laut.de-Kritik
Breitband-Noise mit Post-Hardcore-Sozialisation.
Review von Christoph DornerDas Schwarzweiß-Foto könnte aus dem frühen 20. Jahrhundert stammen. Drei junge Männer in eleganten Anzügen präsentieren im Wald die Gewehre. Ob sie gleich jagen gehen? Oder sich duellieren? Vielleicht sind es auch mutige Widerstandskämpfer. Für die junge Berliner Band Elyjah, die sich hinter dem gefakten Retro-Schnappschuss verbirgt, treffen tatsächlich alle drei Vermutungen irgendwie zu.
Denn auf ihrem Debütalbum wird im wahrsten Sinne des Wortes scharf geschossen. Das Foto ist nämlich nur Teil eines ganzheitlichen Gestaltungskonzepts, das "Planet, Planet" optisch durchbohrt. Auf dem Cover prangt eine Zielscheibe, das integrierte Booklet ist durchlöchert wie nach einem wilden Preisschießen. Dann das Foto. Selbst das CD-Imprint ist mit einer Scheibe bedruckt.
Kein Label würde sich so viel Arbeit für einen Newcomer machen. Also haben Elyjah mit Klimbim Records kurzerhand ihre eigene Destination eröffnet und mit Cargo einen Vertrieb gefunden. Kann der musikalische Output bei einem so perfektionistischen Anspruch mithalten? Er kann. Elyjah spielen ähnlich verkopften Post-Rock wie beispielsweise auch die Berliner Sinnbus-Acts wie Seidenmatt oder kam:as. Auch ihr Zugang ist, das hört man an den verschachtelten Rock-Bausteinen in "Casino", ursprünglich ein rein instrumentaler.
Erst 2006 endete die Suche nach einem Sänger in den eigenen Reihen bei Gitarrist Robert Oeser. Seine helle Stimme rückt Elyjahs mit dem wunderbaren "Wired Song" in die Nähe bestechend guter Emorock-Architekten wie The Appleseed Cast oder Logh. Stilistisch ist das Trio allerdings nicht so einfach zu fassen. Klar, man hört Elyjah an, dass sie im Berliner Post-Rock-Milieu des Schokoladens groß geworden sind, wo ein ehrlicher DIY-Gedanke noch stark ausgeprägt ist.
Im siebenminütigen Brocken "Eyes Wide Open" steckt dagegen eine unüberhörbare Post-Hardcore-Sozialisation, die am Ende die rockistische Struktur des Songs gnadenlos durchbohrt. "Morton's Spate" wiederum ist von collagiertem Breitband-Noise der ersten Alben von Mogwai beeinflusst.
Umso interessanter, dass Elyjah in "Bathysphere" direkt mit vertracktem Indie-Pop der Marke Radiohead zu Zeiten von "Amnesiac" weitermachen, ehe in "V'ger" nochmal die Schotten aus der Ferne mit turmhoch aufgeschichteter Brachialität grüßen. Natürlich können sich Elyjah mit diesen internationalen Kalibern noch nicht messen. Doch man muss nur noch einmal das Foto zücken, um zu wissen: Ihre Knarren sind geladen.
2 Kommentare
am 17.12. zu Gast bei uns.
Zum Teufel
Heidelberg
Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.