Aber aus einem Projekt ist nie etwas geworden: Taurus! So sollte deine Zweitband mit Dan heißen.

(lacht)

Den Projektnamen hast du vor zwölf Jahren mal in einem Interview mit einem Jazzmagazin genannt, an das kann ich mich noch genau erinnern.

Ja, Taurus 2! Schauen wir mal – vielleicht wird's ja noch was!

Fühlst du dich manchmal auf E.S.T. reduziert?

Nein. Es ist, was es ist. Ich bin glücklich, dass wir diesen Erfolg hatten und diese Reise machen konnten. Es ist eine Ehre, damit in Verbindung gebracht zu werden. Ich habe Ringo Starr mal live gesehen. Er kommt auf die Bühne und sagt: "Mein Name ist Ringo Starr, ich hab mal in so einer Band gespielt." Das war so lustig. Ich bin für meinen Teil einfach nur dankbar - und ich nutze die Erfahrung jeden Tag.

Vor wenigen Wochen hast du in Asien in einem Powertrio mit Dan und Iiro Rantala gespielt. Gibt's da eine Chance, dass da mehr draus wird?

Ich weiß es nicht. Dan hat ja schon mehrmals mit Iiro gespielt, und Iiro fragte uns, ob wir diese Gigs spielen wollen. Es hat Spaß gemacht. Ich liebe Iiro, er ist ein lustiger, verrückter Typ. Zur Zeit wird da wohl nicht mehr draus, weil wir jetzt grad alles in das neue Trio stecken. Aber schauen wir mal.

Kannst du über Rymden schon etwas erzählen?

Vor einem Jahr rief Bugge an und fragte, ob wir mal was probieren wollen. Er organisierte ein Konzert in Norwegen und hatte Musik geschrieben. Es war toll mit ihm zu spielen, wir kannten uns ja. Als er mit New Conception of Jazz tourte und wir mit E.S.T. trafen wir uns an den verschiedensten Orten. Ich sehne mich nach diesem Trio-Setting, es lässt so viel Platz aber man kann einen so großen Sound schaffen. Wir haben ein paar Gigs gespielt, waren schon im Studio und gehen im August nochmal ins Studio, so dass ein Album hoffentlich nächstes Jahr erscheint.

Und das Album erscheint auf ACT?

Nein, wahrscheinlich auf Jazzland. Es ist ja Bugges Projekt und Jazzland ist sein Leben.

Planst du auch wieder mal ein neues Soloalbum?

Ja, ich bin gerade dabei, neue Musik zu schreiben – aber das Leben kam dazwischen. Ich hoffe, dass ich es irgendwann nächstes Jahr rausbringe. Ich brauch mal wieder was eigenes.

Als ich dich das erste Mal traf, das ist jetzt sieben Jahre her, habe ich dich gefragt, wie es ist, auf E.S.T.s Musik zurückzublicken. Heute würde es mich interessieren, wie es ist, auf dein Solo-Debüt "Thread Of Life" zurückzublicken – eine sehr melancholische, schwermütige Platte. Ich denke dann das Stück "Longing".

Wir haben "Longing" auf einem Konzert vor einem halben Jahr gespielt. Wie es ein Freund von mir sagt: Das Album klingt wie ein Requiem für Esbjörn – und das ist es wahrscheinlich auch. Die ganze Platte ist davon beeinflusst, was passiert ist. Ja, sie ist dunkel, aber da ist auch Hoffnung. Oft frage ich mich, wo so etwas herkommt. Ich hatte damals lange keine Musik gemacht. Ich mag den Vibe, den Sound, die Dunkelheit des Albums, aber auch die hoffnungsvolle Seite. Die Platten danach waren akustischer, gingen eher in die Jazzrock-Richtung.

Um noch mal auf Trioformat zu kommen: Das habt ihr ja definitiv revolutioniert. Hörst du heute diesen Einfluss raus?

Mir wird oft gesagt, dass diese und jene Band von uns beeinflusst ist, ich bin bei neuer Musik eher schlecht. Aber ich hörte mir einige Sachen und erkannte etwas. Sie haben natürlich ihre eigene Art gefunden, aber man bemerkt, dass sie uns vielleicht gerne gehört haben. Und so soll es auch sein: Wir haben ja auch Sachen gehört, die uns inspiriert haben. Es ist fantastisch, Teil von etwas gewesen zu sein, dass so inspirierend für andere war. Mehr kann man nicht verlangen.

Eine letzte Frage: Gibt es noch mehr Unveröffentlichtes im Archiv?

Ja, es gibt schon noch Live-Aufnahmen. Aber es geht darum, ob es auch gut genug ist, wir wollen nichts nur um der Veröffentlichung willen veröffentlichen. Leider gibt's nicht mehr so viele ungehörte Stücke. Vielleicht finden wir ja ein Live-Konzert, das eine andere Phase aus der E.S.T.-Geschichte zeigt.

"Live in London" ist jedenfalls eine super Art, um Esbjörn zu gedenken und vielleicht neue Generationen in das Schaffen von E.S.T. einzuführen.

Ja, das hoffe ich!

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