laut.de-Biographie
EMF
"The things, you say - you're unbelievable!". Ja. "Unbelievable", ein wahrlich unglaublicher Hit. Unglaublich schnell wurden EMF mit ihm 1991 zu Superstars und etwa genau so schnell verschwanden sie auch wieder in der Versenkung. One-Hit-Wonder nennt man sowas. Dabei sah alles so gut aus. Damals. 1989.
Wenn man im Forest of Dean nahe der südwestenglischen Grafschaft Gloucestershire aufwächst, ist das Leben als Teenager mit Sicherheit kein Spannendes. Wo im Mittelalter englische Könige auf die Jagd gehen und 2000 die Harry Potter-Filmemacher den "Verbotenen Wald" verorten, gründen Ian Dench (git), James Atkin (voc), Derry Brownson (keys), Mark DeCloedt (dr) und Zachary "Zac" Foley (b) 1989 EMF. Die Abkürzung steht offiziell für "Epsom Mad Funkers", hartnäckig hält sich aber die witzigere Auslegung "Ecstasy Mother Fuckers". Die Band integriert den Terminus später auf einer B-Seite im Song "EMF". Erste Band-Erfahrungen können bis dahin lediglich Dench (in "Apple Mosaic") und Foley (in "The IUC's") aufweisen.
Am 28. Dezember 1989 absolvieren die Fünf ihren Debutauftritt in der Heimatstadt Cinderford, sogar einen Vorgruppen-Slot bei Adamski in Glasgow können sie organisieren. Danach bewegt man sich schlauerweise zügig Richtung London, wo EMI die Jungs dann angeblich bereits nach dem vierten Gig vom Fleck weg unter Vertrag nimmt. Die Belohnung könnte schöner nicht sein: im Aufbegehren englischer Bands um die Indie-Krone lassen EMF mit der Dance-Granate "Unbelievable" alle Konkurrenten (Happy Mondays, The Stone Roses, The Charlatans) hinter sich. Aus der "British Dance Invasion" wird zügig die "Rave"-Bewegung, deren Anführer die fünf Baggy betrouserten und schildbemützten Twens darstellen.
"Unbelievable" kommt in Deutschland zwar nicht über Platz 9 hinaus, in den Staaten knackt der Tanznöler aber die Pole Position und England feiert sich im Zuge der wieder erlangten Popvorherrschaft selbstverständlich am lautesten. Gratis-Promotion liefert zudem Yoko Ono, die ein in "Lies" verwendetes Original-Sample des Lennon-Mörders Mark Chapman, der ein Textfragment ihres Mannes zitiert, natürlich überhaupt nicht lustig findet. In der nächsten Album-Auflage wird das Sample entfernt. Mit über zwei Millionen weltweit verkaufter Einheiten bringt "Schubert Dip" genug Kohle ein, um den fünf Dance-Knaben ein wenig die Birne weich zu kochen.
1992 jettet die von ausgedehnten Tourneen und weltweiter Teenie-Hysterie geschwächte Bande nach L.A. zu den befreundeten Jane's Addiction. Dort werden unter fachlicher Anleitung von Perry Farrell Drogen aller Farben und Konsistenzen konsumiert. Nach dem Erwerb frischer Tätowierungen fühlen sich EMF endgültig für den Traum einer fetten Rock-Platte gerüstet. Heraus kommt aber kein zweites "Nevermind" sondern "Stigma", ein überproduziertes Werk, das die blubbernden Sequencer-Basslines des Erstlings mit heftig wehenden Gitarren, Scratches und Streichern zu ersetzen sucht.
Ersetzt wird dadurch in erster Linie eines: Erfolg durch Misserfolg. Zwar erreichen EMF das angepeilte Ziel, sich vom Teenie-Fanstamm zu verabschieden. Dafür existiert nun aber kein Stamm mehr. Nur ein Fünftel der Debutalbumsverkäufe werden abgesetzt, woran auch die lärmige Single "They're Here" nichts ändert. Foley gibt später weitreichende Einsichten zu den damaligen Hauptinteressen der Band: "Bei den Aufnahmen von 'Stigma' warf ich alles an Drogen in mich hinein, was ich kriegen konnte." Also doch die Ecstasy Mother Fuckers?
Im selben Jahr erscheint noch die "Unexplained EP" mit einem Stooges-Cover, bis zum nächsten Lebenszeichen, der Single "Perfect Day", vergehen ganze drei Jahre. Mittlerweile interessiert sich selbst EMFs Heimat nicht mehr für die Band, das Album "Cha Cha Cha" floppt desaströs. Produzent Johnny Dollar (u.a. Massive Attack, Neneh Cherry) flüchtet nach heftigen Soundstreitereien bereits während der Aufnahmen aus dem Studio. EMF sind ebenfalls unzufrieden, da sie ursprünglich Butch Vig oder Jim Foetus engagieren wollten, die aber absagten. Nach einer Tour mit Apollo 440, hartnäckig niedrigen Plattenverkäufen und dem Verlust des Labels trennen sich 1996 die Wege der Jungs. Brownson und Atkin vertreiben sich die Zeit mit Bentley Rhythm Ace.
2000 erinnert sich die Welt per "Coyote Ugly"-Soundtrack wieder an "Unbelievable" und nur wenig später will auch die Band wieder alte Pommes aufwärmen. Mit einem Greatest Hits-Album im Gepäck touren sie durch englische Clubs, die Konzerttermine in den Staaten werden jedoch schnell abgesagt. Am Neujahrstag 2002 stirbt Foley im Alter von 31 Jahren an den Folgen eines Drogen-Cocktails aus Heroin, Kokain, Ecstasy, Schlafmittel und Alkohol - wie erst Ende Mai bekannt wird. Der Bassist hatte jahrelang gegen seine Drogenabhängigkeit gekämpft.
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